Erst zwei Spieltage jung ist die neue Saison. Von «Vorentscheidung» zu sprechen wäre vermessen. Nein, die 1:2-Niederlage gegen Lugano hat YB nicht den Titel gekostet: Sie war zwar dämlich, doch im nächsten Frühling wird mehr als dieses eine Spiel den Unterschied zwischen den Bernern und dem FC Basel ausmachen.
Und doch ist nach zwei Spieltagen bereits der Moment da innezuhalten. Und den haushohen Titelfavoriten und seinen selbst ernannten, ersten Herausforderer zu vergleichen. Denn YB ist passiert, was dem FCB nicht passiert ist. Etwas, was in den vergangenen Jahren als der Hauptgrund für das Verliererimage der Berner ausgemacht wurde: YB hat schon am zweiten Spieltag, bei erstbester Gelegenheit, ein Spiel verloren, das es nicht verlieren darf. Jedenfalls nicht dann, wenn man sich zum Saisonziel setzt, Basel ein Stück näher zu kommen.
Nicht den Hauch einer Chance
Am ersten Spieltag trat YB in St. Gallen an. Kein einfaches Spiel. Eine Niederlage wäre ärgerlich, aber kein Beinbruch, Spott würde nicht aufkommen: Auftritte in der Ostschweiz sind nun mal unangenehm für jeden Gegner. Auch der FCB hat dort schon öfter verloren. YB hat in St. Gallen solid gespielt und 2:0 gewonnen.
Dann kam am Samstag das Lugano-Spiel. Daheim im Stade de Suisse. Lugano ist Abstiegskandidat, mit einer Niederlage in die Saison gestartet und hat einen Bruchteil der Qualität im Kader, die YB hat. Doch YB verliert. Ein Spiel, das es nur schon der Vorzeichen wegen nicht verlieren darf. Und schon gar nicht mit diesem Spielverlauf: frühe Führung, drückende Überlegenheit, viele Chancen. Lugano-Goalie Mirko Salvi: «Nach wenigen Minuten dachte ich: Wir haben hier nicht den Hauch einer Chance.»
Dann: Es braucht einen Konter, der das 1:1 durch Alioski zur Folge hat – und bei YB geht nichts mehr. Schockstarre. Wie gelähmt taumeln die YB-Profis über den Kunstrasen, planlos nach vorne – Lugano sagt danke, doppelt nach und gewinnt das Spiel.
Auf der Suche nach Antworten
Der Auftritt des FCB in Vaduz lässt sich vergleichen mit jenem von YB: Auch Vaduz ist Welten entfernt vom FCB, auch im «Ländle» käme eine Niederlage einer mittleren Katastrophe gleich, Spott wäre garantiert. Auch der FCB geht früh in Führung, 1:0, 2:0, ist überlegen, hat Chancen für weitere Tore, kassiert dann aber aus dem Nichts den Anschlusstreffer.
Kurz vor der Pause. Ein ungünstiger Moment. Doch statt vor lauter Schreck noch vor dem Halbzeitende den Ausgleich zu erhalten, reagiert der FCB sofort und macht seinerseits mit dem 3:1 den Sack zu. Am Ende steht es 5:1.
Die Frage, die sich nach den beiden Spielen stellt: Warum passiert das YB, aber nicht dem FCB? Eine schlüssige Antwort mit klarer Argumentation ist schwierig, natürlich: Fussball ist auch in Zeiten des monetären Grössenwahns nicht berechenbar. Aber in der Tendenz hat sich am zweiten Spieltag abgespielt, was sich in der Vergangenheit oft abgespielt hat: Der FCB erledigt die Pflichtaufgabe trotz Widrigkeiten erfolgreich, YB nicht.
Respekt bei Steffen
Also: Warum passiert das YB, aber nicht dem FCB? Die Frage geht als Erstes an Renato Steffen. Bis im vergangenen Winter war Steffen YB-Spieler, ehe er zum FCB wechselte. Um Titel zu gewinnen. Er sagt nach dem 5:1 in Vaduz: «Das pauschal zu sagen, ist schwierig. Ich möchte auch nicht über YB reden. Sondern über uns: Und bei uns gibt es einfach viele Spieler, die genau wissen, wie man mit solchen vermeintlich einfachen Spielen umgeht.»
Steffen spricht vom Respekt, der für jeden Gegner gleich gross ist. Von Ruhe. Von Selbstverständnis. «Wir wissen einfach tief drin, dass wir jedes Spiel gewinnen können.» Steffen sagt nicht, dass YB all diese Dinge abgehen. Es sei nur noch an einen früheren Satz Steffens erinnert: «Wer zum FCB kommt, den zieht es in einen Sog, aus dem man nicht mehr raus will. Dieser Siegeswille, der hier herrscht, der macht süchtig.»
Die Frage geht auch an Urs Fischer, FCB-Trainer. Er sagt Ähnliches wie Steffen. «Nach sieben Meistertiteln in Folge hat sich ein Selbstverständnis eingenistet, das dich durch viele Widrigkeiten führt. Die Erfahrung der Spieler mit schwierigen Situationen ist da, jeder weiss, was er wann zu tun hat. Die neuen Spieler lernen das schnell.»
Florent Hadergjonaj, der junge YB-Verteidiger, war nach dem 1:2 gegen Lugano nur noch enttäuscht. Und wütend. Und ratlos. Er sagt: «Das geht nicht, das dürfen wir nicht bieten. Ich schäme mich.» Eine Antwort auf die Frage aller Fragen hatte er nicht. Von ihm und seinen Teamkollegen sind nur die Durchhalteparolen zu vernehmen, es in Zukunft besser machen zu wollen.
Das Image im Unterbewusstsein
Fredy Bickel, der YB-Sportchef, sprach kürzlich mit der «Schweiz am Sonntag» über das YB-Verliererimage. Dabei fiel dieser bemerkenswerte Satz: «Niemand möchte dieses Bewusstsein fördern. Aber du kannst nichts dagegen machen. Wenn ein neuer Spieler kommt, hört er als Erstes, wie lange der Verein erfolglos ist. Und vielleicht nistet sich so etwas ins Unterbewusstsein ein. Dieses Gefühl, dass wir ja gar nicht gewinnen können.»
Noch ist nichts entschieden. Noch sind 34 Spieltage zu absolvieren. Eine spannende Meisterschaft ist weiterhin möglich. Das Prinzip Hoffnung lebt.
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