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Määs Luzern

Er überlebte ein Schiffsunglück und prägte die Luzerner Herbstmesse wie kein Zweiter: Das bewegte Leben des «Mister Määs»

Er war Matrose, Polizist – und schliesslich Platzchef der Lozärner Määs. Heiri Hüsler, 80, weiss viele Anekdoten zu erzählen.
Heiri Hüsler im Lunapark der Määs.
Bild: Bild Andréas Härry (4.10.2024)

«Die Kollekte ist eröffnet!» Das war jeweils der letzte Spruch des Gemüsehobel-Verkäufers nach seiner Vorführung – gespickt mit Pointen, die 2024 wohl für Skandal sorgen würden. Oder der Fussbalsam-Anpreiser, der mit chargierter Mediziner-Seriosität jedem ein schlechtes Gewissen einredete, der seine Tube nicht zu Hause stehen hatte. Über 50-Jährige mögen sich an diese legendären Marktfahrer erinnern. Heiri Hüsler kennt sie persönlich. Alle, Markthändler und Schausteller, die an der Määs für Unterhaltung und Geschäft sorgten. Hüsler ist ein wandelndes Määs-Lexikon.

Määs: Am Samstag gehts los

Die Luzerner Herbstmesse (Määs) startet am Samstag, 5. Oktober beim Inseli und auf dem Europaplatz. Sie dauert bis am 20. Oktober. Die Määs ist täglich von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Der Lunapark ist jeweils bis 22 Uhr (Wochenende: 23 Uhr) in Betrieb. Mehr Infos auf www.luzerner-herbstmesse.ch

«Sie haben mich aus dem Wasser gezogen»

Heinrich Hüsler wurde 1944 geboren, eines von fünf Kindern von Bäckermeister Hüsler in Inwil. «Man sagt, dass die Kinder ‹in der Mitte› andere Wege gehen», sagt Hüsler. In seinem Fall war es die Ausbildung zum Matrosen auf Rhein-Frachtschiffen. Doch am 20. Oktober 1960 sank die «Padella» bei der Johanniterbrücke in Basel. Hüsler war dabei: «Sie haben mich aus dem Wasser gezogen», erzählt er.

Die «Padella» sank 1960 auf dem Rhein in Basel.
Bild: zvg

Eine Abkehr vom Berufsziel hat dies nicht bewirkt. 1967 absolvierte Hüsler die Schifferprüfung und war zwei Jahre auf dem Passagierschiff «Ursula» als Steuermann im Einsatz. An Bord lernte er seine Ehefrau Myrta kennen, die im Hotelbereich arbeitete. Die Zeit auf dem Rhein ist bis heute präsent. Die Tochter von Hüslers heisst – wegen besagtem Schiff – Ursula. «Sie hätte es blöder treffen können mit dem Schiffsnamen», lacht Hüsler.

Heiri Hüsler am Steuer eines Schiffs.
Bild: zvg

In der Schlägerei lieber im Hintergrund

Schiffe sind nicht gerade familienfreundlich. So entschied sich das junge Paar 1968 zur Rückkehr an Land. «Die Eigenschaften eines Schiffsführers wie Zuverlässigkeit und Einsatzbereitschaft waren bei Blaulichtorganisationen gefragt.» Heiri Hüsler absolvierte die Polizeischule 1968, «gerade als die politische Sturmzeit losging». Seine Erlebnisse als junger Polizist im unruhigen Luzern wurden 2019 im Film «Nach dem Sturm» von Beat Bieri und Jörg Huwyler mitverarbeitet. 20 Jahre war Hüsler «in der Uniform» im Stadtgebiet unterwegs. «Ich riss mich nicht danach, bei einer Schlägerei zuvorderst zu stehen, stattdessen fiel es mir leicht, den Rapport zu schreiben», lacht Hüsler.

So verarbeitete er Erlebnisse dieser Zeit unter anderem im Büchlein «Alti Gschechte», das 2005 erschien. In süffiger Sprache leuchtet der Autor in die Kulissen der Polizeiarbeit, «Eigengoals und Rohrkrepierer» gemäss Hüsler. Gossip-Geschichten, «von denen der Betroffene und seine Frau meinen, dass ausser ihnen niemand sie kenne». 23 weitere Büchlein schrieb er von 1984 bis heute. Über die Polizeiarbeit, die Heimatgemeinde Inwil und viel über die Rheinschifffahrt. «111 Geschichten vom Leben an Bord der ‹Ursula› und ‹Basilea›» erschien 2023. Falls den Machern der ZDF-Reihe «Traumschiff» die Ideen ausgehen, hat Heiri Hüsler Stoff für viele Folgen.

Er sorgte für Ruhe für den wohlhabenden Hügel

Zurück zu Hüslers Hauptjob: 1989 folgte der Wechsel zur Gewerbe- und Gesundheitspolizei als Sachbearbeiter «öffentlicher Grund», ab 1994 als stellvertretender Abteilungsleiter und als Organisator und Platzchef der Luzerner Herbstmesse, also der Määs. «In dieser Aufgabe hatte ich nicht nur Ordnungs-, sondern auch Gestaltungsfunktion.» Der Umgang mit den «nicht immer einfachen» Schaustellern und Markthändlern gefiel Hüsler. «Die kommen nicht hierher, um die Stadt zu verschönern, die müssen ein Geschäft machen.» Heiri Hüsler konnte es mit ihnen, auch wenn er schlechte Nachrichten übermitteln musste. Während der Määs war er jeden Abend um zehn auf dem Platz, um «das Bumm-Bumm der Bässe abzustellen, damit der wohlhabendere Hügel vis-à-vis nicht gestört wird». In den Erzählungen von Heiri Hüsler ist der Schalk immer auch präsent.

Heiri Hüsler vor dem Riesenrad auf dem Europaplatz.
Bild: Bild Andréas Härry (4.10.2024)

Nach der Pensionierung war er von 2006 bis 2018 Sekretär der IG Luzerner Herbstmesse und Märkte. Er blieb somit den Schaustellern und Markthändlern erhalten, mit denen er über Generationen hinweg in einem «Gleichgewicht von Distanz und Achtung» verkehrte, wie er es ausdrückt. Dennoch weiss er viel Privates. Er erzählt die Geschichte der asiatischen Markt-Familie, die er nach 40 Jahren an der Määs mit ihren einstigen Rettern aus der Schweizer Botschaft zusammengeführt hat. Er erwähnt den israelischen Palästinenser mit dem Silberschmuck und die Horwer Familie, die es über drei Generationen von «Lumpensammlern über Marronibrater bis zur wohlhabenden Händlerfamilie gebracht hat».

«Das Lucerne Festival der kleinen Leute.»

Der bekannte Sparschäler wurde von einem Markthändler erfunden, dessen Enkel die Idee an Victorinox verkaufte. Das Zauberportemonnaie und der Nussknacker, der auch Schampus-Flaschen köpft: legendäre Produkte, die es nur an der Määs gibt oder gab. Für Heiri Hüsler geht die Luzerner Määs in eine sichere Zukunft. Die Mischung aus Unterhaltung und Interessantem ist Internet-resistent. Hüsler erklärt das Erfolgsgeheimnis der Määs mit einem Zitat des legendären Verkehrsdirektors Kurt H. Illi: «Die Määs ist das Lucerne Festival der kleinen Leute.»

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