Simon Mathis
Simon Mathis
Simon Mathis
Die Coronakrise hat die Beizen und Restaurants um ein Utensil reicher gemacht: die Trennwand. Sie erlaubt es, Gästegruppen näher als zwei Meter nebeneinander zu platzieren. Wer sich in der Stadtluzerner Gastroszene umschaut, erkennt dabei ganz verschiedene Philosophien: Sie reichen von spartanischer Schlichtheit bis hin zum ästhetischen Statement. «Bei der Trennwand ist der Fantasie der Gastronomen keine Grenzen gesetzt», sagt Patrick Grinschgl, Präsident von Gastro Region Luzern. «Zwischen Plexiglasboxen, Kartonwänden und künstlerischen Installationen gibt es in Luzern alles zu sehen.»
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Die Hersteller von Trennwänden seien während der Krise regelrecht aus dem Boden geschossen, sagt Grinschgl. Um sich davon zu überzeugen, genüge ein Blick ins Branchenmagazin «Gastrojournal», in dem fleissig Werbung für Trennwände geschaltet wird. «Grob geschätzt gibt es etwa 50 bis 60 Anbieter von Trennwänden in der Schweiz», so Grinschgl.
Die Lockerungen am 6. Juni seien keineswegs das Ende der Trennwand: «Die Besuchergruppen können zwar grösser sein, der Zwei-Meter-Abstand jedoch bleibt Pflicht.» Hinzu komme ein weiteres Kriterium: Die Wände müssen mobil sein, um den sich verändernden Tischgrössen gerecht zu werden.
18'000 Franken als notwendige Investition
Besonders augenfällig sind die Abtrennungen beim Café Heini am Falkenplatz; da reiht sich eine dünne Acrylhaut an die nächste. Es handelt sich um eine Eigenkreation», so Geschäftsführer Bruno Heini. So sieht's im Heini aus:
Die durchsichtige Acrylfolie wurde mit Holzleisten stabilisiert und mit Metalldrähten an der Decke aufgehängt. Dafür gibt es einen guten Grund: «Da bei uns sehr viele Kunden ein und aus gehen, wäre ansonsten die Gefahr gross, dass sie die leichten Wände mit dem Fuss verschieben.
Das Unternehmen lässt sich die Trennwände einiges kosten; 3000 Franken in jedem der insgesamt fünf Cafés in Luzern und Zug – am Falkenplatz sogar doppelt so viel. Unterm Strich sind das 18'000 Franken. Was nach viel klingt, nennt Heini eine «notwendige Investition». Sie mache immerhin vorübergehend 110 von 230 Sitzplätzen am Falkenplatz nutzbar. «Die Meinungen unserer Kunden gehen auseinander», so Bruno Heini. «Wenige stören sich an den Klarsicht-Abtrennungen, die meisten finden sie eine tolle Sache, die ihnen Sicherheit gibt.»
Umstrittenes Plexiglas
Doch nicht alle Cafés setzen auf Trennwände. «Wir haben uns dagegen entschieden», sagt Julia Furrer von der Alpineum Kaffeehaus Bar. «Diese Plexiglasscheiben zerstören die Atmosphäre», findet sie.
«Wenn sich die Gäste anschauen, sollen sie sich nicht so fühlen wie im Film ‹Das Schweigen der Lämmer›».
In die Entscheidung hinein gespielt habe auch die Jahreszeit; die sommerlichen Temperaturen ermöglichen es, die Gäste draussen zu empfangen.
Durchsichtige Trennwände können indes auch verziert werden – im Restaurant Zur Werkstatt etwa hat man sie mit Begriffen wie «Weinkenner» oder «Naschkatze» versehen. «Die Gäste schätzen es, wenn man sich Mühe gibt», sagt Simone Müller-Staubli von der Werkstatt. «Es haben sogar schon Leute gefragt, ob die Wände stehen bleiben.»
Trennwände müssen nicht durchsichtig sein. Das Zentralschweizer Projekt «GastroWalls.ch» etwa stellt nach eigenen Angaben 100 Prozent recyclebare Wände aus Karton her. Ins Leben gerufen wurde das Projekt von einer Gruppe Zentralschweizer Unternehmen – unter ihnen der Gastromarketing-Experte Thomas Holenstein. «Das Projekt entstand aus der Feststellung heraus, dass viele Gastronomen mit Plexiglas selber etwas herumfausten», so Holenstein. «Wir finden, dass eine Trennwand nicht nur ein Fremdkörper sein muss, sondern durchaus auch ein Designobjekt sein kann.»
Verkauft habe man bisher etwa 300 Trennwände – die erste Charge sei fast aufgebraucht. Ausserdem haben schon Unternehmen aus anderen Branchen Interesse bekundet. Wenn das Geschäft zustande komme, würde GastroWalls.ch bis zu 4000 weitere Trennwände herstellen. «Mit einigen Anpassungen kann die Wand mühelos auch im Grossraumbüro zum Einsatz kommen», erläutert Holenstein.
Trennwände sind nicht nur in der Gastronomie gefragt
Ein weiterer Anbieter von Trennwänden ist das Inwiler Unternehmen 3-D-ART, das sich auf temporäre Bauten in der Messe- und Eventbranche spezialisiert hat. «Unser Hauptgeschäft liegt zurzeit durch die beschränkten Veranstaltungsmöglichkeiten brach, da suchen wir naturgemäss nach neuen Projekten», so Martin Doppmann, Projektleiter bei 3-D-ART. «Für uns war der Schritt zu diesem neuen Angebot naheliegend, da wir mit dem dafür benötigten Material bestens vertraut sind.»
Die Luzerner Firma vermietet Raumtrenner aus Plexiglas. Im Sortiment sind ausserdem Trennwände aus Massivholz und Spanplatten. Die Abnehmer kommen vor allem aus der Gastrobranche, aber nicht nur. Doppmann erzählt:
«Wir konnten auch schon Spezialanfertigungen aus Plexiglas an den Kanton Zug, an ein Gericht und an diverse Zentralschweizer Unternehmen liefern.»
Er ist der Meinung, dass das Geschäft mit Trennwänden durchaus noch anziehen könnte. «Klar, der Hype zu Beginn der Corona-Massnahmen ist vorbei.» Allerdings: Wenn der Zwei-Meter-Abstand noch mehrere Monate anhalte und es mehr Kunden in die Restaurants ziehe, werde der Platz schnell eng – und die Trennwände gefragter.
Eine weitere Luzerner Firma, die Trennwände anbietet, ist Wibatec AG mit Sitz in Malters. Das Unternehmen hat sich auf Wandverkleidungen aus natürlichen Materialien spezialisiert – und bietet seit der Coronakrise eine Trennwand aus Kork an. «Wir wurden direkt aus der Gastronomie darauf angesprochen, ein nachhaltiges und platzsparendes Raumtrennsystem zu entwickeln, das nicht aus Plexiglas oder Karton besteht», sagt Daniel Helfenstein, Technischer Berater Wandverkleidungen bei Wibatec.
Allerdings: «Langsam normalisiert sich die Situation auch in der Gastrobranche, damit schwindet wohl auch etwas die Bereitschaft für zusätzliche Investitionen», so Helfenstein. Die kurzfristige Entwicklung dieses Angebots habe sich trotzdem gelohnt, da die Zusammenarbeit zwischen Wibatec und der Gastro- und Hotelbranche vertieft werden konnte.
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