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Fussball

Servus, «Kaiser» Franz: Die Fussball-Welt ist um eine Legende ärmer

Franz Beckenbauer war Weltmeister als Spieler und als Trainer. Doch der Mythos der Lichtgestalt litt nach einem Skandal. Ein Rückblick auf das Leben des deutschen Fussball-Kaisers. 
Franz Beckenbauer (r) in Aktion gegen den Niederländer Johan Cruyff beim Fussballweltmeisterschafts-Finale Deutschland gegen die Niederlande. 
Bild: Bild: dpa

Wo Franz Beckenbauer war, da war Licht und Leichtigkeit. Auf dem Fussballplatz umdribbelte der Kaiser die Gegner mit Eleganz. Als Teamchef führte er das im Einheitsstolz schwebende Deutschland 1990 zum WM-Triumph. Das Sommermärchen 2006 war sein Meisterwerk in der dritten Karriere als Geschäftsmann und Funktionär.

Beckenbauer war die «Lichtgestalt», die prägendste Persönlichkeit im deutschen Fussball –und einer der Grössten seiner Zunft auf der Welt. Am Sonntag starb er im Alter von 78 Jahren.

Doch mit dem WM-Skandal kamen Jahre später dunkle Seiten hervor. Der Mythos Beckenbauer wurde beschädigt. Auf das glanzvolle Lebenswerk fielen nach Anschuldigungen um die WM-Vergabe 2006 mit dubiosen Millionenzahlungen Richtung Katar Schatten, die Beckenbauer sehr zusetzten. Ein Vergehen konnte ihm dabei nie nachgewiesen werden.

Die Weltkarriere begann mit einer «Watschn». Die Episode aus Münchner Jugendtagen, als ihn in Giesing Gerhard König von Stadtrivale 1860 München ohrfeigte und der junge Franz deswegen zu den Bayern ging und nicht zu den «Löwen», erzählte auch der alte Franz noch mit dem ihm eigenen Charme.

Mit Deutschland wurde Beckenbauer 1972 Europameister, 1974 Weltmeister und Weltstar. 103 Mal spielte er für die deutsche Nationalmannschaft, 13 Jahre für Bayern München. Nach einem Abstecher zu New York Cosmos kehrte er nach Deutschland zurück, spielte noch einmal für den Hamburger SV und wurde 1984 Nationaltrainer – mit dem WM-Triumph von Rom sechs Jahre später als Krönung.

«Alle Sonntage der Welt sind in mir vereint»

Fast acht Jahrzehnte des zur Lichtgestalt im deutschen Fussball erkorenen Beckenbauer bieten unzähligen Stoff. Ob TV-Dokumentation, Hörfunk-Feature oder Sonderheft – auf allen Kanälen wurde das facettenreiche Leben immer wieder beleuchtet. «Alle Sonntage der Welt sind in mir vereint. Wenn man so ein Leben hat, angefangen aus dem Nichts kommend und dann durch den Fussball die Kurve nach oben zu kriegen...», sinnierte Beckenbauer nach seinem 70. Geburtstag in der ARD.

«Und der Fussball ist dabei auch noch gesellschaftsfähig geworden und hat heute einen Stellenwert, dass sich die höchsten Politiker damit beschäftigen. Und da war ich dabei.»

9. August 2014, Präsident Sepp Blatter (Mitte), Schweiz hat Pele (links), Brasilien und Franz Beckenbauer Deutschland den Jahrhundert Verdienstorden der FIFA verliehen.
Bild: Bild: Imago

Dabei war Beckenbauer immer. Nach seiner Spielerkarriere folgte die Trainerkarriere und dann die Funktionärskarriere. Inmitten der Skandal-Ära von Fifa-Chef Sepp Blatter etablierte sich Beckenbauer im Kreise der mächtigen Strippenzieher und bewies sich als Meister des Geschäfts – erst als deutscher WM-Beschaffer, dann als WM-Wahlmann bei den Vergaben an Russland 2018 und Katar 2022.

Im Garcia-Bericht der Fifa wird Beckenbauer als Kleingeist entlarvt, der sich nicht an der Aufklärung der Skandal-Vergabe beteiligen wollte. Zumindest am Rande der Legalität agierten seine Vertrauten, belegt das Dokument des US-Juristen. Beckenbauer selbst wollte nie etwas gewusst haben. Die Geschäfte machte angeblich erst Manager Robert Schwan, später Schattenmann Fedor Radmann. So auch in der WM-Affäre.

