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Rücktritt

Tribünengeflüster

Wie Roger Federer um seine heutige Ehefrau Mirka warb, wie sie sich ineinander verliebten – und weshalb die frühere Tennisspielerin seit 15 Jahren in der Öffentlichkeit schweigt.
Mirka und Roger Federer am Tag seines Rücktritts.
Bild: Bild: Twitter

Es ist Donnerstag, kurz nach 15 Uhr, als ein Grosser des Weltsports den Abschied verkündet. Roger Federer hat für diesen «bittersüssen» Moment im Nobelhotel Baur au Lac in der Nähe des Bürkliplatzes die wichtigsten Menschen um sich geschart: seine Eltern Robert (76) und Lynette (70). Vor allem aber Ehefrau Mirka (44). Federer schreibt: «Es war wunderschön, die Neuigkeit umgeben von Mama, Papa und Mirka zu veröffentlichen. Wer hätte gedacht, dass die Reise so lange dauert. Einfach unglaublich.»

Für die meisten Menschen existiert Mirka Federer nur von der Hüfte an aufwärts. So viel gibt die Box preis, in der sie während zweier Jahrzehnte mit ihrem «Rogi» mitfieberte. Ruhte der Ball, ging der Vorhang auf für ihre Inszenierung. Dann wurde über den pinken Gucci-Pullover mit Tiger auf der Brust für 1500 Franken debattiert, es wurden Brillanten am Ringfinger gezählt, die Handtaschen besprochen oder darüber getratscht, wie gut die Zwillingsschwestern Myla Rose und Charlena Riva und die Zwillingsbrüder Leo und Lenny von der Mutter eingekleidet worden waren.

Mirka Federer 2017 in Australien mit Severin Lüthi (l.) und Ivan Ljubicic (r.) in einem pinken Pullover, der für Aufsehen sorgte.

Früher war Mirka seine persönliche Assistentin, bis er mit seinen Erfolgen erst zum Nabel der Tenniswelt, zu einer Ikone der Sportgeschichte und zur Millionenmarke wurde. Das war, bevor sie sich auf die Rolle als Ehefrau, Mutter und Ratgeberin zurückzog – und für die Öffentlichkeit verstummte.

Ein Paar wurden sie und Federer 2000 während der Olympischen Spiele in Sydney. Federer teilte mit seinem damaligen Trainer Peter Lundgren, vier Ringern, der Tennisspielerin Emmanuelle Gagliardi und eben Mirka eine Wohnung. Zwar verliert Federer 19-jährig sowohl den Halbfinal als auch das Bronzespiel, doch er findet in Mirka die Liebe seines Lebens.

2001 spielen Mirka und Federer beim Hopman Cup. Als Paar.
Bild: Bild: Greg Wood/AFP, SON

Federers unbeholfenes Werben um Mirka

«Hier umarmten und küssten wir uns erstmals. Erst da merkte ich, dass ich mehr für Mirka empfand», erzählte Federer einmal. Besonders geschickt stellte er sich im Werben um die Thurgauerin offenbar nicht an. «Ich habe gar nicht gemerkt, dass er ein wenig attackiert. Aber ich dachte, dass er ein lustiger Kerl ist, kein Langweiler, das gefiel mir», erzählte Mirka einmal. So lustig, «dass ich die stärksten Bauchmuskeln der Welt haben werde, wenn das hier vorbei ist, so sehr muss ich wegen Roger dauernd lachen».

Schon in der Schweiz war ihr Federer aufgefallen. «Er machte unglaublich viel Lärm und sang Lieder der Backstreet Boys. Mir gefiel das, aber die Trainer hat er genervt.» Mirka ist über drei Jahre älter als Federer, reifer, fokussierter, zielstrebiger. «Sie trainierte fünf, sechs Stunden am Tag, was für mich unmöglich war. Nach einer Stunde wurde mir langweilig, und ich flog aus dem Training», erzählte Federer einmal. Der Altersunterschied ist der damals 22-Jährigen ebenfalls ein Dorn im Auge. Federer erinnert sich:

«Als ich Mirka zum ersten Mal küsste, sagte sie: ‹Du bist so jung.› Ich betonte, ich sei achtzehneinhalb! Sie daraufhin: ‹Okay, du bist noch ein Baby.›»

Damals steht sie selber noch im Fokus. Als Miroslava Vavrinec aus Kreuzlingen, Thurgau, schafft sie es bis auf Rang 76 der Weltrangliste.

