Michael Wyss
Mit einem Strahlen öffnet Shana Hegglin die Tür beim Interviewtermin mit unserer Zeitung. Grund dazu hat die 15-Jährige, denn sie feierte kurz zuvor den grössten Triumph als Kickboxerin im K1: den Sieg über die dreifache Weltmeisterin Kristin Schwer mit 3:0-Runden. Die Oberstufenschülerin feierte in der Kategorie Juniorinnen bis 55 kg den Sieg gegen die Deutsche in Pfullendorf, einer Stadt 40 Kilometer nördlich des Bodensees.
«Dass ich gewonnen habe, verdanke ich meiner Technik. Ich war Schwer in diesem Bereich klar überlegen. Sie fand kein probates Mittel gegen mich. Sie war grösser als ich, doch das schüchterte mich nicht ein», sagt die 1,65 Meter grosse Kämpferin. Hat der Kampf seine Spuren hinterlassen? «Äusserlich nicht und ich habe mich auch gut vom Kampf erholen können. Ich bin noch etwas müde, sonst geht es mir gut».
Erholung ist wichtig
Die Chamerin Hegglin, die vor kurzem mit ihrer Familie nach Sins zog, erklärt: «Nach den Kämpfen brauche ich so drei bis fünf Tage Erholung und Regenerationszeit. Deshalb kann ich auch nicht jedes Wochenende an Wettkämpfe.» Übrigens: Bei der Fight Night in Pfullendorf waren 650 Fans anwesend.
Der Kampf zwischen Hegglin und Schwer war der einzige Amateurkampf. «Die Stimmung war super. Während des Kampfs bekommst du davon nichts mit, denn da bist du in deiner eigenen Welt und der Fokus liegt im Ring und bei deiner Gegnerin. Aber beim Einmarsch in den Ring bekommst du schon etwas Hühnerhaut oder bei der Bekanntgabe der Siegerin.»
Wie kam Hegglin zum Kickboxen? «Die Gene dazu wurden mir in die Wiege gelegt. Mein Vater war früher selber ein erfolgreicher Kickboxer, heute ist er mein Trainer.» Die Rede ist von Roland Hatt, der unter anderem den fünffachen Weltmeister Janosch Nietlispach trainierte und diesem ins Rampenlicht verhalf.
Der 49-jährige Hatt ist Inhaber der Chamer Kampfsportschule Phoenix, die ab November in Steinhausen liegen wird. Shana Hegglin macht seit ihrem dritten Lebensalter Kickboxen. «Dieser Sport fasziniert mich, denn es geht um viel mehr, als nur ums Kämpfen oder den Gegner zu schlagen. Die Technik, Schnelligkeit, Kondition und das Mentale fordern dich als Athletin. Es ist ein facettenreicher Sport, der mir alles abverlangt.»
Wie reagieren eigentlich ihre Mitschüler? Hegglin: «Sie finden cool, was ich mache und fragen mich auch viel über das Kickboxen aus. Die Jungs haben sicherlich etwas Respekt vor mir,» sagt die sympathische Kämpferin lachend. Auch Hegglins Geschwister sind sportlich unterwegs, ebenfalls im Kickboxen sowie im Handball.
«Nur ich bin nicht sportlich», sagt Mutter Gabriela Hegglin (52). «Ich manage dafür im Hintergrund und mache andere wichtige Sachen für meine Familie», sagte sie. Vor allem unterstützen sie ihre Tochter bei den Wettkämpfen. «Meine Eltern sind eine moralische Stütze für mich. Wenn ich weiss, dass meine Mami im Publikum sitzt und mein Papi neben dem Ring steht, geht es mir leichter. Es gibt mir Sicherheit und ein gutes Gefühl», sagt die 15-Jährige, die bis sechs Mal in der Woche trainiert.
Der Wechsel zu den Aktiven steht bevor
Welche Ziele schweben der Chamerin in diesem Jahr noch vor? «Ich werde Mitte Oktober in Vaduz im K1 bis 56 Kilogramm und Mitte November an der Schweizer Meisterschaft in Zürich bei den K1-Juniorinnen bis 55 Kilogramm die Finalkämpfe bestreiten.» Für Hegglin ist es die letzte Saison, in welcher sie im Nachwuchs starten darf. Im Jahr 2019 wird sie 16 Jahre alt, da wird sie automatisch bei der Elite starten müssen.
Zunächst gilt es aber, so erfolgreich wie möglich im Nachwuchs zu sein. Für den Kampf in Vaduz bekam Hegglin, die später gerne einmal als Fachfrau Bewegung und Gesundheitsförderung arbeiten möchte, eine Anfrage. Für den Kampf um den Schweizer-Meister-Titel musste sie sich qualifizieren. «Ich möchte natürlich die beiden Titel gewinnen, das wäre die Krönung zum Abschluss meiner Nachwuchszeit.»
Und ein Fernziel, gibt es das auch? «Ja, wenn ich einmal an einem grösseren Anlass starten könnte, wäre das schon fantastisch. Eine Teilnahme an einer Europameisterschaft oder Weltmeisterschaft ist schon ein Traum für mich.» Gibt es auch Vorbilder? «Der Bieler K1-Kickboxer Beni ‹The Dog› Osmanoski ist Schweizer Meister, Europameister und Weltmeister. Er beeindruckt mich immer wieder. Er hat das Gros seiner Kämpfe gewonnen und kann eine super Bilanz vorweisen.»
Wie geht sie damit um, dass ihr Vater einst ein erfolgreicher Kickboxer war und vielen seiner Schülern zu Titeln verhalf? «Das ist kein Problem für mich. Ich habe keinen Erfolgsdruck. Wenn ich kämpfen will, erwarten meine Eltern, dass ich alles gebe und mit Spass und Herzblut dabei bin. Die Rangierung ist dabei sekundär. Ich mache Kickboxen aus Freude und als Abwechslung zu meinem Schulalltag.» Das heisse aber nicht, dass sie nicht ehrgeizig sei. Man glaubt es ihr aufs Wort.