Gross war die Euphorie, gross aber auch die Skepsis, als Xherdan Shaqiri im August nach zwölf Jahren im Ausland nach Basel zurückkehrte. Doch schon bald war klar: Der Ex-Nationalspieler überstrahlte in dieser Saison in der Super League alle: Mit 18 Toren und 22 Vorlagen führte er den FCB zum ersten Meistertitel seit 2017 – und vielleicht auch noch zum Cupsieg. Am 1. Juni trifft Basel im Final auf den drittklassigen FC Biel. Erstaunlich: Zum Besten der Saison wählten die Super-League-Spieler nicht Shaqiri.
Diese Ehre wurde Alvyn Sanches zuteil. Das 22-jährige Lausanne-Juwel entzückte die Liga mit seinem unbeschwerten Spiel und Traumtoren. Der verdiente Lohn: das erste Aufgebot für die Schweizer Nationalmannschaft. 22 Minuten nach seiner Einwechslung im Spiel gegen Nordirland – und in der Nachspielzeit – riss er sich das Kreuzband im rechten Knie. Sanches ist der Pechvogel des Jahres, bleibt dafür vielleicht aber in der Super League.
FCZ zwischen Chaos und Tabellenführung
Eine Liga, die lange unberechenbar und deshalb höchst attraktiv war. Nicht weniger als sieben (!) Vereine grüssten in dieser Saison mindestens einmal die Tabelle an, darunter der FC Zürich, was wegen der zahlreichen Schlagzeilen neben dem Platz fast schon in Vergessenheit geraten ist.
Ein kurzer Abriss: Weil er im Cupspiel in Zug ein-und kurz darauf wieder ausgewechselt wird, wirft der Vater von Stürmer Labinot Bajrami einen Schirm in Richtung FCZ-Trainer Ricardo Moniz. Bajrami Junior wird nach Winterthur verliehen. Im Winter verpflichtet Sportchef Milos Malenovic mit Steven Zuber einen Spieler mit Vergangenheit bei Stadtrivale GC. Weil Zuber überzeugt, verflüchtigt sich der Widerstand der Anhänger schnell.
Xhaka geht mit einer Dummheit
Nicht der Fall ist das bei Verteidiger Benjamin Mendy, einst bei Manchester City unter Vertrag und Weltmeister mit Frankreich. Der 30-Jährige musste sich einst wegen Vergewaltigung in acht Fällen vor Gericht verantworten, wurde aber freigesprochen. Die Zürcher Südkurve reagierte mit Protest auf die Verpflichtung Mendys, der auch sportlich nicht zu überzeugen wusste. Beim FCZ fast nur eine Randnotiz ist die zwischenzeitliche Verhaftung von Daniel Denoon, der eine Nacht in Untersuchungshaft verbringen musste.
Angesichts des Alters keine Jugendsünde mehr, sondern eine Dummheit sondergleichen leistete sich Taulant Xhaka an der Basler Meisterfeier, als er GC, den FCZ und die Polizei verschmähte und Pyros zündete. Die Strafe der Swiss Football League: Eine Spielsperre, 7500 Franken Busse, dazu 18 Stunden gemeinnützige Arbeit zugunsten des Fussballs. Sportlich spielte der ältere Bruder von Nati-Captain Granit Xhaka ohnehin kaum mehr eine Rolle beim FCB. Mit dem Cupfinal am 1. Juni endet auch seine Karriere.
Fabian Frei schreibt ein Märchen
Wie auch jene von Fabian Frei, der nach 543 Spielen für Basel (Rekord) zu Winterthur wechselte. Zwar war er auch dort nicht mehr Stammspieler, spielte aber Abstiegskampf eine entscheidende Rolle, indem er am zweitletzten Spieltag in der Nachspielzeit einen Penalty verwandelte und Winterthur gegen den späteren Absteiger Yverdon einen Punkt sicherte.
Uli Forte sorgt für Winterthur-Wunder
Als Uli Forte am 24. Dezember als Trainer den Tabellenletzten übernahm, drohte ihm ein unrühmlicher Rekord: Er war zuvor schon mit dem FCZ (2016) und GC (2019) abgestiegen. Und nachdem vier der ersten fünf Spiele unter Forte verloren gegangen waren, schwadronierte dieser, «wenn die Liga will, dass wir nicht mehr in der Super League sind, dann müssen sie es einfach sagen!» Umso bemerkenswerter, dass der Ligaerhalt geschafft wurde: Die Hälfte der 40 Punkte holte Winterthur in den letzten 9 Spielen.
In die umgekehrte Richtung zeigte die Formkurve hingegen bei Yverdon. Die Waadtländer in US-Besitz gewannen nur eines der letzten zehn Spiele, gegen den FCZ, und steigen nach zwei Jahren in der Super League ab.
