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Sport

Neustart für gefallenen Star: Warum ein schwedischer Topspieler zu Ad Astra Sarnen wechselt

Mit Alexander Rudd verpflichtet der Obwaldner Unihockey-Verein und Punktelieferant Ad Astra Sarnen einen schwedischen Doppelweltmeister und Spektakelspieler. Zuletzt sorgte Rudd in Schweden neben dem Platz für Schlagzeilen.
«Für mich ist der Transfer nach Sarnen ein Neustart – persönlich und sportlich»: Mit Alexander Rudd kommt ein dreifacher schwedischer Meister in die Schweiz. (Bild: Pius Amrein
(23. August 2021))

David Grob

Es war ein kleines Erdbeben, das die Schweizer Unihockeywelt Anfang August erschütterte. Am 3. August wurde bestätigt, was während Wochen ein Gerücht war: Alexander Rudd, zweifacher Weltmeister, dreifacher schwedischer Meister, 2020 als zweitbester Spieler der Welt gewählt – zweifelsohne einer der spektakulärsten Spieler der Welt – wechselt in die Schweiz. Und nicht etwa zu einem Schweizer Topverein, wie etwa Seriensieger Wiler-Ersigen, Schweizer Meister Floorball Köniz oder GC Unihockey – nein, zum Obwaldner Verein Ad Astra Sarnen. Schlusslicht, Punktelieferant, Abstiegskandidat.

Rudds Transfer ist, als ob Cristiano Ronaldo zum FC Sion wechseln würde.

Fast bemerkenswerter sind aber die lauten Nebengeräusche, die den Transfer begleiten: Rudd soll in der schwedischen Stadt Uppsala Teil eines Drogenhändlerrings gewesen sein, schreiben SRF und das Schweizer Szenemagazin «unihockey.ch». Der «Blick» titelt in grossen Lettern: «Riesen-Wirbel in der Schweizer Unihockey-Szene!»

Ein schwedischer Nationalspieler als Teil einer kriminellen Organisation? Was steckt hinter dieser Geschichte?

Verurteilt wegen Drogendelikten und Trunkenheit am Steuer

Wir treffen Alexander Rudd und Ad-Astra-Präsident André Küchler in der Geschäftsstelle des Vereins im Zentrum von Sarnen. Seit Anfang Juli ist Rudd in der Schweiz. Zurzeit lebt er in einer Wohnung in Luzern, bald zieht er nach Sarnen in eine WG mit zwei anderen schwedischen Verstärkungsspielern. Er trainiert viermal die Woche mit dem Team und hat bereits erste Testspiele absolviert. Jetzt sitzt er im Sitzungszimmer und spricht über die Geschehnisse, die zum Transfer geführt haben. Vieles, was über ihn berichtet werde, sei falsch, sagt Rudd.

«Nichts als Gerüchte.»

Fakt ist: Rudd wurde Ende Juli in Schweden erstinstanzlich wegen Trunkenheit am Steuer und geringfügiger Drogendelikte verurteilt. Im Herbst 2017 geriet Rudd mit 0,44 Promille Alkohol im Blut in eine Polizeikontrolle. In Schweden liegt die erlaubte Grenze bei 0,2 Promille. Ebenso blieb er im Herbst 2020 in einer Drogenkontrolle hängen. Nach der Analyse der Blutprobe wurde er erst freigesprochen – und vor kurzem nun doch verurteilt.

Rudd wurde zum Verhängnis, dass er ein Medikament gegen Kopfschmerzen infolge einer Gehirnerschütterung eingenommen hat. Ein Medikament, das mittlerweile auf einer Liste illegaler Substanzen ist und als Droge gilt. Gekauft hat er dieses offenbar über eine Online-Plattform. «Das Medikament war beim erstmaligen Bezug legal», sagt Rudd.

«Hätte ich gewusst, dass das Medikament illegal ist, hätte ich es nicht eingenommen.»

Brisant sind insbesondere auch die Umstände der Verurteilung. Diese erfolgten im Rahmen der Aktion «Kriställhärvan», eines gross angelegten Prozesses der schwedischen Justiz gegen die organisierte Kriminalität. 58 Personen standen vor dem Bezirksgericht in Uppsala – einer davon eben auch Rudd –, der Prozess zog sich über vierzig Verhandlungstage, die Urteilsverkündung war 600 Seiten dick. Rudds einzige Verbindung zu den Mitbeschuldigten: Die Online-Plattform, über die die Zahlung für die Schmerzmittel abgewickelt wurde.

Die Anklagepunkte gegen die Hauptbeschuldigten: Drogenhandel, Verstösse gegen das Waffengesetz, Geldwäsche. Auch sollen die Haupttäter Angriffe auf die Polizei geplant haben. Ende Juli wurden die Urteile gesprochen. Die Hauptbeschuldigten müssen zwischen sieben und acht Jahre hinter Gitter. Zur Relation: Rudd wurde zu 75 Stunden gemeinnütziger Arbeit auf Bewährung verurteilt, von den vierzig Prozesstage stand Rudd gerade mal eine Stunde vor Gericht. Er beteuert seine Unschuld. Seine Anwälte haben Berufung eingelegt, das Urteil ist somit noch nicht rechtskräftig.

In gewissen Medienberichten war ebenfalls von Waffenhandel die Rede – nur: Dafür wurde er nie angeklagt. Rudd geht gerichtlich gegen solche Behauptungen vor.

Ein Transfer in die Unihockeyprovinz als Neustart

Rudds Transfer in die Schweiz ist auch eine Flucht. Eine Flucht vor den Gerüchten und vor den Schlagzeilen. «Ich bin die Berichterstattung leid. Es ist verrückt: Liest man die Zeitungen, klingt es, als ob ich ein Schwerverbrecher bin. Mir ging es aufgrund des Prozesses und der Berichterstattung oft nicht gut. Für mich als Person gilt es nun, mich wieder besser zu fühlen.»

Rudd hat vieles verloren. Sein Ex-Club Storvreta, mit dem er dreimal schwedischer Meister wurde, hat sich gegen aussen zumindest bis zum Urteil von ihm distanziert. Ebenso ist er nicht mehr im Stammkader des schwedischen Nationalteams. Rudd rechnet nicht mehr mit einem Aufgebot für die Weltmeisterschaften im Dezember in Helsinki. «Es schmerzt. Die Absage wäre einfacher gewesen zu akzeptieren, wenn sie aufgrund meiner sportlichen Leistungen erfolgt wäre», sagt der 29-Jährige, der seit rund zehn Jahren dem Kader angehört.

«Einer, der seine Mitspieler besser macht»

Oscar Lundin kennt sowohl Rudd als auch das Schweizer Unihockey bestens. Der Schwede war die vergangenen zwei Jahre Rudds Trainer in Storvreta, stand zuvor drei Jahre an der Bande des Schweizer Clubs Alligator Malans und verbessert als sogenannter Skills-Coach die Technik der Schweizer Nationalspieler. Für ihn ist Rudds Transfer eine grosse Chance für Sarnen und fürs Schweizer Unihockey.

«Rudd ist ein Spieler, der stets für Spektakel auf dem Platz sorgt. Und ein Spieler, der seine Mitspieler besser macht. Es wird sehr interessant fürs Publikum.»