Am Mittwoch beginnt die Frauen-Europameisterschaft in der Schweiz. Und welches Thema dominierte zuletzt die Berichterstattung über die Lokalmatadorinnen? Eine 1:7-Niederlage in einem Testkick gegen die U15-Junioren des FC Luzern.
Ein eindrücklicher Beweis, dass viele Menschen Frauen- und Männerfussball immer noch in den gleichen Topf werfen und den Unterschied zwischen Körperbau und Können ignorieren. Dabei ist klar: Wegen der biologischen Unterschiede zwischen dem männlichen und weiblichen Körper sind Vergleiche zwischen Frauen- und Männerfussball ebenso unangebracht wie unfair. Die Exponentinnen selber gehen noch einen Schritt weiter, reden von «zwei verschiedene Sportarten» und verdrehen bei Vergleichen überdrüssig die Augen.
Diese Frage muss sich der Schweizer Fussballverband gefallen lassen
Andere Sportarten sind in der Emanzipation der Geschlechter meilenweit voraus, beziehungsweise sind Vergleiche dort nie ein Thema: Auf die Idee, die Riesenslalom-Schwünge von Lara Gut-Behrami mit jenen von Marco Odermatt zu vergleichen, ist noch niemand gekommen. Oder Serena Williams dafür zu belächeln, dass sie weniger hart aufschlägt als Roger Federer. Und wurde schon mal die Qualität der 100-Meter-Sprinterinnen hinterfragt, weil ihre Weltrekord-Zeit um mehr als neun Zehntel langsamer ist als jene der Männer?
So gesehen müssen sich die Schweizer Nationaltrainerin Pia Sundhage und der Verband die Frage gefallen lassen, warum sie sich überhaupt mit Männern oder Knaben messen. Und warum sie wenige Tage vor dem absoluten Höhepunkt der Schweizer Frauenfussball-Geschichte dem ahnungslosen Stammtisch massenhaft Futter liefern für abwertende Kommentare.
Emma Hayes will Tore zugunsten der Goalie-Frauen verkleinern
Statt die kickenden Frauen und Männer auf plumpe Art und Weise zu spiegeln, könnte man auch eine Diskussion lancieren, wie es vor einigen Jahren die englische Star-Trainerin Emma Hayes tat. Dafür aber aus vielen Ecken, erstaunlicherweise auch von vielen Fussballerinnen, gnadenlos kritisiert wurde.
Dabei war ihr Vorschlag der, den Frauenfussball der körperlichen Spezifik der Frauen anzupassen. «Das Torwartspiel wird im Frauenfussball oft kritisiert», so Hayes, «ich würde meinen, das Tor ist einfach ein bisschen zu gross.»
Auch kleineren und leichteren Bällen sowie einer Spielfeldverkleinerung steht die Trainerin der US-Frauen offen gegenüber: «Anstatt das Spiel der Männer nur zu spiegeln, müssen wir den Fussball an unsere eigenen körperlichen Erwartungen anpassen.» Hayes weiter: «Der Frauenfussball ist mittlerweile doch etabliert genug, um ihn als eigenständige Sportart zu betrachten.»
Zum Vergleich: Emiliano Martinez war der beste Torwart der Männer-WM 2022 in Katar. Die Körpergrösse des Argentiniers: 1,95 Meter. Mary Earps war die beste Torhüterin der Frauen-WM 2023 in Australien und Neuseeland. Die Engländerin misst 1,73 Meter. Die 22 Zentimeter Unterschied machen rund ein Elftel der Höhe eines Fussballtors aus. Und sind ein grosser Nachteil, wenn man mit ausgestreckten Armen zwischen Pfosten und Latte nach den Bällen hechten soll.
Aktuell spielen Männer und Frauen auf 7,32 Meter breite und 2,44 Meter hohe Tore. Angepasst auf die weltweit im Schnitt 15 Zentimeter Unterschied zwischen Mann und Frau, müsste gemäss Hayes Idee das Tor im Frauenfussball auf 6,76 Meter Breite und 2,25 Meter Höhe verkleinert werden.
