
Es ist kurz vor 20.00 Uhr, als Stan Wawrinka vom Platz lief. Erhobenen Hauptes winkte er ins Publikum, drehte zwei Pirouetten, applaudierte dem Publikum, gab Autogramme und posierte für Selfies. Dann verschwand der Romand im Bauch der Basler St. Jakobshalle. Vielleicht zum letzten Mal?
Am Mittwoch verabschiedet er sich im Achtelfinal nach einem 4:6, 6:7 (5:7) gegen den etwas mehr als 13 Jahre jüngeren Norweger Casper Ruud (ATP 11) als letzter Schweizer von den Swiss Indoors Basel. Dabei verspielt Wawrinka in beiden Sätzen eine Breakführung, lässt aber immer wieder seine Klasse aufblitzen und sorgt hier und da für tosenden Applaus.

Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig?
Ob in Gstaad, Genf oder Basel, Wawrinka hat auf Schweizer Boden alle emotionalen Höhen und Tiefen erlebt: 17 Mal schied er bereits in der ersten Runde aus, neunmal in Basel. Doch zwei Titel gewann er vor heimischem Publikum: 2016 und 2017 auf Sand in Genf, wo er den letzten seiner 16 Turniersiege feiern konnte. «Ich hatte immer den Wunsch, vor Schweizer Publikum gut zu spielen. Manchmal bringt mich das dazu, mich selbst zu übertreffen, manchmal will ich zu viel», sagte er am Dienstag spätabends.
Sein Erfolg gegen den Serben Miomir Kecmanovic (ATP 52) war einer seiner raren Siege gegen einen Spieler aus den Top 100, nur drei sind ihm in diesem Jahr gelungen. Inzwischen ist der dreifache Grand-Slam-Sieger die Nummer 158 der Welt. Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig? Nur Aussenstehende denken so, nicht aber Wawrinka. Längst geht es ihm nicht mehr nur um Siege. Sondern um das, was er auf dem Tennisplatz erlebt.

Kleine Bühne, grosse Emotionen
Die Emotionen, die guten und die schlechten, der Zuspruch des Publikums, das Gefühl, eine perfekte Rückhand ins Feld zu spielen – das alles wird er im Leben danach nicht mehr haben, bei kleineren Turnieren aber schon.
Wawrinka weiss, dass er kaum mehr um grosse Titel spielen wird. Dass er vielleicht auch nie mehr in Melbourne, Paris, Wimbledon oder New York aufschlagen wird, wo er vor wenigen Jahren noch zu den Favoriten zählte.
Doch nüchtern betrachtet gibt es auch kaum einen Grund, aufzuhören. Als Nummer 157 der Weltrangliste sind die Swiss Indoors für ihn nicht mehr Alltag. Den Grossteil des Jahres verbringt er bei Challenger-Turnieren, in Rennes, Saint-Tropez, Bordeaux oder Perugia. Und dort spielt Wawrinka durchaus erfolgreich: Fünf Halbfinals und zwei Finals erreichte er 2025. In der Weltrangliste ist er der einzige Spieler überhaupt, der seinen 40. Geburtstag schon hinter sich hat – und am besten klassierter Schweizer.

Ein Leben im Moment
Anders als vor 22 Jahren, als er erstmals in Basel spielte, lohnt sich das auch finanziell. Die Preisgelder sind gestiegen. 440’000 Dollar Preisgeld spielte er in diesem Jahr ein (vor Abzügen). Aber eben: Wawrinka geht es um anderes. Auch in Athen, wo er im November sein letztes Turnier des Jahres bestreitet, wird er zu den Publikumslieblingen zählen.
Wird es sein letzter Auftritt? Spielte er am Mittwoch letztmals in Basel, vielleicht sogar in der Schweiz? Stan Wawrinka weiss es nicht. Er lebt im Moment, und zwar mehr denn je. Ob in Rennes, Bordeaux oder Basel.
Kommentare
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien, die Kommentare werden von uns moderiert.
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben.