«Junger Mann, 26 Jahre, erkrankt an früher Alzheimer-Demenz, möchte seine letzte Reise antreten. Abenteuerlustige Begleitung gesucht, die mich auf diesem ultimativen Trip begleitet. Dauer: maximal 2 Jahre (je nach ärztlicher Prognose)»: Dies ist der Anfang der Nachricht, welche Émile im Kleinanzeigenportal aufgibt. Er klickt auf «Absenden».
Vermutlich wird sich eh niemand melden, denkt er sich. Zu unpersönlich und abgedreht, aber falls sich doch jemand meldet, hätte er sicherlich die beste Reisebegleitung aller Zeiten gefunden, so seine Hoffnung.
Die Diagnose ist klar, der zuständige Arzt hat Émile mit der Wahrheit konfrontiert. Es gibt keine Heilung, aber es besteht die Möglichkeit, an einer klinischen Studie teilzunehmen. Für seine Eltern und die ältere Schwester ist die Sache klar. Sie bestehen darauf, dass er daran teilnimmt.
Doch für ihn kommt das nicht in Frage. In aller Stille tätigt er sämtliche Vorbereitungen, um mit dem bereits besorgten Wohnmobil loszufahren. Seine verbleibende Zeit will er sicher nicht in einem nüchternen Krankenhauszimmer verbringen. Wäre Renaud, sein bester Freund, nicht verheiratet und inzwischen Vater geworden, würden sie bestimmt zusammen losfahren. Beide haben davon geträumt, nach der Schule mit Zelt und Rucksack in die Berge zu ziehen.
Und tatsächlich meldet sich kurz vor der Abreise jemand. Nicht wie angenommen ein Mann, sondern eine Frau. Unkompliziert, was Lebensstil und Komfort angeht, schreibt sie ihm. Sie ist bereit, so bald wie möglich loszufahren. Die gemeinsame Reise der beiden Fremden durch Frankreich beginnt.
Nur langsam lernt Émile die junge Joanne kennen. Oftmals hüllt sie sich in Schweigen. An verschiedenen Orten lernen sie wunderbare Menschen kennen und im Moment zu leben und diesen zu geniessen. Die Krankheit schreitet stetig voran. Mal sind es einfach Blackouts, aber vermehrt bleibt Émile in seiner Vergangenheit und Kindheit hängen. Joanne unterstützt ihn, soweit ihr das jeweils möglich ist. Auch sie findet auf der Reise die Worte, um ihre Gefühlswelt auszudrücken und Émile ihre Lebensgeschichte anzuvertrauen.
«All das Blaue vom Himmel» ist ein teilweise etwas langatmiger Roman, mit viel poetischen Zitaten und schönen Landschaftsbeschreibungen. Eine sehr emotionale, ergreifende Geschichte, schmerzhaft und tröstlich zugleich. Sie zeigt den Versuch, Émile zu unterstützen, sein Leben in Würde zu beenden.
Mélissa da Costa: All das Blaue vom Himmel; Penguin Verlag 2025, 752 Seiten, ISBN 9783328604037

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