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Kolumne

Ja, Du hast Recht, Freunde habe ich im Hockey auch nach 40 Jahren keine

Marc Lüthi übergab am 1. September sein Amt an Raeto Raffainer. Während seiner Zeit als SCB-Geschäftsführer erhielt Lüthi immer wieder «offene Briefe» von Klaus Zaugg. Zum Abschied hat Lüthi Zaugg geschrieben. Nun antwortet der Kolumnist auf die Zeilen des SCB-Alphatiers.

Marc Lüthi wechselt als Geschäftsführer in den Verwaltungsrat des SC Bern.
Bild: Keystone

Lieber Marc

Für die ein wenig verspätete Antwort bitte ich Dich um Entschuldigung. Ich war nicht saumselig. Du hast mich bloss auf dem falschen Fuss erwischt. Abschied von der grossen Bühne? Das darf, das kann doch nicht sein. Du würdest mir wahrlich mehr fehlen als ich Dir: Führungspersönlichkeiten, die austeilen aber eben auch einstecken können, die etwas geleistet haben und darüber hinaus verstehen, dass der grosse Sport der Unterhaltung und Erbauung des Publikums dient, sind selten geworden. Ich habe mich deshalb – wie es die Pflicht eines Chronisten ist – erst einmal eingehend erkundigt, ob sein kann, was nicht sein darf: Ein SCB ohne Marc Lüthi. Deshalb bin ich zum ersten SCB-Heimspiel gefahren.

Nun bin ich beruhigt: Du bleibst. Ja, Du wirst noch lange Jahre den SCB mit Deinem Wesen und Wirken prägen. Ganz besonders hat mir die zu Deiner Ehre abgehaltene Zeremonie vor dem Spiel gegen Zug gefallen. Der Fahnenaufzug mit Marschmusik. Sozusagen ein grosser Zapfenstreich. Eine Ehre, die sonst nur Verteidigungsministern oder Generälen bei ihrem Abschied vom Dienst erwiesen wird. Und weil Du eine hochverdiente Auszeichnung bekommen hast, die sonst Spielern vorbehalten ist - der Aufzug eines Banners mit Namen unters Hallendach – bin ich erst recht froh: Stars kommen und gehen, die Autorität von Marc Lüthi beim SCB aber bleibt bestehen. Ach, das ist wunderbar: Einerseits, weil es eine Ehre ist, die Dir gebührt und andererseits, weil der in dieser Form noch nie zelebrierte Personenkult aufs allereindrücklichste zeigt: Die Kultur der Eitelkeit in der SCB-Führungsetage ist lebendig wie eh und je. Und das war schon immer der Sauerstoff für gute Unterhaltung.

Ja, Du hast Recht, Freunde habe ich im Hockey auch nach 40 Jahren keine. Aber wie Du richtig erkannt hast: Ich suche die Harmonie nicht im Hockey. Es geht mir, auch da hast Du recht, um die Story. Wenn ich geliebt werde, nützt es mir im Hockey nichts. Ich habe mehr davon, wenn ich gelesen werde und wenn ich ab und an boshaft bin, so bitte ich um Nachsicht. Es ist für mich viel schwieriger als Du denkst, den Mittelweg zwischen Diplomatie und Polemik zu finden. Unter uns Pfarrerstöchtern: Ich bin seinerzeit bei der Aufnahmeprüfung zum diplomatischen Dienst durchgefallen und später bei einem Boulevard-Medium wegen Nichteignung für Polemik auf die Strasse gestellt worden. Aber schon Oscar Wilde und Ernest Hemingway hatten es im Leben nicht immer leicht.

Ich freue mich, dass Du dem SCB nun als Präsident in einer noch wichtigeren Position als zuvor als Manager erhalten bleibst. Ich erlaube mir eine boshafte Vermutung: Du hast Dich mit der schlauen Absicht bei mir verabschiedet, um mich glauben zu lassen, dass Du beim SCB keine Rolle mehr spielst. Ich wünsche Dir gesundheitlich, privat und geschäftlich Wohlergehen und verspreche, dass ich von nun an die boshafte Formulierung unterlassen werde, Du seist der «Obermanager» und Raëto Raffainer bloss der «Untermanager». Und da Du ja auch Gotthelf magst, schliesse ich mit einem Gotthelf-Zitat:

«Wirklich selbstherrlich ist nur unser Herrgott. Selbst ein selbstherrlicher Bauer ist oft nur Marionette oder Gliedermannli von schlauen, gewandten Dienstboten und Hudilumpern, welche die Drähte zu regieren und die Stimme zu verstellen wissen.» Nüt für Unguet.

Mit vorzüglicher Hochachtung

P.s. Die Wette gilt! Falls der SCB die Qualifikation tatsächlich auf Rang 5 oder noch weiter vorne beendet, rasiere ich meinen Bart. Wobei ich es nach den ersten Eindrücken nicht ganz ausschliesse, dass bei dir ein Playoff-Bart spriessen wird…

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