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Luzern

Die Lehrstellensituation im Kanton Luzern ist stabil – doch die Aussichten auf den Sommer 2021 sind düster

Die Coronakrise hat Gewinner und Verlierer hervorgebracht, auch in der Berufsbildung. So verzeichnen die Mediamatiker einen neuen Lernenden-Rekord, während die Gastrobranche noch hinterherhinkt. Die Aussichten sind jedoch für alle nicht gerade rosig.
Gemäss Umfrage sind bis Ende Mai 2020 in der Zentralschweiz 6156 Lehrverträge abgeschlossen worden. Dies entspricht rund 73 Prozent der im Vorjahr insgesamt abgeschlossenen Lehrverträge. (Screenshot: Taskforce2020)
Die beiden Kunststofftechnologen Marko Kojic und Sarvjan Srijegan haben dieses Jahr ihre Lehre abgeschlossen und können bei der Bachmann Forming AG bleiben. (Bild: Manuela Jans-Koch, Hochdorf, 19. Juni 2020)

Fabienne Mühlemann

Fabienne Mühlemann

Während des Lockdowns waren die Befürchtungen gross, dass viele Schulabgänger im Sommer keine Lehrstelle finden würden. Unter anderem prognostizierte Ende April eine Studie, dass die Zahl der Lehrstellen in der Coronakrise einbrechen dürfte. Doch nun zeigen Zahlen des Bundes: Die Lehrstellensituation ist stabil geblieben – insbesondere in der Deutschschweiz und damit auch im Kanton Luzern. In der Westschweiz und im Tessin ist die Anzahl abgeschlossener Lehrverträge im Vergleich zum Vorjahr deutlich tiefer:

Laut Christof Spöring, kantonaler Dienststellenleiter Berufs- und Weiterbildung, sind im Kanton Luzern derzeit kaum Folgen der Coronakrise auf dem Lehrstellenmarkt spürbar. «Bis jetzt wurden etwa 2 Prozent weniger Lehrverträge abgeschlossen als zu dieser Zeit im Vorjahr», sagt Spöring. Rund 1000 Lehrstellen seien im Kanton noch frei. Zum Zeitpunkt der letzten Erhebung Anfang April suchten noch 900 Schülerinnen und Schüler eine Lehre für den Sommer, mittlerweile seien es noch ein paar hundert weniger. Das entspreche in etwa den Zahlen aus dem Vorjahr. Auch die Brückenangebote, wie zum Beispiel ein zehntes Schuljahr, werden gemessen an den Anmeldungen etwa gleich oft genutzt. «Ich erwarte daher in diesem Sommer einen normalen Lehrbeginn», so Spöring.

Virtuelle Schnupperlehren als Ersatz

Er stelle derzeit auch nicht fest, dass weniger Lehrstellen angeboten werden. «Die Bereitschaft der Unternehmen, Lernende auszubilden, ist weiterhin ungebrochen», sagt Spöring. Der Bewerbungsprozess in den letzten Monaten verlief jedoch alles andere als normal. Wegen des Lockdowns konnten viele Schulabgänger ihre Schnuppertage nicht absolvieren. Und wie soll man sich für eine Lehre entscheiden, wenn man keinen Einblick in den Beruf erhält? Spöring hält fest: «Viele Unternehmen zeigten sich in dieser Zeit innovativ und waren bestrebt, trotzdem Schnuppertage anzubieten.» So fanden Schnupperlehren teils virtuell oder über Videokonferenzen statt. Allerdings hätten viele Schüler während des Lockdowns keine Bewerbungen geschrieben. Deshalb gelte es nun, diesen Rückstand bis im August aufzuholen. Spöring meint:

«Vielen hat vermutlich der Antrieb durch die Lehrer gefehlt, sich in der Coronakrise zu bewerben.»

Umgekehrt bekunden auch einige Branchen beziehungsweise Unternehmen bei der Suche nach einem Lernenden grosse Mühe. So zum Beispiel die Bachmann Forming AG in Hochdorf, welche jeweils pro Jahr zwei Lernende zum Kunststofftechnologen oder -technologin EFZ ausbildet. «In den vergangenen Jahren waren die Lehrverträge spätestens im Januar oder Februar unterzeichnet gewesen. Die Nachfrage von geeigneten Bewerbern geht nun gegen Null», sagt Ines Steinfurth, Leiterin Personal beim Unternehmen.

