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Tour de France

Mission Attacke – oder warum sich die Ausnahmetalente keine Schwäche gönnen

Jonas Vingegaard und Tadej Pogacar dominieren die Tour de France wie erwartet. Nach den ersten Etappen ist völlig offen, wer am Ende als Sieger der Frankreichrundfahrt hervorgeht. Spektakel ist garantiert.
Liefern sich ein episches Duell: Jonas Vingegaard (l.) und Tadej Pogacar.
Bild: www.imago-images.de

Beim Team Jumbo-Visma war der Champagner schon fast kalt gestellt. Beim ersten richtigen Bergduell am Mittwoch stellte der eigene Captain Jonas Vingegaard den Herausforderer Tadej Pogacar in den Schatten. Mehr als eine Minute nahm der Tour-de-France-Sieger des letzten Jahres dem Gewinner der Ausgaben von 2020 und 2021 ab. «Und tags darauf wollten wir es wieder versuchen. Pogacar wirkte angeschlagen. Die ersten langen Berge waren gut geeignet für Jonas», fasste Sepp Kuss, Helfer des Titelverteidigers, gegenüber dieser Zeitung den Matchplan der Gelbschwarzen zusammen.

Der Plan schien aufzugehen. Pogacar geriet tatsächlich an den Rand seiner Kräfte. «Jumbo legte am Tourmalet ein so hohes Tempo vor, dass ich dachte, das Szenario vom Vortag wiederholt sich», gab der Slowene danach zu. Vor allem der US-Amerikaner Kuss heizte der Konkurrenz ein. Immer kleiner wurde die Gruppe der Favoriten, bevor es dann der Chef selbst versuchte. Vingegaard setzte sich ab. Doch dieses Mal ging Pogacar mit. Anfangs versuchte auch der Mann in Gelb, Jai Hindley vom Rennstall Bora hansgrohe, das Tempo der Besten mitzugehen. Schnell aber erkannte er, dass das doch eine Nummer zu gross war, und liess sich in die kleine Gruppe der Rivalen um den dritten Podestplatz an der Tour zurückfallen.

Am Sonntag kommt es zum nächsten Duell der beiden

Und als alle nur noch darauf warteten, wann Vingegaard seinem Rivalen den Gnadenstoss versetzen würde, geschah genau das nicht. Sondern Pogacar war es, der plötzlich antrat und Zeit gut machte auf Vingegaard. «Überrascht hat uns das nicht. Wir wussten, dass wir Pogacar nicht abschreiben dürfen. Aber nach der 5. Etappe hatten wir gedacht, wir müssen es wieder probieren. Denn wenn er noch einmal einen solch schwachen Tag hat, dann können wir ihm viel Zeit abnehmen. Am Ende aber hat er die Oberhand be­halten und wir müssen damit ­leben», blickte Jumbos Sportlicher Leiter Grischa Niermann zurück.

Vingegaard eroberte zwar Gelb. Aber Pogacar glückte mit seinem Tagessieg eine kleine Wiederauferstehung. Diese Dramatik stellt sogar die Tour 2022 in den Schatten, als beide das erste Mal in Frankreich auf dem gleichen Leistungsniveau aufeinandertrafen. Damals erholte sich der Slowene jedoch nicht von einer Niederlage, die ihm Vingegaard am Col du Granon zugefügt hatte.

Bei dieser Tour de France kippte das Momentum bisher immer hin und her. Im Baskenland schien Pogacar stärker, ­holte sich dort vor allem wertvolle Bonussekunden. Dann schlug in den Pyrenäen erst die Stunde von Vingegaard, bevor der Slowene sich wieder zurückmeldete. «Beide sind etwa gleich stark.

Die Tagesform entscheidet

Nur die Tagesform und besondere Umstände entscheiden, wer von beiden der Beste ist», musste auch Mauro Gianetti, Teamchef von Pogacar, zugeben. Bisher galt sein Schützling als der Topfahrer seiner Generation. Jetzt hat er, zum grossen Glück für die Spannung des ­Rennens, einen ebenbürtigen Rivalen. Das nächste grosse Duell der beiden wird am Sonntag am Puy de Dome erwartet. In jener Berg-Arena, in der Raymond Poulidor, der «ewige Tour-Zweite», vor 59 Jahren seine beste Chance verpasste, dem grossen Rivalen Jacques Anquetil den Toursieg streitig zu machen.

Am Samstag könnte es eine Sache für die Ausreisser werden, oder, wenn es wieder zum Sprint kommt, eine Angelegenheit für Jasper Philipsen. Der Belgier hat am Freitag bereits zum dritten Mal an der diesjährigen Tour im Sprint gewonnen. Diesmal vor dem britischen Altmeister Mark Cavendish.

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