Hayes wird für ihre Ideen Sexismus vorgeworfen
Hayes musste nicht lange auf Gegenwind warten. Kritiker warfen ihr Sexismus vor und ziehe den Kampf des Frauenfussballs um Anerkennung ins Lächerliche. Die walisische Nationalspielerin Jess Fishlock konterte mit einem augenrollenden Emoji auf X: «Die Torgrösse muss nicht verändert werden. Wenn eine Torhüterin einen Fehler macht, ist es ein Fehler und hat nichts mit der Grösse des Tores zu tun.»
Vielleicht ist auch die Vergangenheit Grund für den Zorn. Wie Sporthistorikerin Marianne Meier in ihrem Buch «Das Recht zu kicken» schreibt, wurden schon einmal Sonderregeln für den Frauenfussball eingeführt: «Ab den 1970er-Jahren wurden formelle Fussballverbote für Frauen in Ländern wie England oder Deutschland aufgehoben. Dabei war es den nationalen und internationalen Verbänden wichtig, den ‹Frauenfussball› als Sportart mit Sonderregeln auszustatten: So wurde etwa mit kleineren Bällen und reduzierter Spieldauer gekickt.
Diese Vorgaben dienten dem Ziel einer strategischen und bewussten Abwertung. Erst im Verlauf der 1990er-Jahre trauten die Verbände den Fussballerinnen den heutigen Standard von neunzig Minuten Spielzeit zu.»
Hayes Gedankenspiele indes sollen den Frauenfussball nicht ab-, sondern aufwerten. Die heftigen Reaktionen sind also einigermassen erstaunlich. Insbesondere, weil in anderen Sportarten geschlechterspezifische Unterschiede ganz normal sind. Ganz ehrlich: Haben Sie gewusst, dass im Volleyball das Netz bei den Frauen 2,24 Meter hoch hängt, bei den Männern 2,43 Metern? Dass Frauen einen halb so schweren Diskus werfen wie Männer? Dass im Hürdensprint die Männer 106,6 Zentimeter überspringen, die Frauen 83,8 Zentimeter? Ist der Tennissport diskriminierend, weil an Grand-Slam-Turnieren Frauen Best-of-three spielen, Männer aber Best-of-five?
Auch die frühere englische Nationaltorhüterin Karen Bardsley äusserte sich skeptisch. Ihrer Ansicht nach könnte eine Debatte über kleinere Tore den Einsatz für Gleichberechtigung untergraben. Indirekt deutete sie an, dass solche Überlegungen sogar die Schlagkraft der Equal-Pay-Bewegung schwächen könnten.
Zu diesen Fragen muss angefügt werden: Während etwa im Tennis oder in der Leichtathletik Frauen und Männer unter gleich guten Bedingungen trainieren können, hinkt in dieser Beziehung der Frauenfussball jenem der Männer um Welten hinterher. Zum Beispiel trainieren noch fast in allen Vereinen Torhüterinnen von Kindesbeinen auf nach den Lehrbüchern für Knaben und Männer, obwohl die Unterschiede in der Sprungkraft und der Rumpfstabilität eklatant sind und eine spezifische Trainingsmethode erfordern. Anpassungen hierzu stecken noch in den Kinderschuhen.
Was ist fairer? Tore bei Frauen verkleinern oder Tore bei Männern vergrössern?
Hayes also schlägt vor, die bestehenden Fussball-Instrumente (Tor, Ball, Spielfeld) dem Frauenkörper anzupassen. In die entgegengesetzte Richtung geht das SRF-Magazin «Einstein». Es bezeichnet die Frauen als die wahren «Heldinnen des Fussballs» – weil sie auf dem gleich grossen Feld wie die Männer viel mehr leisten. Wegen der körperlichen Benachteiligung.
Dabei kommt «Einstein» zum Schluss: «Würde man die Bedingungen anpassen, damit Männer denselben Aufwand betreiben wie Frauen heute, müsste sich fast alles ändern – das Feld wäre deutlich grösser, die Tore höher, der Ball schwerer und selbst die Spielzeit länger. Fussball unter fairen Bedingungen – aber diesmal für Männer.»
Was ist fairer? Das Tor zugunsten des Frauenkörpers zu verkleinern? Oder das Tor zum Nachteil der Männer zu vergrössern? Als im 19. Jahrhundert die bis heute gültige Grösse des Tores, des Balles und des Spielfeldes beschlossen wurden, waren die Männer im Schnitt so gross wie heutzutage die Frauen.
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