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«Eight Days a Week» in Liverpool – auf den Spuren der Beatles

Unser Kolumnist stürzt sich nach einem langen Aufenthalt in der schottischen Natur ins Nachtleben von Liverpool. Das Ziel: Die Bars und Clubs, welche die «Pilzköpfe» vor 60 Jahren frequentierten.
Ronny Arnold schreibt Kolumnen für die «Urner Zeitung» über seine Reise mit dem Campervan. (Bild: PD)

Ronny Arnold

Ich weile beim Schreiben dieser Kolumne gerade in Liverpool, der Heimatstadt der legendären Beatles. Dabei ist mir bewusst geworden, dass mich die Musiker John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr schon seit vielen Jahren begleiten. Zum allerersten Mal kam ich bereits in meinen Jugendjahren mit den Pilzköpfen in Kontakt, als ich aus kindlicher Neugier einen alten Schrank in unserer Stube im Elternhaus in Seedorf durchsuchte. Dabei entdeckte ich einen Stapel alter Vinylplatten. Damals wusste ich noch gar nicht, was es mit diesen runden, schwarzen Scheiben auf sich hatte. Aber ich war sofort fasziniert von zwei ganz speziellen Albumcovers: vom roten Doppelalbum der Beatles (The Beatles/1962–1966) und von dessen blauem Pendant (The Beatles/1967–1970).

Auf beiden Hüllen sind John, Paul, George und Ringo zu sehen, wie sie vom Treppenhaus ihrer Plattenfirma EMI hinunterschauen. Die Fotos entstanden in einem Abstand von sechs Jahren. Die Unterschiede zwischen den beiden Aufnahmen wecken noch heute mein Interesse, wenn ich die beiden Alben nebeneinanderlege. Dann mache ich mir Gedanken darüber, was wohl die Gründe sein könnten, dass sich die Frisuren und Bärte dieser vier Musiker innert dieser relativ kurzen Zeit so verändert haben.

Cavern Club war Schauplatz von 293 Konzerten

Meine Frau Xenia, mit der ich seit einigen Wochen im Camper «Elsa» durch Grossbritannien reise, animierte mich, die Beatles-Stadt etwas genauer zu erkunden. Wir stellten unseren alten Mercedes-Bus deshalb etwas ausserhalb von Liverpool auf einem Parkplatz ab und ich machte mich auf den Weg, um in die Magie der Geburtsstätte der Beatles einzutauchen. Bei meiner «Begegnung» mit den Beatles und bei der Recherche für diese Kolumne habe ich unter anderem herausgefunden, dass die Farben der beiden Alben ganz bewusst gewählt wurden: Sie stehen für die beiden Fussballklubs aus der Beatles-Stadt, den FC Liverpool (rote Trikotfarbe) und den FC Everton (blaue Trikotfarbe).

Wer die Beatles etwas besser kennt, der weiss auch um die Bedeutung des Cavern Clubs. Die Fab Four, wie die Beatles später auch genannt wurden, spielten zwischen 1961 und 1963 in dieser legendären Location im Cavern Quarter insgesamt 293 Konzerte – zu Beginn noch mit Pete Best an den Drums. Er wurde später, trotz des Protests einiger Fans, durch Ringo Starr ersetzt. Der Überlieferung nach sollen die Fans im Cavern Club am 19. August 1962 immer wieder Petes Namen gerufen haben. Und der Samstagabend habe schliesslich – begleitet vom Schrei «Pete forever, Ringo never!» – in einer Prügelei geendet, von der George Harrison nach einem Kopfstoss ein blaues Auge davontrug.

Nur wenige Schritte vom legendären Cavern Club entfernt befindet sich die Beatles-Bar Rubber Soul, benannt nach dem sechsten Studioalbum der Fab Four, bei dessen Produktion die Bandmitglieder bewusstseinserweiternden Substanzen nicht abgeneigt gewesen sein sollen. «Rubber Soul» gilt als Wendepunkt in der Bandgeschichte, weil es den Beginn musikalischer Experimente einläutete. Die Fenster dieses mehrstöckigen Gebäudes sind aussen mit psychedelischen Bildern der vier Beatles dekoriert. Ringo Starr sagte zur Entstehung des Albums wohl nicht ganz unpassend: «Auf ‹Rubber Soul› wurde viel experimentiert – nicht zuletzt unter Einfluss gewisser Substanzen.»

Die miefenden Schafe schienen erträglicher

Allerdings ist für mich dieser Abend mit einer absoluten Reizüberflutung verbunden. Ich drehe insgesamt drei Runden im Cavern Quarter, bis ich mich bereit fühle, ein Lokal zu betreten. Die vorangegangenen zwei Monate in der schottischen Natur hatten meine Sinne offensichtlich vergessen lassen, wie sich laute Musik, klirrende Gläser und Menschenansammlungen anfühlen. Und ich muss gestehen: Ich erachtete das Miefen der schottischen Schafe, das während dieser Zeit fast täglich den Weg in mein Riechorgan gefunden hatte, trotz meiner durchaus partyfreundlichen Vergangenheit als bedeutend erträglicher und sogar angenehmer als den wilden Mix aus Parfüm, Alkohol, Rauch und Schweiss, der mir im Liverpooler Nachtleben mit Gewalt aufgezwungen wurde.

Trotzdem geniesse ich jede Sekunde in dieser Stadt, in der Musikgeschichte geschrieben wurde und die noch immer ein absolutes Mekka für Livemusikliebhaber ist. Müssten wir uns nicht langsam wieder auf den Weg Richtung Schweiz machen, bliebe ich wohl – einem Liedtitel der Beatles folgend – «Eight Days a Week» in Liverpool.

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