Anian Heierli
Anian Heierli
Anian Heierli
SVP-Nationalrätin Monika Rüegger sitzt zu Hause in Engelberg am Küchentisch und schüttelt den Kopf. Obwohl es ihr eigentlich nicht zum Lachen ist, muss sie immer wieder schmunzeln. «Mir wurde einfach wieder einmal klar, wie schwerfällig die Verwaltung in Bundesbern arbeitet», sagt sie in etwas zynischem Ton, um sogleich ernster zu werden. «Gerade in der momentanen Krise ist das ernüchternd.»
Die Obwaldner Politikerin lancierte Ende Januar die Petition «Beizen für Büezer». Innert zehn Tagen kamen 50'000 Unterschriften zusammen – also so viel, wie es für ein fakultatives Referendum gegen Parlamentsbeschlüsse braucht. Trotzdem ging der Bundesrat am Mittwoch an seiner Pressekonferenz nicht auf ihren Vorschlag ein. Für Rüegger verpasste die Landesregierung dadurch die Chance, den einfachen Arbeitern zu zeigen, dass man auch an sie denkt.
Die Nationalrätin will Restaurants zu Kantinen machen. Ihre Idee: Beizen sollen am Mittag Arbeiter bekochen dürfen, die zurzeit draussen in der Kälte und auf der Baustelle «chrampfen». Das wäre laut Rüegger eine Win-Win-Situation sowohl für die «Büezer» als auch für jene Gastronomen, die mitmachen würden. Selbst ein entsprechendes Schutzkonzept liegt vor. Drei Punkte sind darin zentral: Erstens müssen Arbeitgeber ihre Angestellten im Voraus anmelden, zweitens brauchen die Handwerker eine Bestätigung ihrer Firma und drittens müssen die Restaurants die Essen dem Kanton melden. Rüegger ist überzeugt:
«Dadurch wäre ein funktionierendes Contact-Tracing problemlos möglich.»
Nun sieht es so aus, als würde das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ihrer Idee grünes Licht geben. Unserer Redaktion liegt ein Dokument vor, das zeigt: Das BAG steht hinter der Petition. Auch Rüegger weiss davon. Sie sagt: «Am Donnerstag kam es zu einer erfreulichen, in dieser Form nicht erwarteten Antwort. Das BAG unterstützt den Vorschlag im Grundsatz, nimmt sich aber aus der Verantwortung und überträgt die Zuständigkeit für eine allfällige Umsetzung den Kantonen.» Mehr möchte sie im Moment nicht dazu sagen, um das Ganze nicht zu gefährden. Das BAG wollte am Donnerstag auf Anfrage keine Stellung dazu nehmen.
Bund scheint im Zugzwang
Damit reagiert Bern wohl auch auf die breite Unterstützung, die Rüegger mit ihrer Petition geniesst. So hat sie die Unterstützung des Arbeitgeberverbands, der Konferenz Kantonaler Volkswirtschaftsdirektorinnen und -direktoren (VDK) sowie von Gastrosuisse. Selbst die National- und Ständeräte der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) stimmten grossmehrheitlich für die Petition. Einzig die Gewerkschaftsvertreter hätten laut Rüegger keine Hand bieten wollen.
Angesichts dieses insgesamt grossen Rückhalts sei es ihr umso unverständlicher, dass der Bundesrat nicht schon an der Pressekonferenz am Mittwoch auf die Petition reagiert hat. Denn sie habe schon im Vorfeld der Konferenz mit dem BAG gesprochen und gemerkt, dass die Ideen der Petition grundsätzlich nicht auf Ablehnung stossen würden.
Kein Verständnis für so lange Schliessung der Gastrobranche
Generell geht der Volksvertreterin der Ausstieg aus dem Lockdown zu langsam. «Aus meiner Sicht kann man den Tourismus, die Gastronomie und den Verkauf ab März öffnen», sagt sie. «Natürlich mit entsprechendem Schutzkonzept, so wie es im Herbst auch der Fall war.» Gerade für die vorgesehene Schliessung der Gastrobranche bis mindestens Anfang April hat sie kein Verständnis:
«Die Restaurants haben extrem viel in Schutzkonzepte investiert und sie stellten ein digitales Contact-Tracing auf die Beine.»
Manchmal sei es erschreckend, mit welcher «Kaltschnäuzigkeit» dieser Branche Regeln aufgezwungen würden.
Dass sich Gastronomen und Arbeiter momentan vom Bundesrat im Stich gelassen fühlen, zeigt ein Augenschein in Engelberg selbst. Josef Infanger ist Inhaber und Wirt des Hotels Espen. Der Geschäftsmann nimmt kein Blatt vor den Mund. «Die Pressekonferenz des Bundesrats vom Mittwoch war ein Schlag ins Gesicht der Gastronomie», sagt er. Auch er ist sich sicher: «Mit einem Schutzkonzept könnten wir wieder öffnen.» Der aktuelle Lockdown ohne Aussicht auf Besserung bis Ende April übe grossen Druck auf den Hotelier aus. Er sagt:
«Wir machen mehr als 70 Prozent weniger Umsatz als sonst.»
Obwohl es ihm noch besser gehen würde als manchen Branchen-Kollegen. Denn er darf zumindest den Hotelbetrieb weiter aufrechterhalten. «Es geht aber nicht nur ums Finanzielle», sagt Infanger. «Meine 18 Angestellten haben Kurzarbeit. Für sie ist es schwierig, wenn sie zu Hause bleiben müssen.» Es fehle an Struktur. Deshalb versucht er alle einzusetzen – wenn auch nur für wenige Stunden. Für ihn ist klar: «Die Auswirkungen der psychischen Belastung werden wir wohl erst später sehen.»
Die Petition «Beizen für Büezer» findet er grundsätzlich eine sehr gute Idee. Auch er hat gehofft, dass der Bundesrat am Mittwoch dem Konzept eine Chance gibt. So seien im «Espen» zu normalen Zeiten am Mittag jeweils 25 bis 60 Arbeiter zugegen. «Auch für meine Stamm-Arbeiter ist es schade», sagt Infanger. Sie seien es, die ihr «Znüni» und «Zmittag» nicht in der Wärme zu sich nehmen könnten.
Einer, der draussen vor dem Restaurant steht, ist Alfred Feierabend, Inhaber der Feierabend Haustechnik AG in Engelberg. Die Firma ist ein typisches KMU der Region mit sieben Angestellten. «Die Petition von Frau Rüegger befürworte ich absolut. Mir tut jeder Arbeiter leid, der in einer Ecke auf der Baustelle am Mittag sein Sandwich essen muss. Als Arbeitgeber trägt man auch eine Verantwortung für seine Angestellten.» Er findet:
«Gerade die einfachen Arbeiter sind in der aktuellen Krise zu wenig auf dem Radar der Entscheidungsträger in Bern.»