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Uri

Bitte eintreten! Pilzzüchter Lussi zeigt seine geheime Bunkerwelt

Sein Business ist bombensicher: Unternehmer Alex Lussi züchtet edle Speisepilze tief im Stollen in Erstfeld und in Stansstad. Vor Ort verrät der Tüftler, weshalb sein Absatz trotz Pandemie konstant bleibt.
Pilzzüchter Alex Lussi posiert mit einem gelben Austernpilz. Dieser kann schon nach 2,5 Wochen geerntet werden. (Bild: Anian Heierli (Stansstad, 12. Februar 2021))
In den alten Militärstollen in Erstfeld sind die Bedingungen perfekt. Auf 3000 Quadratmetern Fläche werden hier Shiitake gezüchtet.  (Bild: Anian Heierli (Erstfeld, 12. Februar 2021))
Graue Austernpilze gelten als besonders lecker im Risotto. (Bild: Anian Heierli (Stansstad, 12. Februar 2021))
Die Pilze werden gesäubert und sortiert und kommen dann in den Verkauf. (Bild: Anian Heierli (Oberdorf, 12. Februar 2021))
Noch hat Alex Lussi genug Platz für seine Pilze. Tausende von ihnen wachsen tief im Berg verborgen vor neugierigen Blicken. (Bild: Anian Heierli (Stansstad, 12. Februar 2021))

Anian Heierli

Anian Heierli

Anian Heierli

Anian Heierli

Anian Heierli

Corona zwingt die Gastronomie gerade in die Knie. Dafür wird zu Hause mehr gekocht. Für Alex Lussi und seine Gotthard Bio Pilze AG ist das am Schluss ein Nullsummenspiel. Der 37-jährige Pilzzüchter erklärt: «Im vergangenen Jahr verkaufte ich viel weniger an Restaurants, dafür aber deutlich mehr an Grossverteiler.» Deshalb musste er trotz Pandemie keine Verluste einfahren.

Heute verkauft er 110 Tonnen pro Jahr

Jammern darf er ohnehin nicht. Seine Firma wächst und wächst. Genauso wie die Pilze, die er laufend anbaut. Zum Vergleich: 2014, als er seine Firma gründete, verkaufte er jährlich 80 Tonnen. Heute sind es bereits 110. Acht Mitarbeiter arbeiten mittlerweile im Betrieb mit. Sein Team und er züchten ihre Pilze an drei Standorten: im urnerischen Erstfeld in einer ausgedienten Bunkeranlage hinter dem Schwerverkehrszentrum, in Stansstad in einem früheren Bahnschotterstollen beim Rotzloch und im nidwaldnerischen Oberdorf auf einem extra dafür vorgesehen Bauernhof.

Die grösste Produktionsfläche liegt in Erstfeld. Die Bunkeranlage bietet 3000 Quadratmeter Anbaufläche. In Stansstad sind es 1500 und in Oberdorf 1000. Alle drei Standorte haben eines gemeinsam: Von aussen sieht man nicht, was für eine geheime Wunderwelt sich im Innern verbirgt. In Erstfeld öffnet Lussi eine unscheinbare Metalltüre mitten im Felsen. Der Blick fällt auf eine grosse Halle. Reihe an Reihe stehen Tausende Pilze auf fahrbaren Metallgestellen. Es riecht modrig, aber nicht unangenehm. Alles ist sauber und aufgeräumt.

90 Prozent Luftfeuchtigkeit seien ideal

Jetzt im Winter ist es hier drinnen wärmer als draussen, aber dennoch frisch. «Es sind etwa 12 Grad», sagt Lussi. «Die Luftfeuchtigkeit beträgt 90 Prozent. Das sind ideale Bedingungen für das Wachstum.» Er erklärt: «Pilze bestehen grösstenteils aus Wasser. Die Feuchtigkeit ist das A und O.» Aus Erfahrung weiss er: «Wenn es zu trocken ist, gedeihen die Pilze nicht.» Doch jede seiner Sorten sei anders. Deshalb muss er die Bedingungen immer etwas anpassen.

In Erstfeld züchtet er eine einzige Sorte, den Shiitake. Der japanische Name bedeutet so viel wie: Pilz, der am Baum wächst. Das tut er auch im Kanton Uri. «Als Substrate verwenden wir Sägemehl aus Buche und Eiche», so Lussi. «Die Pilzsporen befinden sich zuvor auf Roggenkorn, das wir ins Substrat geben.» Dieser Vorgang heisse nicht Ansäen, sondern Impfen. Zuerst wachsen die Pilze unter einem Beutel aus Plastik. «Das ist wie ein Treibhaus», so der Züchter. Auch sei der C02-Gehalt unter der Haube hoch, was das Wachstum zusätzlich beschleunigen würde.

