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Luzern

Das Geheimnis eines guten Guuggenmusig-Songs

Warum entwickeln sich manche Popsongs zu Guuggenmusig-Hits – und andere nicht? Vor allem aber: Wieso hört man in den Luzerner Gassen kaum mehr etwas von Glenn Miller? Eine Spurensuche.
Hitverdächtig: Die RüssSuuger am letztjährigen Monstercorso ((Bild: Boris Bürgisser, Luzern 5. März 2019))

Roman Hodel

Ab morgen schränzen sie wieder. Hunderte, wenn nicht Tausende Guugger in der Stadt und auf der Landschaft. Wobei «schränzen» ja fast schon despektierlich wirkt – so professionell klingt es mittlerweile auf der Rathaustreppe und den Guuggerbühnen. «Das Niveau ist im Vergleich zu früher extrem gestiegen», sagt etwa Kim Huber, Präsident der Guuggenmusig Födlitätscher Lozärn. «Die Vereine proben mehr unter dem Jahr und es wird darauf geachtet, dass die Stücke sauber und harmonisch gespielt werden.» Dem pflichtet Fabian Ehrler, Präsident der Ratteschwänz Lozärn, bei:

«Wir spielen sicher nicht perfekt, trotzdem hat sich auch bei uns ein von den eigenen Mitgliedern angetriebener Ehrgeiz entwickelt.»

Manche gingen sogar von sich aus neben den Proben zusätzlich in den Privatunterricht. Massiv verändert hat sich auch das Repertoire. Noch Anfang der 1990er Jahre spielten alle Musigen – selbst die jüngeren – vor allem Rock’n’Roll, alte Schlager wie La Paloma und gerne etwas von Glenn Miller. Diese Songs waren damals schon Jahrzehnte alt. Heute hört man in den Gassen viel mehr aktuelle Hits. Dies bestätigt eine nicht repräsentative Umfrage unserer Zeitung bei den «Vereinigten» zu ihren drei meistgespielten Hits an der letzten Fasnacht und an der Vorfasnacht. 25 Musigen nahmen daran teil – hier eine Auswahl. «Die Guugger wollen eben Stücke spielen, die sie auch unter dem Jahr hören – eine Entwicklung, die Anfang der 1990er Jahre einsetzte und die es parallel dazu auch in der Blasmusikszene gab», sagt Pirmin Hodel. Der Luzerner muss es wissen. Seit gut 30 Jahren arrangiert der Musiker Lieder für Guuggenmusigen in der ganzen Schweiz und war selber lange aktiv bei den Eibeler Sträggele dabei.

Die Repertoire-Vielfalt widerspiegelt sich nicht zuletzt in unserer Umfrage: Bei den 25 Musigen gab es nur vier Hits, die mehrfach genannt wurden – darunter «Halleluja» von Leonhard Cohen und «Alls was bruchsch» von Ernst Jakober. Dies deckt sich mit den Beobachtungen von Hodel: «Es gibt nicht den Hit – aber gewisse Tendenzen.» Mundart sei momentan sehr gefragt – etwa Songs von Trauffer, Lo & Leduc oder Hecht. Aber da ist noch ein weiterer Grund für die Sound-Vielfalt, wie Marc Bisang, Präsident der Lozärner Kracher, erklärt:

«Unter bestimmten Musigen existiert ein ungeschriebenes Gesetz, wonach man möglichst nicht Stücke anderer Musigen nachspielt.»

Interessant ist, dass der Luzerner Guuggersound ab Mitte der 1990er Jahre entscheidend von Nidwaldner Musigen wie der 1999 aufgelösten Hopp dä Bäsä beeinflusst wurde. Wenn die Stanser auf der Rathaustreppe spielten, dann war das für viele Luzerner Guugger ein Aha-Erlebnis. Allein schon die Aufstellung mit den Chochene unten in der Mitte, den Pauken rechts und links davon sowie den Blasregistern je auf verschiedenen Ebenen darüber beeindruckte. «Bald übernahmen viele Musigen diese Aufstellung – und diese hat bis heute Gültigkeit», sagt Hodel. Doch die Nidwaldner brachten auch einen neuen Stil an die Fasnacht: aufwendig arrangierte, aber bekannte Popsongs. Denn das Wichtigste ist laut Hodel nach wie vor:

«Ein gutes Guuggenmusig-Lied müssen die Leute kennen. Wenn sie sagen, das klingt zwar cool, aber ich kenne es nicht, kommt zu wenig Stimmung auf.»

Es eigne sich auch längst nicht alles zum Nachspielen. So rate er etwa von zu monotonen Stücken ab. Dazu zählt Hodel den aktuell angesagten Deutsch-Rap. Und Electro geht auch nur bedingt – am ehesten kommerzielle Tracks wie etwa von Alan Walker. «Ein Song muss einfach melodiös sein, schöne Harmonien enthalten», so Hodel. Als Arrangeur müsse er zudem darauf achten, dass alle Register gefordert sind. «Letztlich sollen die Guugger den Plausch haben am Spielen und das Publikum gerne zuhören.» Trotz gewissem Hang zur Uniformität hätten viele Musigen ihren Charakter bewahrt: Die einen sind für ihre Schunkellieder bekannt, die anderen für ihre Märsche. Hodel arrangiert nach wie vor auch Stücke für Formationen, die mit Lyra und Saxofon unterwegs sind. Er sagt: «An der Fasnacht hat’s Platz für alles, das ist das Schöne.»

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