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Sport

Nina Christen: «Dieser Sieg ist ein Quantensprung»

Nina Christen aus Wolfenschiessen holte sich vor zehn Tagen in New Delhi im Dreistellungsmatch über 50 Meter den ersten Weltcup-Sieg. Es ist ein Meilenstein für die 24-Jährige auf dem Weg zu einer Olympia-Medaille.
Treffsicher in Indien: Nina Christen aus Wolfenschiessen. (Bild: Burhaan Kinu/Hindustan Times/Getty (Neu-Delhi, 26. Februar)

Roland Bucher

Es war ein spektakulärer Auftritt der 24-jährigen Nidwaldnerin in der Königsdisziplin in New Dehli, der Hauptstadt Indiens: Am Schluss lag sie, die mit 457,1 Punkten einmal mehr ein absolutes Spitzenresultat erzielt hatte, exakt 0,5 Zähler vor der Chinesin Shi Memgyao. «Es ist eng geworden», fasste Nina Christen den Wettkampf zusammen, «aber ich war mental stark.» So stark eben, dass der erste Weltcup-Sieg in Stein gemeisselt wurde und die Olympia-Sechste von 2016 in Rio de Janeiro ohne Umschweife betonte: «Dieser Sieg ist ein Quantensprung und mein bisheriger Karrierehöhepunkt. Ich habe nun die Gewissheit, dass ich nicht nur mit der Spitze mithalten kann, sondern einen solchen Wettkampf auch gewinnen kann.»

Der Weg zum grossen Triumph war lang, sehr lang sogar. 120 Schüsse in 2:45 Stunden – kniend, liegend, stehend. Zu viele Abweicher vom Scheibenzentrum liegen nicht drin: «Es ist eine immense Konzentrationsaufgabe», erzählt Nina Christen, «du spürst vielleicht, wie die Schützin neben dir Emotionen zeigt, aber den grössten Kampf trägst du mit dir selber aus.» Und diesen Kampf gewann sie nicht zuletzt dank eines Mannes, der in der Sportpsychologie hohes Ansehen geniesst: «Rund vier Wochen vor wichtigen Wettkämpfen ist mein Mental-coach Jörg Wetzel meine wichtigste Bezugsperson», erklärt die Schweizer Rekordhalterin in dieser anspruchsvollen Disziplin.

Profistatus beimMilitär

Bleibt die Frage: Was macht denn diese Zusammenarbeit so fruchtbar? «Ich versuche, in einfachen Worten zu umschreiben, was er mir beibringt: Wenn ich glaube, das schaffe ich nicht, dann arbeitet er mit mir so lange und so hartnäckig, bis ich spüre: Doch, das kann ich.» Die restliche Zeit ihres rund 25 Stunden umfassenden Trainingsaufwandes in der Woche verbringt die junge Schützin zu einem wesentlichen Teil im Schiessstand, oder aber im Kraftkeller, wo die Durchschlagskraft für die fast dreistündigen Mammuteinsätze gehantelt wird. Nina Christen begann 2016 ein Studium in Biologie, sistierte es indes, setzt nun als Profi voll auf die Karte Tokio 2020:


«Nach diesem Sieg in New Delhi sind meine Ansprüche gestiegen. Ich will bei den Olympischen Spielen in Japan in die Medaillenränge vorstossen.»

Möglich macht diese ambitiöse Vorgabe das Militär, wo sie – mit dem sportlichen Stützpunkt Magglingen – zu 100 Prozent als Spitzensportlerin angestellt ist. Die Entlöhnung beträgt zwar nur 50 Prozent, die Infrastruktur ist indes umso perfekter. Und darben muss Nina Christen in finanzieller Hinsicht kaum: Wer in diesem Metier mit derart starken und überzeugenden Argumenten um Sponsorenfranken kämpft, der kommt durchaus auf eine Rechnung, die einen ordentlichen Alltag erlaubt. «Ich führe ein gutes Leben», sagt die Topschützin denn auch klipp und klar.

«Daran glauben, es zu schaffen, wenn man etwas anpackt», lautet ihre Lebensweisheit, vor allem aber auch: «Nicht nur davon reden und träumen, sondern mir diese Leistungen auch zutrauen.» Nina Christen war schon früh ein sportlicher Springinsfeld – tanzte, kletterte. Was sie, in einem gemässigten Rahmen, auch heute noch im Urner Rophaien-Gebirge tut: «Zwei Stunden ab Riemenstalden bergauf, zwei Stunden abwärts – da kann ich wunderbar meinen Kopf durchlüften.»

Schon früh grosses Talent gezeigt

Doch die Wege zusammen mit ihren Eltern führten schon bald einmal in die Stanser Schützenanlage Eichli. «Mit elf Jahren durfte ich erstmals mit, für mich war es von Beginn weg ein mega cooler Sport.» Mit 14 Jahren hatte sie Korn und Visier sowie die Nervenstränge bereits dermassen gut im Griff, dass ihr schon früh prophezeit wurde: «Du hast Talent, und du hast alle Möglichkeiten für eine grosse Karriere.»

Fast genau zehn Jahre später hat Nina Christen im fernen Indien geerntet, wofür sie Jahr für Jahr Fleiss und Disziplin in die Waagschale geworfen hat. «Es hat sich gelohnt», sagt sie mit Genugtuung. Die nächste Wegkreuzung auf dem Weg an die Olympischen Sommerspiele 2020 liegt in Kroatien, wo in zwei Wochen die Europameisterschaften mit dem Luftgewehr stattfinden. Dann wird die Nidwaldnerin an mehreren Wettkämpfen ihre Favoritenrolle zu verteidigen haben, die sie im Kampf um ein Ticket nach Tokio einnimmt. «Ich habe ein gutes Gefühl», sagt Nina Christen, sie blicke der EM gelassen entgegen.

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