Auf einer einzigen Plattform sämtliche Amtsgeschäfte erledigen können – egal, ob sie die Gemeinde, den Kanton oder den Bund betreffen: So lautet das Ziel, das sich der Kanton und die Luzerner Gemeinden mit der Plattform «Einwohnerportal» gesetzt haben. Konkret sollen sich die Luzernerinnen und Luzerner ab 2022 auf diesem Portal einloggen und darauf beispielsweise eine Wohnsitzbescheinigung bestellen, einen Ersatz für den verlorenen Führerschein anfordern oder sich einen Überblick zu den Steuerrechnungen verschaffen können. Oder es soll möglich sein, sich bequem von zu Hause aus über die Gültigkeit des Fischerei- oder Jagdpatents zu informieren.
Das Projekt steht zwar noch in der Startphase. Doch vieles ist bereits klar. So zum Beispiel die Absicht, den elektronischen Umzug einzubinden. Bis jetzt können Zu-, Um- oder Wegzüge erst in 20 Luzerner Gemeinden online erledigt werden (siehe Kasten am Ende des Beitrags). Oder der Grundsatz, dass sich der Kanton und die Gemeinden die Finanzierung hälftig teilen.
Emmen und 20 weitere Gemeinden beteiligen sich finanziell noch nicht
Was den Kanton betrifft, ist das Budget für 2021 unter Dach. Bei den Gemeinden gibt es jedoch noch einige Fragezeichen. Dem Aufruf des Verbands der Luzerner Gemeinden (VLG), für das kommende Jahr 1.25 Franken pro Einwohner für das Projekt einzustellen, sind bis jetzt erst 61 Gemeinden gefolgt. Laut der Wikoner Gemeindeschreiberin Martina Winiger, die den Bereich Prozesse und Informatik beim VLG leitet, werden damit aber mehr als 80 Prozent der Einwohner abgedeckt. Das entspreche einem «sehr guten Wert», der Start sei gewährleistet.
Nicht dabei ist vorerst Emmen – aus finanziellen Gründen und nicht, weil die zweitgrösste Luzerner Gemeinde das Projekt grundsätzlich ablehnt. Für die Jahre 2022 bis 2024 sollen die Gemeinden pro Einwohner 2.50 Franken veranschlagen. Zusammen mit dem Kantonsbeitrag kommt so der «Digitalisierungsfünfliber» zusammen – pro Jahr also rund zwei Millionen Franken.
Gesucht sind weitere Public Innovators
Noch nicht klar ist, welche Dienstleistungen zu Beginn angeboten werden. Laut Martina Winiger fällt dieser Entscheid im ersten Quartal 2021. Geplant sei in der Folge ein ständiger Ausbau mit «Bürgerfreundlichkeit als oberstem Ziel. Momentan herrscht ein ziemlicher Wildwuchs, weil Bereiche wie die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde oder das Zivilstands- und Grundbuchwesen regional organisiert sind. Da kann man als Bürger schon mal den Überblick verlieren», sagt die 37-Jährige, die am 1. Dezember auf ihr erstes Amtsjahr als Wikoner Gemeindeschreiberin zurückblicken kann. Zuoberst auf der Prioritätenliste stünden häufige Verwaltungskontakte – und nicht etwa der möglichst einfache Ablauf eines Einbürgerungsprozesses, den man nur einmal im Leben durchlaufe.
Ebenfalls noch nicht abgeschlossen ist die Suche nach sogenannten Public Innovators, also von Personen, welche die Sicht der Kunden einbringen, aber auch Verwaltungsprozesse hinterfragen und die Arbeitskultur verbessern wollen. Vom Ziel, pro Gemeinde eine Person zu rekrutieren, ist die Projektgruppe noch weit entfernt: Auf den entsprechenden Aufruf des VLG haben sich erst 21 Personen gemeldet. «Da müssen wir noch einmal die Werbetrommel rühren», ist sich Winiger bewusst. Melden können sich Verwaltungsangestellte, Behördenmitglieder, aber auch Einwohnerinnen und Einwohner ohne einen beruflichen Bezug zur Verwaltung.
Modelle anderer Kantone werden geprüft
Auch erst in den Köpfen vorhanden ist eine Art Briefkasten, der eine einfache Kommunikation mit der Bevölkerung ermöglichen soll. Damit könnten Entscheide, Rechnungen oder Steuerveranlagungsprotokolle, die heute aus Datensicherheitsgründen nicht via E-Mail verschickt werden können, ausgetauscht werden.
Apropos Datenschutz: Dieser werde beim Einwohnerportal durch den Einbezug des Datenschützers gewährleistet sein, versichert Philipp Hochuli, der kantonsseitige Beauftragte der Fachstelle E-Government. Da das Projekt jung sei, stünden viele Punkte noch nicht fest. Sicher ist: Hochuli befasst sich derzeit nicht nur mit der Frage, welche Dienstleistungen von Seiten des Kantons ins Einwohnerportal integriert werden sollen, sondern auch mit der Technik. Bereits im Einsatz stehende Lösungen seien nach einer Grundanalyse «tauglich», sagt Hochuli. Ob die im Jura, in Freiburg, Solothurn, St.Gallen oder Graubünden eingesetzten Portale dereinst auch in Luzern verwendet werden, sei aber offen.
Leidet die Attraktivität der Arbeit auf der Verwaltung?
Ebenso offen ist, wie sich die ohne persönliche Kontakte stattfindende Abwicklung von Amtsangelegenheiten auf die Attraktivität des Berufs des Verwaltungsangestellten auswirkt – und auf die Zahl der Stellen. Laut den vorhandenen Informationen über das Einwohnerportal können Einsparungen nämlich einen «Mehrwert» darstellen.
Ludwig Peyer, Geschäftsführer des VLG, hört diese Bedenken nicht zum ersten Mal. «Es gibt Gemeindevertreter, welche die Attraktivität des Berufs in Gefahr sehen und von verlorener Vielfalt reden, weil der persönliche Austausch wegfällt oder kleiner wird.» Vor allem kleine und mittlere Gemeinden würden den physischen Zugang zu den Einwohnern bevorzugen. Er sei jedoch überzeugt, dass die Vorteile eines Einwohnerportals überwiegen: weniger Arbeitsunterbrüche dank weniger Schalterkontakten, automatisierte Prozesse und dadurch mehr Zeit für individuelle Geschäfte und Fälle.
Von Einsparungen geht Peyer in einer ersten Phase nicht aus. Langfristig könnten die Kosten mit dem Einwohnerportal aber gesenkt werden.
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