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EM-Begegnungen

«Mir gönd uf Berlin!» – die Liebe muss pausieren

Nach dem Grenzübertritt bei Chiasso fühlt sich unser Leben gleich anders an. Italia! Doch die Liebe für Land und Leute muss am Samstag ruhen.
Italien, hier mit der Hauptstadt Rom, ist ein Sehnsuchtsort.
Bild: Bild: Pixabay

Das erste Mal am Meer? Natürlich in Italien. Seither immer wieder. Wobei die Mautstellen bis heute nerven. Die schönste Stadt der Welt? Obschon total übervölkert: «Grazie Roma». Antonello Vendittis gleichnamiger Song ist sogleich im Kopf. Und ultimativer Fussball-Tempel das Mailänder San Siro.

Was ich damit sagen möchte? Dass sich das Leben nach dem Grenzübertritt bei Chiasso einfach anders anfühlt. Ein bisschen dolce vita fare niente ist das, und nachmittags kommt jeweils die Siesta. Ja, Italien, zwar längst etwas abgehängt, hat in mir immer eine Sehnsucht ausgelöst.

Allein schon das Klima, die Strände, die Mode. Das Essen mit Spaghetti oder Pizza, das Trinken, vorzugsweise gekühlter Rotwein oder Chinotto. Dann Calimero, Don Camillo und Peppone, Bud Spencer und Terence Hill. Und Napoli mit Maradona. Nicht zuletzt die schönen Mädchen, le belle ragazze. Ich musste die Sprache lernen.

Das kam auch, weil bei unserer Junioren-Fussballmannschaft mindestens zehn Buben aus dem Belpaese stammten. Und meinten, ihnen gehöre die Welt, auch jene der Schiedsrichter. Marco, Orazio, Giuseppe, Carmine, Paolo, Sandro, Marcello, und wie sie alle hiessen. Dazu Gaetano, ein Hitzkopf an der Seitenlinie, der sich immer benachteiligt fühlte. Orazio ging mit mir auch in die Schule, er konnte kein Wort Deutsch, hatte einen Silberzahn und täglich eine neue Digitaluhr. Das Spiel mit dem Ball verband. Und im Sommer waren alle, Paolo, Giuseppe oder Carmine, fünf Wochen weg. Der Start in die neue Saison missriet immer. Und irgendwann kam Orazio gar nicht mehr und blieb im Mezzogiorno.

1994 nahm mich «Ciccio» (Marco) mit nach Sizilien. Drei Wochen. Natürlich fuhren wir mit einem Lancia Delta, er war ziemlich alt, hatte aber schon einen halben Tempomaten, indem man einen Hebel zu sich zog. Im Auto rauchten alle. Kaum an Como vorbei, musste Vasco Rossi gespielt werden, die Fahrt war einmalig. Einmalig weit. Ich genoss la Famiglia und Giardini Naxos, Gespräche auf der Piazza. Doch dann kam der WM-Final, und Röbi Baggio verschoss den letzten Penalty. Ich half Brasilien, «Ciccio» konnte das nicht verstehen, und ich heute auch nicht mehr. Stronzo! Was wäre das für ein Fest geworden. Keine Nation leidet spektakulärer!

Als die Squadra Azzurra 2006 dann tatsächlich Weltmeister wurde, war das unerträglich und ein jeder in meinem Umfeld ein kleiner Del Piero. Wie oft habe ich das «Andiamo a Berlino!» gehört, Mamma mia. Aber eben, einmal Italien, immer Italien. Nur nicht an diesem Samstag. «Mir gönd uf Berlin!»

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