Die dubiosen Überweisungen von umgerechnet 6,7 Millionen Euro zuerst nach Katar an Skandalfunktionär Mohamed bin Hammam und dann über das WM-Organisationskomitee und die Fifa zurück zu Kreditgeber Robert Louis-Dreyfus brachten aber auch Beckenbauer in Bedrängnis, inklusive Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue in der Schweiz.

Vorwürfe um WM-Vergabe nagten an Beckenbauer

Das Verfahren gegen ihn wurde im Sommer 2019 von dem gegen die anderen Beschuldigten abgetrennt. Letztlich verjährte es wie auch das gegen drei enge Wegbegleiter aus der Sommermärchen-Zeit. Ehemalige deutsche Spitzenpolitiker nahmen Beckenbauer im Skandal um die WM 2006 in Schutz.

Krumme Deals, Hinterzimmer-Geschäfte – nein, nicht mit ihm, so lautete die Standardphrase. All das Gerede über Korruption und Bestechung habe ihn vor Jahren nicht interessiert, und heute sowieso nicht, wie er in seinem Interview mit der «Süddeutschen Zeitung» 2015 sagte. Blanko-Unterschriften im Dutzend habe er ausgestellt. Wenn er alle Papiere gelesen hätte, wäre er heute noch beschäftigt, meinte er damals.

Auch abseits des Skandals ging Beckenbauer die grosse Leichtigkeit verloren. Eine grosse Feier wünschte er sich 2020 für seinen 75. Geburtstag nicht. Schon zu seinem runden 70. hatte er es ruhiger angehen lassen. Damals war einen Monat zuvor sein Sohn Stephan gestorben.

Er war eines von fünf Kindern. Beckenbauer heiratete dreimal. Sicher habe er auch die Familie zeitweise vernachlässigt, räumte der Kaiser ein. Vor seinem 65. Geburtstag zog sich Beckenbauer von seinen Ämtern zurück, um mehr Zeit für seine kleinsten Kinder zu haben.

Seine sportliche Familie war der FC Bayern. «Du bist der erste und beste Vertreter des FC Bayern. Wo Du warst, was Du auch machtest: Du hattest den ganz grossen Erfolg», sagte der damalige Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge und nannte ihn «die wichtigste Persönlichkeit des FC Bayern».

Auch andere Weggefährten rühmten Beckenbauer immerzu. «Er ist das grösste Glück des deutschen Fussballs. Es gab keinen Besseren vor ihm und es wird auch kein Besserer nachkommen», würdigte WM-Gefährte Günter Netzer die Verdienste des Alleskönners.

Zwar wird Beckenbauer gerne mit dem auch schon gesagten Satz «Geht’s raus und spielt’s Fussball» zitiert. Wie hart und detailversessen der gelernte Versicherungskaufmann aber arbeitete, wird oft vergessen. «Das Glück kommt nicht zum Fenster hereingeflogen. Du brauchst Fleiss und Durchhaltewillen. Das Glück muss man sich erarbeiten», sagte Beckenbauer gerne. Die Vorwürfe trafen ihn schwer. Nach Südafrika zog er sich auf sein Weingut zurück - weit abseits der Fussball-Welt.

Gesundheitliche Probleme raubten die Leichtfüssigkeit

Das Leben des leichtfüssigen Lebemannes, der gerne in jedes Mikrofon plauderte oder eine Jahreshauptversammlung der Bayern als Alleinunterhalter leiten konnte, war die letzten Jahre schwerer geworden. Aus gesundheitlichen Gründen reiste Beckenbauer nicht zur WM nach Katar. «Ich hatte auf einem Auge einen Augeninfarkt. Rechts sehe ich nichts mehr. Und mit dem Herzen muss ich aufpassen», sagte er damals.

An der Trauerfeier seines Freundes Pelé Anfang 2023 in Brasilien nahm er genauso wenig teil wie am Treffen der einstigen WM-Mannschaft von 1990 wenige Monate später.

Szenen aus dem Leben von Franz Beckenbauer:

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