Lange suchte man in der Schweizer Offensive nach Antworten. Wer sorgt für die Tore? Wer übernimmt an der EM Verantwortung? Die Kombination zwischen der 18-jährigen Sydney Schertenleib und der 34-jährigen Ramona Bachmann, das Zusammenspiel zwischen Jung und Alt, schien die perfekte Lösung. Dann kam der Schock. Ramona Bachmann fällt mit einem Kreuzbandriss verletzt aus. Und nur wenige Wochen vor der EM musste ein neuer Plan her.
Bereits das ganze Jahr kämpfte die Nati mit der Offensive. Man sprach immer wieder von den jungen Spielerinnen, die Chance um Chance kreierten. Sydney Schertenleib allen voran, aber auch Iman Beney, ebenfalls ein Teenager. Doch wirklich treffen konnten sie nur selten. Spätestens an der Torhüterin scheiterte die Nati. Zumindest bis am Donnerstagabend im Testspiel gegen Tschechien.
Zu spät, zu früh und genau richtig
An diesem Abend zeigen sich die Schweizerinnen von einer anderen Seite. Und zwar dank einer Generation, die bis anhin gerne übersehen wurde. Der mittleren Generation.
Es sind die Spielerinnen, die nach der Pionierinnen-Generation rund um Lia Wälti, Ana-Maria Crnogorcevic und Ramona Bachmann kamen. Diese drei, die den Frauenfussball in der Schweiz mitprägten, mehrere Champions-League-Titel gewannen und mit der Nati vor zehn Jahren erstmals in eine Endrunde an einem grossen Turnier einzogen. Die drei, für die die Heim-EM wohl ein bisschen zu spät kommt.
Gleichzeitig sind es die Spielerinnen, die vor der vielversprechenden Generation mit Schertenleib, Ivelj, Beney und Co. kamen. Sie, die heute bereits an einem ganz anderen Punkt stehen. Sie genossen eine bessere Ausbildung und realisierten bereits Wechsel, von denen die vorherigen Generationen lange nur träumten. Wie Schertenleib, die zum FC Barcelona ging, oder Beney, die bei Manchester City auflaufen wird. Dennoch kommt für sie die Heim-EM wohl ein bisschen zu früh.
Für wen die Heim-EM aber gerade richtig kommt, ist die mittlere Generation. Für Spielerinnen, die bei durchschnittlichen Klubs in der Bundesliga oder den Niederlanden spielen und im Test gegen Tschechien für die Akzente in der Offensive sorgten. Für Spielerinnen wie Riola Xhemaili, 22, Géraldine Reuteler, 26, und Svenja Fölmli, 22.
Es ist eine Generation, die das Beste aus zwei Welten vereint. Sie bringen die nötige Erfahrung mit, aber auch eine solide Grundausbildung, die der Pionierinnen-Generation fehlte. Und sie verfügen über eine Portion der Frische, welche die Teenager im Team versprühen.
Es geht noch besser
Zwar fällt auch die 18-jährige Barcelona-Spielerin Schertenleib an diesem Abend auf. Mit einigen scharfen Geschossen von der Strafraumgrenze aus testet sie die tschechische Goalie. Und die 19-jährige Debütantin Leila Wandeler zeigt ihr Potenzial mit einem Pfostenschuss. Doch genau das war an diesem Abend der Unterschied. Die Jungen hatten die Chancen, die Mittleren schossen die Tore.
«Wir hätten mehr Tore schiessen müssen», gibt sich Reuteler, die mit Tor und Assists glänzte, am Freitagmorgen kritisch. Es sei aber sehr schön, dass es in der Offensive so viele Torschützinnen gegeben habe und die Konkurrenz intern da sei. «Wir hatten die Chancen auch in der Vergangenheit. Nun konnten wir sie besser verwerten. Bis zur EM müssen wir uns aber erneut steigern», so Reuteler.
Vielleicht braucht es für die EM also gar keine grossen Namen oder das perfekte Zusammenspiel zwischen Jung und Alt. Vielleicht ist es die unscheinbar wirkende mittlere Generation, die am Heim-Turnier die entscheidenden Schweizer Tore schiesst. Und sich schliesslich auch auf die Liste der grossen Schweizer Fussballerinnen setzt.
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