Und das, obwohl die Bachmann Forming AG als systemrelevantes Unternehmen die Coronakrise dank der hohen Nachfrage nach Verpackungsmaterial ohne Kurzarbeit überbrücken konnte. Gründe für die ausbleibenden Bewerbungen sieht Steinfurth in der Verunsicherung während des Lockdowns, aber auch beim Beruf selbst. «Produkte aus Kunststoff werden von vielen jungen Menschen kritisch betrachtet», sagt sie. Da halfen auch die Ausstellung an der Zentralschweizer Bildungsmesse im letzten Herbst oder das Anbieten von Schnupperlehren nichts. Doch die Hoffnung, die Lehrstellen per August 2020 doch noch besetzen zu können, gibt Steinfurth nicht auf: «Alle, die noch keinen Lehrvertrag in der Tasche haben, können sich aktiv bei mir melden. Eine mehrtägige Schnupperlehre hilft bei der Entscheidungsfindung.»

Rekord bei den Mediamatikern

Ähnliche Probleme kennen zum Teil auch die Gastrobranche und der Detailhandel. «Gemessen an den Abschlüssen an Lehrverträgen hinken diese beiden Branchen im Vergleich zum letzten Jahr aktuell um 10 bis 15 Prozent hinterher», sagt Christof Spöring.

Doch aus der Krise gehen auch Gewinner hervor. Einer davon: Die IT-Branche. Schon lange kämpft diese mit zu wenigen Lehrstellen, gemessen an der Nachfrage. Doch weil während des Shutdowns viele Unternehmen auf Homeoffice setzten und daher neue Programme benötigten oder einen Webshop einrichteten, waren IT-Firmen sehr gefragt. «Die Branche nahm den heftigen Digitalisierungsschub froh auf, es gab sehr viel Arbeit. Wir sind sicher keine Verlierer der Krise», sagt Roger Erni, Geschäftsführer ICT Berufsbildung Zentralschweiz und Einwohnerratspräsident der Stadt Kriens. Das wirke sich positiv auf die Lehrstellensituation aus. «Bei den Mediamatikern starten im Sommer in der Zentralschweiz 52 Lernende, das ist neuer Rekord», sagt Erni. Zum Vergleich: Letztes Jahr waren es 34.

Er hoffe nun, dass die ganze Branche wie die Mediamatiker vom Digitalisierungsschub profitieren könne. Doch er hält auch fest: «Wir haben grossen Respekt vor dem Sommer 2021. Denn gehen Firmen in der Nach-Krisen-Zeit Konkurs, könnte es schlussendlich weniger Lehrstellen geben.» Auch Christof Spöring zeichnet kein rosiges Bild von der Zukunft. «Sobald die finanzielle Unterstützung des Bundes und des Kantons ausläuft, könnte es zu Konkursen kommen. Möglicherweise stehen Lernende plötzlich auf der Strasse.» Wegen der Rezession könnte es langfristig weniger Lehrstellen geben. So sagt zum Beispiel eine Studie voraus, dass der Lehrstellenmangel bis 2025 anhalten dürfte.

Spöring empfiehlt daher den Jugendlichen, welche 2021 die Schule beenden, auch in den Sommerferien Schnupperlehren zu absolvieren:

«Es braucht die Bereitschaft der Schüler, bereits jetzt tätig zu werden, aber auch jene der Betriebe, das Lehrstellenangebot in genügender Höhe aufrechtzuerhalten.»

Und den aktuellen Schulabgängern rät er zu Pragmatismus: Besser sei es, gleich jetzt eine Lehrstelle anzutreten, die bloss zweite Priorität hat, als auf 2021 zu hoffen. Denn dann könnten die Chancen für die Traumlehrstelle geringer sein als heute.

Hinweis: Interessierte an einer Lehre bei Bachmann Formings AG können sich bei ines.steinfurth@bachmann.ch melden.

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