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RAD-WM

Die Krönung der Karriere: Marlen Reusser fährt im WM-Zeitfahren zu Gold

Im Alter von 34 Jahren wird Marlen Reusser endlich Weltmeisterin. In Ruanda fährt sie im Einzelzeitfahren zum WM-Titel. Es ist die Krönung nicht nur der bislang besten Saison, sondern der ganzen Karriere. Es ist aber auch eine Goldmedaille nach einem Sommer mit gesundheitlichen Rückschlägen.

Die erste Rad-WM in Afrika wurde für die Schweiz auf bestmögliche Art lanciert. Im Einzelzeitfahren der Frauen fuhr Marlen Reusser auf beeindruckende Weise zur Goldmedaille. Und die Bernerin krönte damit nebenbei ihre beeindruckende Karriere. Nach Olympia-Silber (2021), WM-Silber (2020) und -Bronze (2022) im Einzelzeitfahren sowie drei EM-Titeln im Rennen gegen die Uhr fuhr Reusser erstmals zu WM-Gold. Und dies einen Tag nach ihrem 34. Geburtstag und zwei Jahrzehnte nach den beiden bislang einzigen Schweizer WM-Titeln im Frauen-Radsport durch Karin Thürig (Einzelzeitfahren 2004 und 2005)

Endlich ist sie da: Marlen Reusser zeigt ihre erste WM-Goldmedaille.
Bild: IMAGO/Jan De Meuleneir

Die rasante Goldfahrt über die etwas mehr als 30 Kilometer lange Strecke auf dem hügeligen Rundkurs durch Ruandas Hauptstadt Kigali ist das i-Tüpfelchen auf die beste Saison in Reussers Karriere, in welcher sie bereits die Tour de Suisse gewann und beim Giro d'Italia sowie bei der Vuelta auf Platz 2 fuhr.

Und es war irgendwie ein Sieg mit Ansage: Reusser trat als Favoritin an. Auch weil die Weltmeisterin und Olympiasiegerin des letzten Jahres, die Australierin Grace Brown, nicht mehr dabei ist. Aber vor allem, weil Reusser im Einzelzeitfahren in den letzten Jahren eine erstaunliche Konstanz zeigte. Von den letzten 26 Einzelzeitfahren gewann sie 16. Acht weitere Male fuhr sie mindestens auf das Podest.

Doch hinter diesen beeindruckenden Zahlen und ihrer tollen Saison steht auch eine weitere Wahrheit. Und diese macht diesen Triumph von Kigali umso spezieller. Reusser war in diesem Jahr nicht bloss die strahlende Siegerin und Podestfahrerin. Sie war auch eine Athletin, welche immer wieder mit gesundheitlichen Rückschlägen zu kämpfen hatte. Beim Giro d'Italia etwa kämpfte sie während drei Tagen mit einem Durchfallvirus.

Erstes Rennen seit rund zwei Monaten

Danach erlitt sie vor der Tour de France eine Lebensmittelvergiftung und konnte sich tagelang nur mit Zwieback ernähren, wie sie vor wenigen Tagen im Interview mit CH Media verriet. Statt bei der Frankreich-Rundfahrt um den Gesamtsieg zu fahren, stieg sie nach der ersten Etappe aus und bestritt seither, also seit rund zwei Monaten, keine Rennen mehr.

Trotz guten Trainingseinheiten auf dem Berninapass reiste Reusser deshalb nicht in bester Verfassung zu den Titelkämpfen ins afrikanische Hochland auf über 1500 Metern über Meer. Bei vielleicht 95 Prozent sei sie, erklärte sie kürzlich.

Doch dann war sie im WM-Einzelzeitfahren gut genug in Form, um die Konkurrenz regelrecht zu deklassieren. Sie lag bei allen Zwischenzeiten vorne und am Ende fast 52 Sekunden vor der Niederländerin Anna van der Breggen. Deren Landsfrau und diesjährige Vuelta-Siegerin Demi Vollering verlor mehr als eine Minute auf Reusser.

Bergauf Vollgas, bergab Erholung

Hinterher sprach die neue Weltmeisterin von einem «unglaublich harten Rennen». Doch sie hatte offensichtlich die richtige Taktik gewählt. Sie sei «bergauf immer Vollgas gefahren» und habe sich dann in den Abfahrten etwas erholen können, wie sie erklärte. Aufgrund ihrer körperlichen Konstitution habe sie trotz dieser Erholungsphasen «bergab gut Tempo machen» können, so Reusser.

Trotzdem: Der Kurs in Kigali forderte auch Reusser bis aufs Äusserste. Beim Siegerinterview eine Viertelstunde nach der Siegfahrt war sie noch immer ausser Atem, als sie sich bei ihrem Umfeld bedankte und Einblick in ihre Gefühlswelt gewährte. «Das überwiegende Gefühl ist Dankbarkeit, vor allem den Menschen gegenüber, die seit Jahren an mich glauben und mit Herz und Leidenschaft an diesem Projekt mitarbeiten. Wir haben uns das zusammen erarbeitet.»

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