Der fatale Vorfall im Seetal ereignet sich in den frühen Morgenstunden im August 2009: In Hohenrain wird ein 24-jähriger Brasilianer von einer Gruppe Osteuropäer angegriffen. Es kommt zu einer Messerstecherei. Der junge Brasilianer stirbt noch an Ort und Stelle.
Das Tötungsdelikt beschäftigt die Richter seit Jahren. Insbesondere die Frage, wer dem Opfer den entscheidenden Stich versetzt hat. Im Fall gibt es drei Angeklagte: einen heute 37-jährigen Mazedonier, einen 28-jährigen Kosovaren sowie einen 33-jährigen Kosovaren.
Das Kantonsgericht kommt jetzt zum Schluss, dass Letzterer dem Opfer den tödlichen Messerstich zugefügt hat. Der 33-jährige Kosovare wird wegen eventualvorsätzlicher Tötung und Angriffs zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 2 Monaten verurteilt. Unter Anrechnung von 25 Tagen, die er in Sicherheitshaft in Kosovo bereits abgesessen hat. Das Urteil liegt seit Dienstag im Dispositiv vor und ist noch nicht rechtskräftig. Das begründete Urteil kann beim Bundesgericht angefochten werden.
Ins Gefängnis müssen alle – unterschiedlich lange
Das Verdikt kommt einer Überraschung gleich: Denn das Kantonsgericht hat damit einen neuen Haupttäter eruiert. Die Vorinstanz war im März 2017 zum Schluss gekommen, dass der Mazedonier den tödlichen Stich ausgeführt haben soll. Sie hatte den Beschuldigten zu 8 Jahren und 3 Monaten verurteilt. «Der Schuldspruch des Kriminalgerichts gegen den Mazedonier wegen eventualvorsätzlicher Tötung wird aufgehoben», hält nun das Kantonsgericht in einer Mitteilung zum Urteilsdispo fest. Der Mazedonier und der jüngere Kosovare werden allerdings wegen Angriffs zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Dem Mazedonier werden 207 Tage bereits erstandener Freiheitsentzug angerechnet, dem Kosovaren deren 89.
Interessant ist: Das Kantonsgericht sieht nun den gleichen Mann als Schuldigen, den auch die Staatsanwaltschaft ursprünglich als Messerstecher ausfindig gemacht hat. Sie hatte eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Jahren verlangt.
Sämtliche Beschuldigten legten Berufung ein
Die oberste gerichtliche Behörde Luzerns hatte sich nochmals mit dem Fall zu befassen, weil alle drei Beschuldigten gegen das Urteil des Kriminalgerichts Berufung eingelegt hatten. Die Verhandlung fand im Juni statt. Während drei Tagen.
Die Verteidigung des Mazedoniers verlangte damals einen Freispruch vom Vorwurf der eventualvorsätzlichen Tötung. Sein Mandant sei lediglich wegen Angriffs schuldig zu sprechen und mit einer teilbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren oder weniger zu bestrafen. Die Verteidigung zog die Aussagen des 33-jährigen Kosovaren in Zweifel, der sich nach der Tat nach Kosovo abgesetzt hatte und erst 2015 befragt werden konnte. Er habe seine Tatbeteiligung heruntergespielt.
Viele Widersprüche haben das Verfahren erschwert
Die Aussagen der Beschuldigten zum Tathergang gingen auseinander. Während etwa der Mazedonier aussagte, der 33-jährige Kosovare habe gerufen, er habe jemanden abgestochen, sie sollten abhauen, wollte dieser den Aufruf zur Flucht vom Mazedonier gehört haben. Auch verneinte er, ein Messer mitgeführt zu haben, was ihm wiederum vom Mazedonier vorgehalten wurde.
Der Mazedonier seinerseits hatte sich verdächtig gemacht, weil er gleich nach der Tat die Haare geschnitten hat. Laut einer Zeugenaussage soll nämlich jener mit den langen Haaren am nächsten beim Opfer gestanden sein. Solche Vertuschungshandlungen und kaum verwertbare Spuren hatten die Untersuchungen erschwert. Aufgrund der vielen Beteiligten habe es fast zu jeder Aussage eine widersprüchlich lautende gegeben, hielt die Staatsanwaltschaft fest.
Das Opfer der Messerstecherei absolvierte damals auf einem Bauernhof ein Praktikum. Zusammen mit weiteren Brasilianern war er auf dem Heimweg vom Seetaler Barfestival in Hochdorf. Dabei kam es zur tätlichen Auseinandersetzung mit den Osteuropäern. Dies, nachdem einige von ihnen zuvor auf dem Festgelände in ein Gerangel verwickelt gewesen waren.