Wer die diesjährigen Swiss Indoors in der Basler St. Jakobshalle mitverfolgt hat, der kommt wenig überraschend zum Schluss: Das Hallenturnier spürt den Rücktritt seines Rekordsiegers Roger Federer. Zwischen 1998 und 2019, als er seinen letzten von zehn Titeln gewann, stand der ehemalige Balljunge fünfzehn Mal im Final und gewann zehn Mal. Erst im letzten Jahr konnte man sich beim Ticketverkauf nicht auf die Zugkraft Federers verlassen.
Turnierdirektor Roger Brennwald sagt: «Die neue Ära der Swiss Indoors ist noch nicht ganz beim Publikum angekommen.» Nur am Finaltag war die Halle mit 8100 Zuschauenden ausverkauft. Dennoch ist die Auslastung mit 86,7 Prozent (plus 1,7 Prozentpunkte zum Vorjahr) erfreulich stabil.
Brennwald nimmt Sinner ins Visier
Brennwald nahm in diesem Jahr neun Spieler und damit ungewöhnlich viele unter Vertrag, aber keinen aus den Top 5 der Weltrangliste. Das ist auch dem Umstand geschuldet, dass am Wochenende davor in Saudi-Arabien ein Schaukampf ausgetragen wurde, bei dem die Teilnahme drei Mal so viel Geld einbrachte wie der Turniersieg in Basel (446'045 Euro).
Dennoch besteht die Absicht, künftig entweder Carlos Alcaraz erneut oder Jannik Sinner erstmals ans Rheinknie zu locken. Neben John Newcombe ist der Italiener die einzige Nummer 1 in der Geschichte des Männertennis, die (noch) nie in Basel angetreten ist. Dennoch sagt Roger Brennwald: «Uns bleibt nicht der Atem aus, wenn Sinner sich nie in Basel zeigen sollte.»
Eine Aussage, die offenbart, in welche Richtung sich die Swiss Indoors Basel entwickeln: Weniger Fokus auf einzelne Spieler wie früher Federer , Djokovic oder zuletzt Alcaraz als Lockstoff, dafür mehr Breite. Schon in diesem Jahr war das Turnier wieder ein Turnier für Tennisliebhaber mit höchst interessanten Talenten wie Holger Rune, Arthur Fils, Félix Auger-Aliassime oder den Finalisten Ben Shelton und Giovanni Mpetshi Perricard.
Dazu zählt, wenn auch derzeit noch auf tieferem Niveau, Dominic Stricker. Der 22-jährige Berner, 2023 Viertelfinalist, sorgte mit dem 39-jährigen Doyen Stan Wawrinka dafür, dass die Swiss Indoors am Donnerstag zwei einheimische Achtelfinalisten präsentieren konnten. Eine Bereicherung waren auch die beiden aus der Region stammenden Jérôme Kym (21) und Henry Bernet (17). Kym spielte sich erstmals ins Hauptfeld, Bernet gab mit seinem Sieg gegen Fabio Fognini, eine bemerkenswerte Talentprobe ab.
Zu ihren Wurzeln bekennen sich die Swiss Indoors mit Wildcards, aber auch einem Jugendturnier für Schweizer, das man im Vorfeld ausgetragen hat und bei dem 3000 Tickets an Klubpräsidenten, Tennislehrer und Interclubmeister verteilt wurden. Turnierdirektor Brennwald bezeichnet das als «Testlauf» und «Investition, die Tenniscommunity zu fördern».
Für ein jüngeres Publikum sollen zudem moderate Neuerungen wie Musik zwischen den Ballwechseln und Lichtshows das Turnier attraktiver machen.
In eine ähnliche Richtung will sich auch die ATP entwickeln. Die Profi-Organisation der Männer hat die Kategorie der ATP-500-Turniere, zu der die Swiss Indoors zählen, aufgewertet, indem ihre TV- und Datenrechte in die unabhängige Organisation ATP-Media integriert wurden, die sich zuvor nur um die Masters-1000-Turniere kümmerte. Eines der Ziele ist es, Daten zu sammeln, um diese über die Firma TDI weiterverkaufen zu können.
Die Sanktion, ein ATP-500-Turnier im Oktober in Europa auszurichten, wurde 2022 gleich um fünfzehn Jahre bis 2037 verlängert. Das ist mehr als genug Zeit, um die Swiss Indoors Basel nach dem Rücktritt von Roger Federer noch stärker als einzigartiges Turnier für Tennisliebhaber zu etablieren.
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