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Luzern

Eschenbacher Pflegeheimleiter geht mit einem Appell in Pension: «Pflegeberufe brauchen eine Image-Aufbesserung»

Fast ein Vierteljahrhundert hat Leo Müller das Betagtenzentrum in Eschenbach geleitet. Gerne klopfte er mit den Seniorinnen und Senioren mal einen Jass. Wegen der Bürokratie fehlte ihm zunehmend die Zeit.
Leo Müller hat während 22 Jahren das Betagtenzentrum Dösselen in Eschenbach geleitet. Nun geht er in Pension.
(Bild: Nadia Schärli (Eschenbach, 25. November 2020))

Reto Bieri

22 Jahre lang hat Leo Müller das Betagtenzentrum Dösselen in Eschenbach geleitet. Nun geht der 63-Jährige in Frühpension. Begonnen hat die Karriere des Urswilers als kaufmännischer Angestellter. Und Maler. Und Soziokultureller Animator:

«Ich habe drei Lehren absolviert und in meinem Leben viel erlebt.»

Maler lernte er dem Vater zuliebe, der ihn als idealen Nachfolger sah. «Es hat aber nicht gepasst mit uns beiden», sagt Müller, halblange Haare, modische Brille, sanfte, sonore Stimme.

Parallel dazu hat er ehrenamtlich als Jugendarbeiter gewirkt. Er machte es später zum Beruf. Auch als Personalberater war Müller tätig. Während dreier Jahre arbeitete er als Betreuer am heilpädagogischen Zentrum in Hohenrain mit gehörlosen Kindern und Jugendlichen. Er realisierte, dass ihn die Leitung einer solchen Institution interessiert. Müller:

«Ich finde die Zusammenführung von sozialem Engagement und wirtschaftlichem Denken spannend.»

In Eschenbach erhielt er 1998 die Möglichkeit, das drei Jahre zuvor eröffnete Betagtenzentrum zu leiten. In seiner Amtszeit habe sich das Dösselen zu einem Kompetenzzentrum für das Alter im Oberen Seetal entwickelt. Das Konzept hat Müller 2007 zusammen mit Pflegedienstleiterin Regula Wisler erarbeitet. Der erste Schritt gelang vor rund zehn Jahren mit dem Bau der Residenz Zielacher. Sie umfasst rund 17 Alterswohnungen mit betreutem Wohnen inklusive einer Passerelle, damit die Mieter trockenen Fusses ins Dösselen gelangen.

Pflegeberufe brauchen Image-Aufbesserung

Das Betagtenzentrum bietet seit dem vergangenen Jahr eine Demenzabteilung sowie eine Wohngruppe für ältere Menschen mit psychischen Erkrankungen. Diese psycho-geriatrische Wohngruppe mit acht Betten ist laut Müller ein neues Angebot im Altersbereich im Kanton Luzern, ähnliche Angebote gebe es nur in Sursee und St.Urban. «Die Wohngruppe hat sich bewährt. Man könnte das Angebot sogar weiter ausbauen.» Die Schwierigkeit sei, genügend Fachpersonal zu finden.

Nicht erst seit der Coronakrise fordern Pflegerinnen und Pfleger besseren Verdienst. Leo Müller sagt dazu: «Die Löhne in den Alters- und Pflegeheimen sind sicher nicht exorbitant, von der Leitung über die Pflege bis zur Reinigungskraft.» Er findet jedoch nicht die Löhne matchentscheidend, sondern die Arbeitszeiten:

«365 Tage rund um die Uhr Einsätze zu haben ist halt nicht sehr sexy.»

Müller bemängelt die fehlende gesellschaftliche Akzeptanz für Pflegeberufe, es brauche eine Image-Aufbesserung.

Vom Heimleiter zum Manager

Die zunehmende Bürokratie und der administrative Aufwand verschärfe das Problem. Die Veränderung zeige sich nur schon in der Begrifflichkeit. «Als ich begann, war ich der Heimleiter. Nun heisst meine Funktion Geschäftsleiter.» Die Zeit für Kontakte mit den Mitarbeitenden sowie den Seniorinnen und Senioren sei im Laufe der Jahre immer weniger geworden. Müller bedauert:

«Am Ende war ich nur noch Manager. Früher konnte ich mal eine Runde mitjassen. Das ist heute nicht mehr möglich.»

Die Professionalisierung findet er nicht grundsätzlich falsch. «Was mich stört, ist die Dokumentationswut.» Als Beispiel nennt Müller die Betriebsbewilligung, die er 2019 beim Kanton einholen musste und dazu Hunderte von Dokumenten sowie einen Lebenslauf und einen Betreibungs- und Strafregisterauszug einreichen. «Ich frage mich schon, ob dieser Bürokratismus wirklich nötig ist.»

Coronakrise führt zum Burn-out

Vorbild für seinen Job sei der Hoteldirektor gewesen. «Er empfängt die Gäste persönlich, bei Fragen können sie auf ihn zugehen und er gibt ihnen ein Wohlfühl-Gefühl. Diese Vision wollte ich umsetzen.»

Am Schluss sei ihm dies nicht mehr gelungen. Im Frühling hat die Belastung wegen Corona nochmals stark zugenommen. «Acht Bewohnende und drei Mitarbeitende hatten sich mit dem Virus infiziert, eine ältere Person ist mit Covid-19 gestorben», so Müller. Mehrere Mitarbeitende mussten in Quarantäne.

In Zukunft als Trauerredner unterwegs

Die ersten 31 Tage habe er durchgearbeitet. «Dies, sowie die Vorbelastung der letzten Jahre, hat zu einem Burn-out geführt. Ab Sommer war ich zum Teil krankgeschrieben.» Glücklicherweise konnte seine Nachfolgerin Corinne Blum die Stelle früher antreten. Statt Ende November ging Leo Müller im Oktober in Pension.

Auch im neuen Lebensabschnitt bleibt Leo Müller nicht untätig. Dazu ging er wieder in die «Lehre», hat sich vor drei Jahren zum Trauerredner weitergebildet. «Als Heimleiter zählten die Erstgespräche nach einem Todesfall zu den spannendsten und bereicherndsten Begegnungen.» Immer mehr Menschen würden sich in traditionellen Beerdigungszeremonien nicht mehr aufgehoben fühlen. Leo Müller will eine neutrale Alternative bieten. «Darin sehe ich meine Zukunft.»

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