notifications
Eishockey

Peter Guggisberg: Der Sündenbock nimmt bei Ambri einen neuen Anlauf

In Kloten wurde Peter Guggisberg öffentlich gedemütigt, nun sucht er in der Leventina nach seinem Glück.

Es waren Voten, die an Deutlichkeit kaum zu wünschen übrig liessen: «Er war ein Fremdkörper in der Garderobe, kam nie richtig an. Der wurde ja fast gemieden. Als ich die Mannschaft versammelte, kannte ich die Spieler nicht. Aber ich dachte: Wer ist der, der da links aussen neben dem Rest sitzt? Da hiess es: Das ist Guggisberg! Ich wusste, dass ich anschliessend ein Gespräch mit ihm führen musste. Ich sagte von Anfang an: ‹Du bist nicht mehr Teil des Spiels.›»

Diese Worte kamen am 2. Mai aus dem Mund des neuen Präsidenten des EHC Kloten, Hans-Ulrich Lehmann. Lehmann ist keiner, der gerne ein Blatt vor den Mund nimmt. Und Peter Guggisberg war derjenige, den die Verbalattacke des Unternehmers mit voller Wucht traf. Noch selten wurde in der Schweiz ein Spieler derart öffentlich gedemütigt wie der Oberaargauer. «Hör zu, du findest in diesem Lohnsegment keinen Job mehr. Werde vernünftig», hatte ihm Lehmann gesagt und damit mehr oder weniger unverblümt mitgeteilt, dass er zu den Eishockey-Profis mit dem schlechtesten Preisleistungsverhältnis des ganzen Landes gehörte.

Guggisberg war der Sündenbock für das, was in Kloten in all den Jahren der Misswirtschaft falsch gelaufen ist. An ihm sollte das Exempel statuiert werden. An ihm, dem masslos überbezahlten Profi, der den armen Eishockey-Klub mit seinem horrenden Salär ins Elend stürzte.

Es gehörte zu den Übernahmebedingungen von Lehmann, dass Klotens amerikanische Vorbesitzer das dritte und letzte Vertragsjahr des ehemaligen Nationalstürmers, dessen Jahreslohn sich weit jenseits der 500 000-Franken-Marke bewegt haben soll, aus dem eigenen Sack berappten.

Vier Monate später hat Peter Guggisberg dieses wenig erfreuliche Kapitel längst abgeschlossen. Zumindest behauptet er das gegen aussen. Über das, was in Kloten passiert ist, mag er nicht mehr reden. «Das ist für mich abgehakt, ich schaue vorwärts. Es bleibt mir ja nichts anderes übrig. Ich bin nicht nachtragend», sagt er und relativiert das, was ihm widerfahren ist: «Ich bin nicht der Erste und der Letzte, der so etwas erlebt hat.

Das gehört zur Sportwelt. Und es ist auch in der normalen Arbeitswelt nicht anders. Auch da kann man von einem Tag auf den anderen die Kündigung erhalten. Das ist kein Weltuntergang.»

Und doch war der Zeitpunkt der Entlassung für den Stürmer, der in Langnau das Einmaleins des Eishockeys erlernte und in Davos unter Arno Del Curto zu einem der besten Schweizer Spieler reifte, ehe ihn mehrere Kreuzbandrisse bremsten, alles andere als günstig. Im Mai hatten die meisten Klubs ihre Kaderplanung im Hinblick auf die neue Saison abgeschlossen.

Guggisberg sagt zwar, dass er mehrere Angebote gehabt hätte. Doch am Ende unterschrieb er beim HC Ambri-Piotta. «Bei Ambri habe ich gespürt, dass sie sich wirklich um mich bemühen. Ich merkte, dass sie Freude hätten, wenn ich kommen würde. Und mich zog es wieder zu einem Dorfklub», erzählt er und schwärmt gleichzeitig von der familiären Atmosphäre in der Leventina.

«Schon allein die Mannschaftsvorstellung war eindrücklich. An anderen Orten kommen vielleicht ein paar hundert Leute. In Ambri kamen ein paar tausend. Ich freue mich darauf, die ganze Eishockey-Kultur richtig zu erleben.» Gestern stand für ihn das erste Derby gegen den HC Lugano auf dem Programm.

Mit Händen und Füssen

Im Dörfchen Ambri selber, wo Guggisberg eine Wohnung bezogen hat, fühlt er, der oft ein wenig unfassbar und distanziert wirkt, sich bereits wie zu Hause. «Ich bin auf dem Land aufgewachsen, bin nicht so der Stadt-Mensch.

Darum ist es für mich kein Problem, in einem kleinen Dorf zu wohnen. Die Leute sind extrem freundlich. Mit der Sprache ist es momentan zwar noch etwas schwierig, aber mit Händen und Füssen funktioniert die Verständigung», erzählt er lächelnd über seine derzeit noch mangelhaften Italienischkenntnisse.

Die Sprache, die in der Leventina alle verstehen, ist jene mit den Skorerpunkten auf dem Eis. Von Peter Guggisberg wird in Ambri erwartet, dass er zu den Leistungsträgern gehört. In Kloten kam er mit dieser Rolle nur bedingt zurecht. Im Tessin soll sich das ändern: «Ich habe grosse Erwartungen an mich selber, nicht nur die Leute an mich», sagt er mit Nachdruck. Und irgendwie drückt da auch ein bisschen der Wunsch durch, es all seinen Kritikern zu zeigen. Besonders dem einen in Kloten.

Kommentare (0)