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Kulturen der Alpen

Urner Kristalle: Ein Glanz, der Menschen seit jeher begleitet

Die Kristalle und Mineralien aus dem Innern der Urner Berge bewegen die Menschen seit 10’000 Jahren. Das Institut Kulturen der Alpen zeigte drei Blicke auf das Urner Strahlnerwesen.

Da ist zum Beispiel der Quarz, im Volksmund Bergkristall genannt: Der Glanz, die geometrische Form und das Funkeln faszinieren seit jeher. Das Phänomen lässt sich aus unterschiedlichen Perspektiven ergründen. Genau dies hat das Institut Kulturen der Alpen am Montag getan. «Unser Institut interessiert sich für die Geschichte der Kristalle, Strahlner und des Bergregals», sagte Prof. Dr. Roland Norer, Mitglied der Institutsleitung, im «Uristiersaal» vor gut gefüllten Reihen. In drei Referaten wurden die geologischen, kulturellen und rechtlichen Aspekte der Strahlnerei – also der Suche nach Kristallen – beleuchtet.

Spannender Blick auf die Strahlnerei in Uri: (von links) Roland Norer, Mitglied der Institutsleitung Kulturen der Alpen, und die drei Referenten Peter Spillmann, Peter Amacher und Georg Simmen sowie Moderator Romed Aschwanden, Geschäftsführer Urner Institut Kulturen der Alpen.
Bild: Bild: PD

«Kristalle und Mineralien sind etwas Wertvolles, das unter grossem Aufwand aus dem Gebirge geholt wird», sagte Geologe Dr. Peter Spillmann. Dazu zeigte er Bilder von unwegsamen Gebieten in Uri, die für Strahlner erfolgversprechend sind. «Das sind Orte, wo ein normaler Mensch nicht hingehen kann, auch nicht der normale Geologe.» Die Wege zu den Bergschätzen seien schwierig und würden alpinistische Risiken mit sich bringen. Spillmann erklärte:

«Um im Gelände überhaupt etwas zu finden, braucht es ein gutes Auge, Erfahrung und Gespür.»

Referent Peter Spillmann.
Bild: Bild: PD

Peter Spillmann zeigte auch die schier unglaublichen zeitlichen Zusammenhänge auf. Die Erde ist 4550 Millionen Jahre alt. Die ältesten Urner Mineralien, das sind Zirkone in sehr alten Gneisen, kommen auf 3500 Millionen Jahre. Die heute geborgenen Mineralien sind im Zuge der Alpenbildung vor 10 bis 20 Millionen Jahren entstanden.

Für Nachschub ist gesorgt: Die Alpen sind ein relativ junges Gebirge und die Hebung, der Abtrag und die Erosion sind noch in vollem Gange. Im Untergrund warten noch viele Mineralien und Kristalle auf die Entdeckung. Nur: Es dauert etwa 1000 Jahre, bis ein Meter Berg wegerodiert ist.

Aus Uri in die Welt – vom Gebrauchsgegenstand zum Schlossschmuck

Die Naturwissenschaften sind das eine, die menschliche Faszination für die funkelnden Steine das andere. Hier setzte Peter Amacher mit seinem Referat an. Dabei schöpfte er aus seinem riesigen persönlichen Fundus von Wissen, Anekdoten und Fundstellen. «Wir wissen heute, dass die Steinzeitmenschen bereits vor 10’000 Jahren Kristalle verarbeitet haben», sagte der Geologe. Die Quarze wurden zusammengeschlagen, um dann aus den Splittern Pfeilspitzen, Schaber oder Messer zu machen. Die Kristalle seien für unsere Vorfahren in erster Linie ein Gebrauchsgegenstand gewesen.

Referent Peter Amacher.
Bild: Bild: PD

Drehen wir das Rad der Zeit nach vorne zu den Römern. Zahlreiche Funde belegen, dass Kristalle über die Alpen hinweg transportiert wurden. Die Kristalle wurden zu Lupen oder Brenngläsern geschliffen und dienten den Legionären zum Feuermachen. Zudem wurden die Strahlen auch ihrer Schönheit wegen genutzt, als Schmuck oder Tempelgaben.

Das Institut Kulturen der Alpen bot am Nachmittag vor den Referaten die Gelegenheit, die Kristallhöhle Pfaffensprung in Wassen zu besichtigen. «Hier wurden bereits im Mittelalter Bergkristalle abgebaut. Die dazu nötigen Meissel wurden vor Ort geschmiedet», erzählte Amacher. Die Quarze wurden nach Mailand verkauft, wo daraus dann Kelche, Kristalle und Klunker für Kronleuchter hergestellt wurden. Um 1750 tauchen erste Zeugnisse auf, dass Kristalle einfach zum Zweck des Sammelns verkauft wurden, anfangs vornehmlich von Wissenschaftern.

Das Recht ist (nicht) kristallklar

Georg Simmen, Jurist und ehemaliger Talschreiber der Korporation Ursern, ging auf die rechtlichen Aspekte ein, insbesondere das Bergregal. Das ist das Verfügungsrecht über Bodenschätze. «Wir haben bei den Kristallen Föderalismus pur. Die Lage ist alles andere als kristallklar», so Simmen. In Kantonen wie Glarus und Bern kann man frei Kristalle sammeln. Solothurn, Appenzell Innerrhoden oder St.Gallen haben Sammelverbote erlassen. «Uri ist ein Sonderfall», so Simmen.

Referent Georg Simmen.
Bild: Bild: PD

Die Korporationen Uri und Ursern vergeben gegen Gebühr Patente für die Strahlner. Die Nachfrage nehme laut Simmen eher zu. Der Kanton hat sich zudem das Recht vorbehalten, Mineralien, die bei Tunnelprojekten gefunden werden, für sich zu beanspruchen. Neben den Gesetzen und Verordnungen sollen sich die Strahlner an einen Ehrenkodex halten. Dazu gehört es, keinen Raubbau zu betreiben oder bereits mit Werkzeugen oder Initialen markierte Fundstellen zu respektieren. Eine Herausforderung sieht Simmen beim Gletscherschwund: «Das erschliesst neue Gebiete. Der Run auf diese Gebiete ist sehr gross.» (pd/mka)

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