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Rückblick WM 2006

Rückblick 2006: Der Abgang von Zinédine Zidane

Der WM-Final 2006 stand ganz im Zeichen von Zinédine Zidane. Der Superstar hätte zum Abschluss seiner Karriere nochmals der Held werden sollen, doch dann sorgte ein italienischer Durchschnittsfussballer dafür, dass alles ganz anders kam.

Es sollte der perfekte Abschied werden. Zinédine Zidane hatte die Möglichkeit, in seinem letzten Spiel nochmals Weltmeister zu werden. Seine Karriere mit dem schönsten aller Titel zu beenden und einen Abgang hinzulegen, so elegant wie seine Dribblings und Ballannahmen. Bereits vor der WM hatte der französische Spielmacher bekannt gegeben, dass seine Karriere mit dem Ausscheiden Frankreichs enden würde. Trotz einer schwachen Qualifikation und einer noch schwächeren Vorrunde schied Frankreich nicht aus, nicht gegen Spanien, nicht gegen Brasilien und auch nicht gegen Portugal.

Zidane war im Verlauf des Turniers immer stärker geworden. Die Zweifel an seiner Fitness hatte der damals knapp 34-Jährige längst ausgeräumt, als er am 9. Juli 2006 zu seiner Derniere ins Berliner Olympiastadion einlief. Das Happy-End, das die meisten Fussballfans sehen wollten, schien sich gegen Italien lange Zeit zu realisieren. Schon nach sieben Minuten verwandelte Zidane einen Penalty in Panenka-Manier mit einem Heber ins Zentrum des Tors zum 1:0. Das 1:1 gut zehn Minuten später durch Marco Materazzi war für Frankreich zwar ein Rückschlag, aber spätestens ab Mitte der zweiten Halbzeit dominierte die "Equipe tricolore" wieder.

Das ungleiche Duell zwischen dem Künstler Zidane und dem Abwehrrecken Materazzi hätte zu Beginn der Verlängerung entschieden werden können. Italiens Keeper Gianluigi Buffon lenkte den Kopfball von Zidane aber brillant übers Tor. Wenige Zeit später war es dann vorbei mit der schönen Geschichte von Zidanes Abschied. Der in Marseille geborene französische Fussball-Held zeigte sein anderes Gesicht, das hässliche, das ihm bereits vor dem 9. Juli 2006 13 Rote Karten eingebracht hatte.

Man schrieb die 107. Minute, als Zidane sich plötzlich ruckartig umdrehte, in Richtung Materazzi lief und dem Italiener einen Kopfstoss in die Brust versetzte. Die Zuschauer blickten genauso konsterniert auf den "Tatort" wie der argentinische Schiedsrichter Horacio Elizondo. Was war geschehen? Niemand wusste es mit Gewissheit, doch Zidane sah über zwei Minuten später doch noch die Rote Karte, und Frankreich verlor schliesslich im Penaltyschiessen.

Über die Monate und Jahre kam ein wenig Licht in die Geschichte. Vor allem unmittelbar nach dem Final kursierten aber die wildesten Gerüchte darüber, wieso Zidane ausgerastet war. Zeitungen engagierten Lippenleser, um herauszufinden, was Materazzi unmittelbar vor dem Kopfstoss zu Zidane gesagt hatte. "Terrorist", versicherte ein englisches Boulvardblatt. Andere Medien fragten sich, ob einer aus dem Schiedsrichterquartett das Vergehen wirklich gesehen hatte, oder ob der vierte Offizielle unerlaubterweise auf die TV-Bilder zurückgegriffen hatte.

Die FIFA teilte mit, einer der Schiedsrichter habe die Tätlichkeit gesehen. Später sperrte sie den nun zurückgetretenen Zidane für drei Partien, Materazzi für zwei. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kopfstoss bereits Kultstatus erreicht. In Frankreich wurde der Song "Coup de boule" (Kopfstoss) der Sommerhit des Jahres 2006, und auch in anderen Länder wurde Zidanes letzte Aktion als Profifussballer immer wieder karikiert, etwa in einer Episode der "Simpsons".

Zidanes Popularität hat nicht gelitten. Der zweifache Torschütze im WM-Final 1998 ist in seinem Heimatland weiterhin äusserst beliebt. Für seine Aktion hat er sich halbherzig entschuldigt, allerdings nicht beim italienischen Verteidiger: "Das wäre eine Entehrung für mich, lieber sterbe ich." Materazzi, der den grössten Teil der abgelaufenen Saison auf der Ersatzbank von Inter Mailand verbracht hat, nutzte die Gelegenheit, um ein Buch zu schreiben: "Was ich Zidane wirklich gesagt habe". 249 Beleidigungen sind darin aufgeführt.

Was war also wirklich geschehen? Materazzi hielt Zidane bei einem Spielunterbruch am Trikot zurück, worauf dieser meinte, "wenn du mein Leibchen unbedingt willst, kannst du es nach Spielschluss haben". Der Italiener antwortete: "Ich hätte lieber deine verdammte Schwester." Er bekam schliesslich einen Kopfstoss... und die WM-Trophäe.

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