Nico Hülkenberg hat sein lang erwartetes erstes Podest nun ja schon eingefahren, bevor das Audi-Projekt so richtig startet. Was bleiben ihm denn da noch für Ziele im Werksteam?
Mattia Binotto: Ach, es gibt immer noch viele Ziele. Mehr Podien, Siege sogar. Am Ende wollen wir den Titel gewinnen, also bleibt auch für ihn noch einiges zu tun.
Welche Rolle spielt er denn? Was erwarten Sie von ihm?
Ich erwarte von ihm, dass er jedes einzelne Rennen gewinnt. (lacht) Dafür brauchen wir allerdings das beste Auto. Und dafür brauchen wir einen Fahrer, der die Ingenieure mit seinem Feedback bestmöglich dabei unterstützen kann, das Auto in die richtige Richtung zu entwickeln. Ich habe einmal gesagt, dass wir mit diesem Projekt den Everest besteigen. Ich will, dass Nico vorneweg klettert.
Also planen Sie längerfristig mit ihm?
Er hat ja einen längerfristigen Vertrag. Wir wollen zusammenarbeiten, und er hat sich dem Projekt verschrieben. Es ist vielleicht etwas früh, um zu sagen, was genau ‹längerfristig› bedeutet. Aber ja: Er ist Teil des Teams, und ich bin sehr froh darüber.
Sie sagten zuletzt, dass der Job bei Audi der einzige war, der Sie in der Formel 1 noch gereizt hat. Warum war das so?
Zum einen ist es einfach die spannendste Aufgabe in der Formel 1: Wir beginnen bei null. Es geht darum, ein komplett neues Werksteam zu erschaffen, das ist eine grosse Herausforderung, das ist faszinierend. Zum anderen, und das ist am wichtigsten: Es geht um Audi. Welche andere Marke hätte nach so vielen Jahren bei Ferrari interessant für mich sein können? Wenn man sich Audi und den Motorsport anschaut: Das gehört zusammen. Vom Rallyesport über die Dakar und die Langstrecke zur Formel E, was immer Audi angepackt hat, haben sie gewonnen. Es ist auch dieser hohe Anspruch, der mich reizt.
Seit ziemlich genau einem Jahr sind Sie nun Teil des Projekts, und das war damals nicht die einzige Veränderung. Warum war diese Umstrukturierung notwendig?
Der Ansatz war damals kein disruptiver, es ging nicht darum, die Richtung zu ändern. Es ging darum, weiter aufzubauen. Als ich ankam, waren viele interne Prozesse noch nicht im Gange, manche sind es auch heute noch nicht. Je tiefer man gräbt, desto mehr findet man. Der Abstand zu einem Topteam war definitiv riesig, aber das ist nicht besorgniserregend. Das ist die Herausforderung, die wir angenommen haben. In den zurückliegenden zwölf Monaten wurden schon viele Entscheidungen getroffen, nicht alle sind von aussen sichtbar. Aber intern bilden sie jetzt unsere Grundlage für die Zukunft.
Wenn wir bei Ihrem Bild von der Everest-Besteigung bleiben: Wie viele Höhenmeter haben Sie bis jetzt geschafft?
Ich würde sagen, wir sind noch an der Basisstation. Vielleicht haben wir das Klettern noch nicht begonnen, aber wir haben unseren Weg zum Gipfel definiert und unseren Plan entworfen. Wir fangen sehr bald an zu klettern.
Bis zum Saisonstart 2026 sind es allerdings nur noch sechs Monate.
Ja, die Zeit läuft ab, und es muss noch viel passieren. Das neue Auto muss finalisiert, die neue Power Unit optimiert und homologiert werden. Dann geht es aber auch um die Marke, um den Launch, um Marketing, um Sponsoren. Die Herausforderungen in der Formel 1 umfassen nicht nur das Sportliche. Wir tun alles Nötige und bewegen uns in die richtige Richtung. Aber die Zeit läuft.
Warum dauert es eigentlich so lange, in der Formel 1 ein Erfolgsteam zu bauen?
Zum einen: Je mehr Leute du hast, desto mehr kannst du schaffen. Heute fehlen uns im Vergleich zu den Topteams noch 150 Angestellte. Das ist ein offensichtlicher Rückstand. Dazu kommt, dass wir noch keine eingespielte Organisation sind, die Interaktionen müssen sich entwickeln. Und es geht auch um Instrumente: Unser Simulator etwa ist noch nicht auf dem höchsten Level. Selbst wenn das Budget also schon da ist, gibt es viele Gründe, warum es dauert. In der Formel 1 geht es immer um Zeit: Auf der Strecke, aber auch um Entwicklungszeit, um Entwicklungstempo.
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