Zwar sind Pilze keine Pflanzen, dennoch benötigen auch sie C02 zum Leben. Doch was sind Pilze dann? «Eine eigene Form von Lebewesen», so Lussi. Fasziniert erklärt er: «Das, was wir als Pilz essen, ist eigentlich nur die Frucht. Das eigentliche Lebewesen befindet sich im Boden darunter. Es ist ein ganz feines Netz aus Fäden, die Nährstoffe transportieren. Wie ein Logistikzentrum.» Er betont:

«Überall in der Natur gibt es Pilze. Ohne sie würde nichts funktionieren.»

Beeindruckend ist vor allem, wie schnell die Pilze aus dem Boden schiessen. Der Shiitake in Erstfeld wird bereits nach 12 bis 14 Wochen geerntet. Doch die eigentlichen Turbosorten züchtet Lussi in Stansstad im Rotzloch. Der Kräuterseitling – ein relativ grosser und fester Pilz – braucht nur gerade vier Wochen, bis er reif ist. Dasselbe gilt für den grauen Austernpilz. Und die gelben Austernpilze können schon nach 2,5 Wochen geerntet werden! Hinzu kommt, dass es während des Wachstums nicht einmal Dünger braucht. Der Bionährboden und die richtigen klimatischen Bedingungen reichen bereits aus.

Alex Lussi hat zuerst Flugzeugmechaniker gelernt

Doch das klingt einfacher, als es ist. Lussi tüftelte lange, bis die Qualität und der Ertrag endlich stimmten. Dabei kommt ihm zugute, dass er ursprünglich Flugzeugmechaniker gelernt hat. «Bei der Lüftung und der Klimaanlage kann ich viel selber machen», sagt er. Damit sich der Anbau auch lohne, müsse alles perfekt aufeinander abgestimmt sein. «Einen Totalausfall hatte ich nie. Doch anfangs machten wir zahlreiche Probeversuche, bis es endlich gestimmt hat.» Das Wissen aus Büchern lasse sich bei der Pilzzucht nie eins zu eins in die Realität übertragen.

Gelernt hat er den praktischen Teil in Holland. Im Jahr 2006 machte er dort ein Praktikumsjahr auf acht verschiedenen Betrieben. «Anschliessend bin ich mit einem Rucksack voll Wissen zurückgekommen», sagt er. Die Idee mit den Stollen hatte er später auf einer Studienreise im US-amerikanischen Bundesstaat Pennsylvania. «Dort habe ich eine unterirdische Zuchtanlage besucht.» Die Vorteile würden auf der Hand liegen:

«Im Stollen brauche ich viel weniger Energie zum Heizen oder Kühlen. Im Winter ist es im Berg wärmer als draussen und im Sommer kälter.»

Schwer war vor allem der Anfang. «In Kanton Uri ging es lange, bis ich die Erlaubnis hatte», erinnert er sich. Er lacht und meint: «Als Nicht-Einheimischer musste ich mich mit meiner Idee durchsetzen.» Andere Unternehmer waren ebenfalls an den Stollen interessiert. Sie wollten dort Käse lagern oder Daten bunkern. «Heute hat man mich in Erstfeld akzeptiert», so der Nidwaldner. «Ja, ich fühle mich positiv aufgenommen.»

In Zukunft will er mit seinem Betrieb weiterwachsen. «Der Markt in der Schweiz und in Europa birgt viel Potenzial», ist er sicher. Die beiden grossen Detailhändler Coop und Migros würden stark auf Schweizer Edelpilze setzen. Auch deshalb testet er aktuell den Anbau von zwei Sorten, von denen es auf dem Markt erst wenige gibt. «Den Pied Bleu würde ich gerne anbauen», verrät er. Das sei ein feiner Pilz, der es gerne etwas kälter hat. «8 bis 10 Grad wären ideal.» Dafür würde sich eine Anlage eignen, die etwas höhergelegen ist. Konkrete Pläne hat er aber noch keine.

Die braucht er auch nicht zwingend. Denn in Erstfeld hat er sein Potenzial nicht voll ausgeschöpft. «Von der Fläche her liesse sich die Produktion erweitern.» Das dürfte spätestens der Fall sein, wenn es der Gastronomie wieder besser geht.

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