notifications
Felssturzgefahr

13’000 Tonnen Geröll drohen in Luzern auf Häuser und SBB-Gleise zu stürzen: Das sagen die Experten

Eine rund 5500 Kubikmeter grosse Felsmasse am Gütsch bedroht ein Wohngebiet. 20 bis 25 Personen sind betroffen. Die Stadt hat Sofortmassnahmen ergriffen.
Die Gefahr wurde während der Bauarbeiten rund um das Schlössli entdeckt.
Bild: Dominik Wunderli (Luzern, 13. 9. 2024)

«Der Fels kann jederzeit und ohne Vorwarnung abstürzen». Das sagt Beda Müller, Leiter der Siedlungsentwässerung der Stadt Luzern an einer kurzfristig organisierten Medienkonferenz. Der Grund dafür ist, dass der Fels am Gütsch in der Stadt Luzern in Bewegung ist. Unter anderem befinden sich vier Wohnhäuser und die Gleise in den Bahnhof Luzern im Gefährdungsgebiet. Die Anwohner wurden am Donnerstagabend über die Situation informiert.

Die Kluft ist «ein Kind der Eiszeit»

Geologe Beat Keller sagt: «Wir haben während Bauarbeiten am Schlössli Schönegg die drohende Kluft und die Gefahr glücklicherweise erkannt.» Ein Schock, denn vor Mitte August hatte man die Kluft noch nicht entdeckt. Anschliessende Messungen und Beurteilungen führten zur Erkenntnis, dass sich der in Bewegung geratene Felsblock in einer sensiblen Lage befindet. Die Bauarbeiten wurden eingestellt. Um einen sicheren Bahnverkehr weiterhin gewährleisten zu können, wurde ein automatisiertes Alarmierungssystem als Sofortmassnahme installiert.

Keller erklärt, dass die Bauarbeiten jedoch nicht die Ursache des drohenden Felssturzes seien. Die Kluft im Fels sei «ein Kind der Eiszeit». Solche Kluften seien entstanden, als sich der Reussgletscher nach der letzten Kaltzeit zurückbildete. Laut Experten ist das zerklüftete Felspaket rund 5500 Kubikmeter gross und 13'000 Tonnen schwer, was mehr als 360 Lastwagen-Ladungen entspricht.

Felsmasse kann sich ohne Vorwarnung lösen

Analysen am Donnerstag hätten gezeigt, dass sich die Felsmasse ohne Vorwarnung lösen könnte. Aus Sicherheitsgründen dürfen die 20 bis 25 Betroffenen der vier Wohnhäuser die bergseitigen Schlafräume sowie Wohnräume nicht mehr nutzen. Ebenso in der abgesperrten Gefahrenzone sind der Gütschweg, das Portal des Gütschtunnels der SBB sowie talseitige Parkplätze. Auch die Notschlafstelle ist betroffen. Der Gütschweg und die Parkplätze sind bereits gesperrt. Das Schlössli Schönegg drohe zwar nicht abzustürzen, aber beschädigt zu werden, sagt Keller.

Die Einwohner kritisieren die kurzfristig Kommunikation der Behörden. «Ich habe keine Angst, aber diese unklare Kommunikation der Behörden verunsichert mich schon sehr», meint ein Anwohner der Gibraltarstrasse gegenüber dieser Zeitung. Da man die Gefahr bereits einen Monat gekannt hatte, habe man sich eine schnellere Kontaktaufnahme und Instruktion gewünscht. Geologe Keller sagt, dass sukzessive Berechnungen seit der Entdeckung durchgeführt worden seien. Erst die letzten Analysen ergaben allerdings, dass «drastische Massnahmen dringend nötig sind».

Felssturz birgt hohes Schadenpotenzial

Da die Umsetzung der Massnahmen etwas Zeit beansprucht, haben die Verantwortlichen ein Alarmierungskonzept für den Ereignisfall erarbeitet. Ein Überwachungssystem misst die Felsbewegungen. Wird das Ausmass kritisch, erklingen Sirenen und Warnleuchten, um die Anwohner auf die Gefahr aufmerksam zu machen. Im Alarmfall wird auch die SBB-Bahnlinie beim Gütschtunnel automatisch gesperrt.

Im Ernstfall erklingt das Warnhorn und das Warnlicht beginnt zu blinken.
Bild: Emilie Grüter (Luzern, 13. 09. 2024)

Als Sofortmassnahme sind am Freitagnachmittag Stahlpalisaden mit einem Helikopter eingeflogen worden, sagt Daniel Meier, Leiter des Tiefbauamts der Stadt Luzern. Die langfristigen Felssicherungsmassnahmen starten Ende September und dauern bis Ende Jahr. Sie kosten 1,6 Millionen Franken. Konkret soll die absturzgefährdete Felspartie mit verankerten Betonriegeln und Spritzbetonwänden gesichert werden. Zudem soll sie mit einem Bodennetz abgedeckt werden.

Fels am Gütsch bewegte sich schon 2016

Bereits in der Vergangenheit mussten wegen Felssturzgefahr im Gebiet Gütsch Sicherungsmassnahmen ergriffen werden. Im Januar 2016 mussten dort wegen akuter Felssturzgefahr 125 Bewohner eines Hochhauses in Sicherheit gebracht werden . Grund war eine Felsplatte gewesen, die oberhalb der Siedlung in Bewegung geraten war. Eine Überwachungsanlage in der Felswand oberhalb der Sagenmattstrasse am Luzerner Gütsch hatte damals mitten in der Nacht Alarm ausgelöst. Laut Keller hat die damalige Situation nichts mit der heutigen Situation zu tun. Betroffen war auch schon das Bruchquartier: An der Kreuzung Gibraltarrain/Gibraltarstrasse ging 2011 ein Felssturz nieder . Bis zu fünf Kubikmeter Fels lösten sich damals aus der Wand. Als Sofortmassnahme musste weiteres Material abgetragen werden.

Kommentare (0)