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Luzern

Die VBL wollen die 16 Millionen Franken zahlen – aber sie wollen dafür den Segen eines Gerichts

Eine vorbehaltlose Zahlung der geforderten Millionen ist für die Verkehrsbetriebe Luzern (VBL) undenkbar. Der Verwaltungsrat schlägt nun einen Kompromiss vor. Trotzdem droht nach wie vor ein juristischer Schlagabtausch.
Der Verwaltungsrat der Verkehrsbetriebe Luzern (VBL). Von links: Kurt Moll, Renzo Simoni und Patrick Bieri.
(Bild: Pius Amrein (Luzern, 9. März 2021))

Simon Mathis

Dass ein Verwaltungsrat in corpore zu einem Interview erscheint, kommt höchst selten vor. So geschehen am vergangenen Dienstag. Das dreiköpfige Gremium der Verkehrsbetriebe Luzern (VBL) zog Bilanz über die ersten 100 Tage im Amt und besuchte die Redaktion unserer Zeitung – mit «einigen wichtigen Botschaften», wie es VR-Präsident Renzo Simoni ausdrückte.

Die VBL-Leitung steckt in einem Dilemma. Der Verkehrsverbund Luzern (VVL) fordert vom Transportunternehmen rund 16 Millionen Franken zurück. Der VVL und das Bundesamt für Verkehr (BAV) werfen den Verkehrsbetrieben vor, diese Summe unrechtmässig an Subventionsgeldern verdient zu haben. Die Gretchenfrage lautet also: Sollen die VBL zahlen oder nicht?

Fast ein Jahr lang hat der vorherige VR mit der Zahlung gehadert – bis er vergangenen November unisono zurückgetreten ist. Der neue Verwaltungsrat ist mittlerweile zu einer eigenen Haltung gelangt. Renzo Simoni hält fest:

«Für uns ist klar, dass eine vorbehaltlose Zahlung nicht in Frage kommt.»

Der VR befürchtet nämlich, gegen die Sorgfaltspflicht zu verstossen, sollten sie bedingungslos auf die Forderung eintreten. Deshalb haben die Verkehrsbetriebe einen «Hybrid-Weg» ausgearbeitet und den Subventionsgebern VVL und BAV vorgelegt.

VBL würden die Millionen innert 30 Tagen zahlen

Diesen Hybrid-Weg beschreibt Renzo Simoni wie folgt: «Die VBL würde die geforderte Summe innerhalb von 30 Tagen zahlen. Aber nur unter einer zentralen Bedingung: VVL und BAV müssen sich einverstanden erklären, die Sachlage materiell-rechtlich abzuklären.» Sprich: Ein Gericht müsse nachträglich entscheiden, ob und in welchem Umfang die subventionsrechtliche Rückforderung berechtigt war. Kurt Moll, der Anwalt im VR, betont: «Nur ein Gericht kann diese Frage klären. Denn die Ausgangslage ist alles andere als klar, sie ist hochkomplex.»

Patrick Bieri, der im VR die Eignerinteressen der Stadt Luzern vertritt, hält fest, dass es mittlerweile um mehr gehe als 16 Millionen Franken. Neu werden zusätzlich nämlich Schuldzinsen von bis zu 5 Prozent geltend gemacht, das heisst je nach Berechnungsart bis zu 5,4 Millionen Franken. Ein Feilschen um die Höhe des Gesamtbetrages sei aber kein Thema. «Entweder die Forderung ist berechtigt, oder sie ist es nicht», so Renzo Simoni. Patrick Bieri betont:

«Aufgrund der vielen vorhandenen Rechtsgutachten mit höchst unterschiedlichen Schlussfolgerungen würde kaum ein Verwaltungsrat auf dieser Welt diese Summe einfach so zahlen.»

Bundesamt und Verkehrsverbund blocken ab

Der Vorschlag sei dazu geeignet, die Situation zu entspannen und die Sache unaufgeregt und sachlich zu klären, zeigt sich Renzo Simoni überzeugt. Der Kompromiss könne das Vertrauen wiederherstellen, weil nur die unabhängige Justiz Transparenz und Klarheit schaffen kann. Die Sache hat nur einen Haken: Laut VBL wollen weder Bundesamt noch Verkehrsverbund mitspielen. Im Dezember hätten die Verkehrsbetriebe ihren Vorschlag zum ersten Mal auf den Tisch gelegt – ohne Erfolg. Der VVL sei trotz sehr konstruktivem Gespräch nicht darauf eingetreten, weil er dies nicht ohne Rückendeckung des BAV tun wolle.

Laut VBL bleibt das Bundesamt eisern: Entweder die VBL zahlen bedingungslos, oder es kommt zu einem ausgewachsenen Rechtsstreit. Und in einem solchen würden die VBL keine Kompromisse mehr machen, wie Simoni betont. So würde man etwa die Frage, ob die Millionenforderungen möglicherweise bereits verjährt sind, umfassend abklären lassen. Doch ein juristischer Schlagabtausch könnte das Vertrauen zwischen VBL, VVL und Kanton auf Jahre hin belasten – ganz zu schweigen von den finanziellen Risiken für alle Beteiligten.

Die Subventionsfrage wird zum Druckmittel

Auch auf die Verkehrsbetriebe nimmt der Druck zu. Laut Verwaltungsrat trübt die Millionenfrage bereits den täglichen Betrieb. Offenbar knüpft der Kanton Luzern die Umsetzung bestimmter anderer Projekte an die Zahlungsbereitschaft der VBL. Das betreffe zum Beispiel die Elektromobilität, sagt Simoni. Zur Erklärung: Ende 2021 wollen die VBL erstmals drei Elektrobusse auf der Linie 10 in Betrieb nehmen. Die Busse sind bereits bestellt, refinanziert werden sie vom VVL. Der Kanton Luzern ist zuständig für die Finanzierung der Lade-Infrastruktur. Doch die Luzerner Regierung macht dies offenbar von einer Lösung des Subventionsproblems abhängig. Das bedeutet: Im schlimmsten Fall würden drei neue E-Busse ungenutzt in der VBL-Garage stehen, weil der Kanton sich weigert, die Ladestationen zu finanzieren. Der VR wolle dem Kanton daraus keinen Vorwurf machen, sondern lediglich aufzeigen, wie schwierig seine Lage sei, betont Simoni. Was er kritisiert: «Es kann nicht sein, dass die Zahlungsforderung Einfluss auf bisher unumstrittene Geschäfte im Gesamtinteresse der Öffentlichkeit hat, die gar nichts mit den Subventionen zu tun haben.»

VBL wollen die Tochterfirmen fusionieren

Die Stadt Luzern ist Alleineignerin der Verkehrsbetriebe. Der Stadtrat als Aktionärsvertreterin hat bisher stets betont, dass die VBL selbst für den Zahlungsentscheid verantwortlich seien. Deshalb verweigerte die Exekutive dem vorherigen VR eine Einwilligung in die Zahlung, was letztlich zum Bruch geführt hat. Einen stadträtlichen Segen verlangt der neue VR nicht. Simoni:

«Wir erwarten vom Stadtrat keine Anweisungen, wir sind eigentlich alt genug.»

Er betont, dass das Einvernehmen mit der Exekutive grundsätzlich gut sei. Sollte das anders sein, würde man das am 26. Mai merken. Dann nämlich wählt die Stadt an der ordentlichen Generalversammlung zwei neue Verwaltungsrätinnen – und sollte die drei Bisherigen bestätigen.

Eine ausserordentliche Generalversammlung findet bereits Ende März statt. Dann wird die Struktur der VBL wie angekündigt umgekrempelt: die Tochterfirmen Thepra AG und vbl AG werden fusioniert, die bisherige Holdingstruktur ist dann definitiv Geschichte. Sie erst hat dazu geführt, dass angeblich zu viel Subventionsgelder bezahlt worden seien. Übrig bleiben nur noch die VBL AG (öffentlicher Verkehr) und vbl transport ag (nicht-öffentlicher Verkehr).

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