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Wirbel um Jan Ullrich: Ex-Radstar gesteht erstmals Doping

Jan Ullrich bricht sein Schweigen. Nach jahrelangem Versteckspiel bekennt sich der ehemalige Radprofi klar zu seiner Doping-Vergangenheit.
Jan Ullrich gewinnt 2005 eine Etappe in der Tour de Suisse. 
Bild: Bild: Jürg Müller / EPA

Nach vielen Jahren des Schweigens wagte sich Jan Ullrich endlich aus der Deckung - und brachte es auf den Punkt: «Ja, ich habe gedopt», sagte der gefallene und wieder aufgestandene deutsche Radstar am Mittwochabend. Mit diesen vier Worten räumte der 49-Jährige endgültig mit seiner Lebenslüge auf und bekennt sich erstmals klar zu seiner Dopingvergangenheit.

«Wenn ich meine Geschichte erzählt hätte, hätte ich viele schöne Jahre gewinnen können. Ich hatte die Eier nicht. Es tut total gut, es auszusprechen», führte Ullrich bei der Podiumsdiskussion am Rande der Vorstellung der Dokumentarserie «Jan Ullrich - Der Gejagte» aus. Und dennoch habe er sich «schuldig gemacht».

«Bei mir ging es 1996 los»

Systematischer Betrug im Team Telekom, Eigenblutmanipulation ab 2003 - Jan Ullrich will nicht mehr schweigen. «Bei mir ging es 1996 los», hatte der einzige deutsche Tour-Champion zuvor dem SID gesagt.

Die 90er sind eine andere Zeit. Doping wird im Peloton flächendeckend betrieben. Epo ist das im Radsport bevorzugte Mittel der Wahl, eine direkte Nachweismethode gibt es noch nicht. Ullrich wird 1995 zum Profi, und er merkt schnell, dass Talent allein nicht reicht. Im Magenta-Trikot der Telekom-Mannschaft biegt Ullrich auf einen gefährlichen Weg ab.

«Zu wissen, dass man sonst von vornherein keine Chance hat, das war das Schwerste», sagte Ullrich: «Weil ich ein fairer Mensch bin, ging es mir nie darum, jemanden zu betrügen oder sich einen Vorteil zu verschaffen.» Ullrich spricht von Chancengleichheit.

Das System funktioniert. 1996 wird Ullrich als Edelhelfer des dänischen Gesamtsiegers Bjarne Riis Tour-Zweiter, ein Jahr später ist der gebürtige Rostocker ganz oben angekommen. Als erster Deutscher gewinnt er die Frankreich-Rundfahrt. Es bleibt sein einziger Triumph in Gelb - einer der für Ullrich bis heute zählt: «Ich weiss, was ich unter den damaligen Verhältnissen geleistet habe. In meinem Herzen bin ich Tour-de-France-Sieger.»

Noch vier Mal wird er im Anschluss Zweiter, 2003 hat er seinen Dauerrivalen Lance Armstrong fast besiegt. Wie Armstrong hat Ullrich sein Doping-Repertoire da schon erweitert. Der neuste Trend? Eigenblutdoping. Im Sommer jenen Jahres überschreitet er erstmals die nächste Grenze. «Ich wollte gerne gewinnen und an meine Erfolge anschliessen. Ich hatte damals ein neues Team und da wurde mir dann Dr. Fuentes empfohlen - so bin ich da gelandet», sagte Ullrich.

Gesundheitliche Bedenken hat er nicht, «weil alles medizinisch kontrolliert war. Letzendlich war es mein eigenes Blut, was ich mir abnehmen lasse - etwas Natürliches. Unter medizinischer Aufsicht hatte ich keine Angst.»

2006 platzt die Doping-Blase. Wegen Verbindungen zum spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes wird Ullrich von der Tour de France ausgeschlossen. Das Team T-Mobile suspendiert ihn. «Der Radsport war praktisch alles für mich. Und dann wurde über Nacht der Boden weggerissen», sagte Ullrich.

Der krachende Absturz hinterlässt tiefe seelische Wunden. Dass er sich über Jahre entscheidet, nicht offen über seine Vergehen zu sprechen, vergrössert sein mentales Leid. Ullrich trinkt, nimmt Drogen, verliert den Halt. Die Lebenskrise bringt ihn fast um. Den Tiefpunkt hat er hinter sich gelassen. «Ich bin gesund, stehe wieder mit beiden Beinen im Leben und habe meine Mitte gefunden», sagte Ullrich.

Das klare Aufräumen mit der Vergangenheit erweist sich als wohltuende Therapie. «Es ist leichter geworden», sagte Ullrich, der sich in Zukunft auch eine aktive Rolle im Profi-Radsport vorstellen kann. «Wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich die Chance wahrnehmen, weil auf diesem Gebiet bin ich irgendwo auch Meister und fühle mich nach wie vor wohl», sagte er: «Ich liebe diesen Sport einfach und er wird mich mein ganzes Leben lang prägen.»

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