Ein Schicksal, das auch Rekordmeister GC (27 Titel) droht. Zum zweiten Mal in Folge müssen die Zürcher in die Barrage. Symptomatisch für die ganze Saison: Weil der Letzigrund von der amerikanischen Band «Imagine Dragons» besetzt ist, muss GC das Heimspiel gegen Aarau am Dienstag im Exil austragen. Und zwar im über 200 Kilometer entfernten Lugano. Und auch das Stadio Cornaredo ist derzeit eine wenig schmucke Baustelle.
Vier Trainerwechsel, aber nicht in Sion
Sportliche Baustellen behob der Meister der vergangenen Saison, YB. Nach nur 6 Punkten in 9 Ligaspielen entliessen die Berner den Trainer Patrick Rahmen. Es war eine von lediglich vier Entlassungen: GC holte Thomas Oral für Marco Schällibaum, Winterthur ersetze Ognjen Zaric durch Uli Forte und Yverdon Alessandro Mangiaratti durch Paolo Tramezzani.
Ein Kunststück gelang Didier Tholot. Der Franzose ist der erste Trainer seit 33 Jahren (!) Enzo Trossero 1992, der in Sion zwei Saisons in Folge beendet. Wie aus guter Quelle zu hören ist, verlässt Tholot Sion aber im Sommer.
Fassnacht haucht YB wieder Leben ein
Besser läuft es bei YB unter Giorgio Contini, der kurz vor Weihnachten übernahm. Wie in Basel mit Shaqiri gelang die Stabilisierung auch durch zwei Rückkehrer: Christian Fassnacht kam aus England und erzielte in 17 Spielen 11 Tore. Dem Ex-Genfer Chris Bedia gelangen immerhin 6 Tore.
Mehr erhofft hatte man sich von einem anderen Rückkehrer: Jean-Pierre Nsamé, der davor bei YB drei Mal Torschützenkönig geworden war. Mit zwei Toren im dritten Spiel für den FC St. Gallen Anfang Februar egalisierte er den Super-League-Torrekord von Marco Streller (111 Treffer). Danach gelang ihm in 10 Spielen kein Tor mehr. Dazu verschoss er einen Penalty.
Enttäuschend war auch die Saison des FC Lugano. Als erstes Team hatten die Tessiner gesagt: Ja, wir wollen Meister werden. Am 24. Spieltag führte man die Tabelle an. Doch dann scheiterte Lugano in Cup-Viertelfinal an Biel, im Achtelfinal der Conference League an Celje, Slowenien, und verlor 8 der letzten 13 Ligaspiele. Das Resultat: Rang 4 für das von Mattia Croci-Torti trainierte und von US-Milliardär Joe Mansuetto alimentierte Lugano.
VAR erfindet einen Penalty
Wie Lugano über die Bücher müssen auch die Schweizer Schiedsrichter. Viel zu oft sorgten sie mit ihren Entscheidungen bei den Akteuren und den Zuschauenden für Unverständnis und Wut. Tiefpunkt: Beim Spiel Luzern – GC (2:0) erfand der VAR ein Handspiel, der Haupt-Schiedsrichter im Stadion glaube ihm und entschied auf Penalty. Ein Totalausfall im System «Videoschiedsrichter», wie die Verantwortlichen danach einräumten.
Mit weniger Geld auskommen muss der FC Luzern, der die Tabelle auch einmal anführte, konsequent auf Spieler aus dem Nachwuchs setzte und schwankende Leistungen in Kauf nimmt. Nicht aber fehlenden Einsatz. Beim Spiel in Sion im November wechselte er zur Halbzeit beim Stand von 0:2 gleich fünf Spieler aus, darunter den verletzten Goalie Pascal Loretz.
Nach der 2:4-Niederlage hielt Frick seiner Mannschaft im TV-Interview dann eine Standpauke, die es in sich hatte. Seine Spieler hätten «kollektiv» versagt, die Leistung sei «peinlich von A bis Z» und «unterirdisch» gewesen. Seinen Spielern habe er gesagt: «Ich habe mich zum ersten Mal geschämt, euer Trainer zu zu sein.» Eine Momentaufnahme. Denn der sechste Schlussrang ist eine beachtliche Leistung für die Innerschweizer.
Sieben Tabellenführer, ein lange offenes Meisterrennen, ein spannender Kampf am Tabellenende, der erst am letzten Spieltag entschieden wird. Auch in dieser Saison sorgte die Super League sowohl auf als auch neben dem Platz für Spektakel, Schlagzeilen und Gesprächsstoff am Stammtisch.
Und noch ist das letzte Kapitel gar nicht geschrieben: Wetten, dass es GC und Aarau auch in der Barrage (27. und 30. Mai) noch zweimal krachen lassen? Es wird der Schlussakt im grossen Schweizer Fussballtheater.
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