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Luzern

Die Nidwaldner Tätowiererin Carmela Sullivan hat nun ein Studio in Luzern – ihre Kunst ist gefragt und die Warteliste lang

Mitten in der Coronakrise eröffnete Carmela Sullivan (26) ein Tattoo-Studio in Luzern. Über mangelnde Kundschaft kann sich die Stanserin aber nicht beklagen – die Warteliste ist lang.
(Bild: Pius Amrein (Luzern, 12. Juni 2020))
Carmela Sullivan in ihrem neuen Tattoostudio in Luzern.
(Bild: Pius Amrein (Luzern, 12. Juni 2020))
Die Kunst von Carmela Sullivan ist gefragt. (Bild: Pius Amrein (Luzern, 12. Juni 2020))

Stephan Santschi

Stephan Santschi

Stephan Santschi

«Alles zu seiner Zeit.» So lautet einer der Grundsätze von Carmela Sullivan. Gültigkeit hat er auch, wenn man ausgerechnet während eines viral bedingten Ausnahmezustands ein eigenes Geschäft lanciert. In einer Zeit, in der Firmenkonkurse und steigende Arbeitslosenquoten eine Wirtschaftskrise ankündigen, macht sich die 26-jährige Stanserin selbstständig – am 1. Juni eröffnete sie an der Haldenstrasse in Luzern das Tattoo-Studio «Sullivan Ink».

«Zunächst war ich geschockt», denn im April, als sie die Räumlichkeiten einrichten wollte, hatten die Geschäfte geschlossen. «Wo kaufe ich die Möbel? Wollen sich die Kunden in dieser Zeit überhaupt Tattoos stechen lassen?» Solche Fragen raubten ihr den Schlaf. Dann legte sie los, gönnte sich während sechs Wochen nur zwei freie Tage. «Ich musste mich bei der Auswahl der Möbel auf den Eindruck im Internet verlassen und aufgrund der verlängerten Lieferfristen alles miteinander bestellen», erzählt Sullivan und schmunzelnd fügt sie an:

«Ich kann es nicht ausstehen, wenn die Dinge nicht perfekt sind. Jedes Detail muss stimmen.»

Das Ergebnis darf sich sehen lassen, auf zwei Etagen schuf sie eine moderne und einladende Atmosphäre. «Es ist eine Mischung aus Industrial-­Botanic und Vintage Style», erklärt Sullivan das von Braun und Grün dominierte Interieur.

Sie selber hat drei Tattoos mit grosser Bedeutung

Unterstützt wurde sie bei der Einrichtung von ihrer Familie und ihrem Freund. Ihre Eltern sind es auch, die sie inspirieren. Von der Mutter erbte sie das Organisationstalent, vom Vater, einem Kunstmaler aus Sarnen, die künstlerische Ader. «Ich malte sehr viel, nahm Farbstifte in die Restaurants mit. Mein Vater lobte mich für die Zeichnungen, fand aber stets etwas, das ich besser machen könnte. Das ist heute noch so», erzählt Carmela Sullivan, die im Kanton Luzern zur Welt kam, in Kriens, Sarnen und den USA wohnte und nun in Stans zu Hause ist.

Heute verziert sie nicht mehr die Rückseite von Tischsets, sondern mit Leidenschaft die Haut ihrer Kundschaft. «Ein Tattoo trägt eine Geschichte aus dem Innern des Menschen nach aussen. Es steht für ein besonderes Ereignis oder hilft, etwas zu verarbeiten.» Sie selber hat drei Tattoos. Die Walküre am rechten Arm verkörpert ihr Interesse an Mythologie und die Überzeugung, dass man für gute Taten belohnt wird. Den linken Oberschenkel schmücken eine Piroska, ungarisch für Rotkäppchen, und ein Wolf. «Sie stehen für meine ungarischen Wurzeln, mein Grossvater kommt von dort. Der Wolf soll mich daran erinnern, dass gutmütige Menschen ausgenützt werden können.» Als drittes hat sie bei der Achillessehne ein Jedi-Symbol aus Star Wars. «Meine Eltern und Schwestern tragen dasselbe Motiv an der gleichen Stelle. Es steht für unsere Zeit in Amerika und die Bedeutung der Jedi, dass man für diejenigen da sein soll, die Hilfe brauchen.»

Musikstar Pink schickt ihr Gratiskarten fürs Konzert

Tätowieren lernt man nicht an einer Schule oder im Kurs. «Nicht mal Lernvideos auf Youtube gibt es. Die Branche behält ihre Geheimnisse gern für sich», hat Carmela Sullivan festgestellt. Während der Lernphase arbeitete sie in einem bekannten Luzerner Tattoostudio und die wichtigste Bezugsperson gestand ihr pro Tag nur eine Frage zu. «Wenn sie nicht gut war, bekam ich keine Antwort.» Sie selber ist gelernte Polygrafin und fand vor fünf Jahren zufällig zur Körperkunst. «Ich machte meinen Freunden Vorlagen für Tattoos. Da sie fanden, dass der Tätowierer es nicht so schön hinbekam, wie ich es vorzeichnete, empfahlen sie mir, es selber zu tun», erzählt sie und lacht. «Dinge passieren, wenn sie passieren sollen.» Mittlerweile zählt die lernbegierige und durchsetzungsfähige Sullivan zu den gefragtesten Tätowiererinnen des Landes. Auf einen Termin wartet man bis zu eineinhalb Jahre, wegen des Coronavirus erhielt sie keine einzige Absage.

«Wichtig ist, dass die Leute wissen, dass ich ausgezeichnete Gasttätowierer bei mir habe. Zusammen decken wir jeden Stil ab.» Ihre Spezialität sind Frauen- und Tiermotive in realistischen Schwarz- und Grautönen. Selber wirkte sie zweimal als Gasttätowiererin in Orlando im renommierten Studio von Carey Hart, dem Mann von Musikstar Pink. Letztes Jahr liess ihr Pink Gratiskarten für das Konzert in Zürich zukommen, getroffen hat sie die Amerikanerin aber noch nicht. Auch in dieser Hinsicht gilt bei Sullivan: «Alles zu seiner Zeit.»

Mehr Informationen: www.sullivan-ink.ch

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