Mirka Federer schaffte es als Mirka Vavrinec auf Rang 76 der Weltrangliste.
Bild: Bild: Keystone

Als Mirka der Schweizer Pass verwehrt blieb

Es ist zu einer Zeit, in der sie noch ihretwegen und nicht seinetwegen für Schlagzeilen sorgt – und bevor sie sich der Öffentlichkeit entzieht. Damals erzählt sie von der Flucht ihrer Eltern aus der Slowakei in die Ostschweiz, als sie zwei Jahre alt ist. Wie ihr 1996 beim ersten Anlauf der Schweizer Pass verwehrt bleibt. Und auch, dass der Prinz von Dubai ein Auge auf sie geworfen hatte und sie zur Prinzessin der Vereinigten Arabischen Emirate hatte machen wollen. Sie, einziges Kind eines Goldschmieds, wird nicht Prinzessin in der Wüste, sondern die Königin an der Seite Federers.

Als Mirka und Federer ein Paar werden, ist er ein Talent. Nicht der Nabel der Tenniswelt, nicht das Gesicht von Edelchampagner und Luxusuhren, nicht Milliardär. Und vor allem: noch ohne einen einzigen Titel.

2002 beendet Mirka ihrer Laufbahn wegen chronischer Fussschmerzen und wird zur Schlüsselfigur in seiner Karriere. «Roger teilt alles mit mir. Wenn er gewinnt, ist es, als ob ich auch gewinnen würde. Roger gibt mir damit irgendwie mein Tennisleben zurück», sagt Mirka damals.

Nach dem Ende ihrer Karriere wird Mirka Roger Federers Begleiterin, Beraterin und Managerin. Bis der Rummel um ihn zu gross wird.
Bild: Bild: Keystone

Bald gewinnt Federer nur noch: Grand-Slam-Siege, Nummer eins der Welt, Aufstieg zur Werbeikone. Federer hier, Federer dort, Federer überall.

Zu viel für Mirka, die ihm lange den Rücken frei hält, vieles abschmettert und dadurch bald im Ruf steht, miesepetrig zu sein. Einmal sagt sie: «Mir ist es wurst, hier und da für einen Drachen gehalten zu werden. Wer mich kritisiert, sollte einmal mitbekommen, was alles auf uns einprasselt.» Sie stellt sich hinten an, sagt: «Es geht jetzt um Rogi! Meine Zeit kommt nach dem Tennis. Er ist jetzt die Nummer eins der Welt. Das ist man bloss einmal.»

Federer spricht «für uns beide»

Die beiden fällen den Entschluss, dass sich Mirka aus der Öffentlichkeit zurückzieht. Federer sagt: «Sie organisiert unser Leben, das bedeutet viel Arbeit. Deswegen beschütze ich sie und spreche für uns beide.» Bis heute.

Mirka ist da, aber sie schweigt. Dafür spricht Federer nicht nur für, sondern vor allem über sie. Als er im Zenit seiner Schaffenskraft steht, sagt er: «Alle sagen, ich sei der Beste. Aber ich bin nur der Beste mit dir an meiner Seite.» Alleine zu sein, heisse für ihn, mit ihr zusammen zu sein. «Ich kann für zwanzig Minuten alleine sein. Aber ich bin lieber mit ihr zusammen.»

Mirka und Federer 2003 nach Federers erstem Wimbledon-Sieg.
Bild: Bild: Keystone

Bald sind sie nicht mehr alleine. Im Frühling 2009 heiraten die beiden, im Sommer kommen die Zwillingsmädchen Charlene und Myla zur Welt, fünf Jahre später die Zwillingsbuben Leo und Lenny. Die Krönung ihrer Liebe. In der amerikanischen Modezeitschrift «Vogue» erzählte Federer: «Es war Mirkas Wunsch, dass unser Kind mich Tennis spielen sieht. Das wäre etwas, woran es sich immer erinnern würde. Dieser Gedanke wurde in ihr irgendwann übermächtig. Also entschieden wir, eine Familie zu gründen.»

22 Jahre nach den Olympischen Spielen in Sydney sind Mirka und Roger Federer verheiratet und Eltern von vier Kindern.
Bild: Bild: Alpha Press/MAXPPP

Das Lob von Schwiegermutter Lynette

Und Mirka? Schweigt weiter. Ihre Schwiegermutter Lynette sagt: «Mirka sorgt für Harmonie, hat Geduld und Ausdauer. Es ist bewundernswert, wie sie Roger den Rücken frei hält.» Mirkas Meinung zählt – nicht nur in den eigenen vier Wänden, sondern auch bei der Karriere. Federers Ex-Trainer Paul Annacone erzählt einmal: «Mirka scheut sich nicht, ihrem Mann ihre Meinung ins Gesicht zu sagen. Auch dann nicht, wenn sie wehtut.»

Als Federer sich im Januar 2016 den Meniskus im linken Knie reisst, spielt er kurz mit dem Gedanken, aufzuhören. Doch Mirka sagt, so erzählt er es später: «So hörst du nicht auf. Nicht nach dem Einlassen eines Bads für die Mädchen.» Er macht weiter und schreibt mit dem Sieg bei den Australian Open 2017 das schönste Kapitel ihrer gemeinsamen Erfolgsgeschichte.

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