Nico Hülkenberg verspritzte auf dem Podium Champagner, ballte mit einem stolzen Lächeln die Faust und klopfte sich immer wieder aufs Herz. Die erste Siegerehrung seiner langen Formel-1-Karriere kostete der Routinier nach der Sensation von Silverstone in vollen Zügen aus. 5593 Tage nach seinem Debüt in der Königsklasse hatte sich mit Platz drei ein Traum erfüllt. Sein 239. Grand Prix – er bleibt für immer unvergessen.
«Heute ist mein Tag», sagte Hülkenberg, der Zeit brauchte, um das Geschehen beim «surrealen» Grossen Preis von Grossbritannien zu verarbeiten: «Es hat dann doch einige Zeit gedauert. Ich bin sehr, sehr glücklich.»
Völlig unerwartet war der Deutsche im Regenchaos von Silverstone von Startplatz 19 nach vorn gespült worden. Eine kluge Reifenwahl begünstigte die Aufholjagd im unterlegenen Sauber, letztlich brillierte aber vor allem Hülkenberg, der in seiner Laufbahn zuvor drei Mal Vierter geworden war, selbst.
Zuletzt jubelte Kamui Kobayashi im Jahr 2012
Teamchef Jonathan Wheatley bezeichnete das Ergebnis mit Blick auf den ersten Sauber-Podestplatz seit dem 3. Rang von Kamui Kobayashi im Grand Prix von Japan 2012 «unbegreiflich» und «historisch»: Nico Hülkenberg hat in der Formel 1 für eine Sensation gesorgt und ist im 239. Grand Prix seiner Karriere erstmals auf das Podest gefahren als «überfälligstes Podium der Formel-1-Historie, Nico hat ein Meisterstück abgeliefert, eine unglaubliche Performance».
Und diese hatte auch Symbolcharakter: Für Hülkenberg war es die vierte Punkte-Platzierung in Folge im Sauber, es geht bergauf für den Schweizer Rennstall, der im kommenden Jahr zum Audi-Werksteam wird.
Beim Erklingen der britischen Nationalhymne für Sieger Lando Norris (McLaren) liess Hülkenberg bei der Siegerehrung den Blick schweifen – und liess dabei womöglich seinen Werdegang Revue passieren. Im Jahr 2010 hatte er sein Formel-1-Debüt gefeiert, er hält den Rekord für die meisten Rennen ohne Podestplatzierung. In einem Spitzenauto sass Hülkenberg nie. Nun hatte das Warten ein Ende.
Der Sieg war nicht in Reichweite. Norris gewann sein Heimrennen vor seinem Teamrivalen Oscar Piastri, es war der zweite McLaren-Doppelsieg in Folge. Die beiden Teamkollegen trennen in der Fahrer-WM nun acht Punkte, Piastri führt die Wertung an.
Verstappen muss seine Hoffnungen begraben
Weltmeister Max Verstappen muss seine Hoffnungen auf die erfolgreiche Titelverteidigung derweil wohl endgültig begraben. Der Pole-Setter fiel im Red Bull nach einem Dreher auf rutschiger Strecke weit zurück und wurde Fünfter.
Rekordweltmeister Lewis Hamilton musste bei seinem Lieblingsrennen das Ende seiner Super-Serie hinnehmen: Der siebenmalige Champion, der seit 2014 beim Heimspiel stets auf dem Podest gestanden hatte, scheiterte bei der Jagd auf Hülkenberg und wurde im Ferrari Vierter. Auf ein Top-3-Ergebnis muss Hamilton nun seit 14 Grand Prix warten.
Verstappen hatte beim Start nichts anbrennen lassen und behauptete zunächst die Führung vor Piastri. Nach einer hektischen von mehreren virtuellen Safety-Car-Phasen geprägten Anfangsphase zog der Australier in der neunten Runde aber vorbei. Am Himmel kündigte sich neues Ungemach in Form dunkler Wolken an – mit Folgen für den Niederländer. Im Platzregen fehlte Verstappen der Grip, der Weltmeister rutschte im Duell mit Verfolger Norris aufs Gras und büsste die nächste Position ein.
Der Regen wurde immer heftiger und löste eine Safety-Car-Phase aus. Erst wurde Verstappen beim Re-Start von Piastri übertölpelt, dann drehte sich der Red Bull beim Herausbeschleunigen. Verstappen fiel auf den zehnten Platz zurück. Piastri erhielt für seine Fahrweise unter gelber Flagge eine Zeitstrafe, er hatte Verstappen ausgebremst.
Das Rennen blieb hektisch. Hülkenberg, der durch die richtigen Entscheidungen im Reifenpoker nach vorn gespült worden war, überholte zunächst Lance Stroll im Aston Martin. Lediglich Hamilton konnte dem Deutschen noch gefährlich werden. Der Brite eilte heran, am Ende erfüllte sich aber Hülkenberg seinen Traum.
«Ich kann nicht begreifen, was wir gerade geschafft haben», funkte Hülkenberg nach der Zieldurchfahrt mit zittriger Stimme an seine Box, «oh mein Gott.» Er habe es während des Rennens nicht an sich herangelassen, sagte er wenig später im Interview, «aber wir sind nicht zusammengebrochen unter dem Druck.»
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