Giulia Gwinn hinten in der Mitte, Janina Minge gleich daneben, Klara Bühl in Reihe zwei ganz rechts. Die Aufstellung zum offiziellen EM-Mannschaftsfoto am Dienstagvormittag in der Hitze des Zürcher Sportzentrums Buchlern erschien eher willkürlich. Die neue Hierarchie bei den deutschen Fussballerinnen hat sich dagegen ganz nach Plan entwickelt - und sorgt rechtzeitig vor dem EURO-Auftakt des Rekordeuropameisters am Freitag (21.00 Uhr) in St. Gallen gegen Polen für Zuversicht.
Zur Frontfrau in der Ära nach Alexandra Popp ist Kapitänin Gwinn aufgestiegen. Bekannt und beliebt ist die Rechtsverteidigerin vom FC Bayern schon lange, dazu eine eiskalte Elfmeterschützin. In ihrer Führungsrolle setzt sie dabei auf einen ganz anderen Führungsstil als ihre Vorgängerin. Ruhiger, aber nicht weniger präsent, kommunikativ und empathisch. Dass sie Sara Däbritz bei der Aufstellung zum Foto liebevoll den Zopf richtete, passt perfekt ins Bild.
«Ich interpretiere die Rolle etwas anders, weil das mehr meinem Typ entspricht. Ich möchte mich als Person nicht verändern müssen, nur weil ich Kapitänin bin», sagte Gwinn, die am Mittwoch ihren 26. Geburtstag feiert, der Sports Illustrated. «Ich muss nicht auf dem Platz rumschreien, das wäre nicht authentisch.»
Im Team kommt das gut an, wie nicht nur Gwinns Stellvertreterin berichtet. «Sie will, dass sich alle Spielerinnen wohlfühlen, dass keine Ängste bestehen. Das ist eine Qualität, die ‹Dschuli› extrem ausmacht», erklärte Vize-Kapitänin Minge vom VfL Wolfsburg, die selbst auf der Position neben Gwinn in der Abwehrzentrale eine Schlüsselrolle einnimmt in der neuen, flacheren Hierarchie.
Bundestrainer Christian Wück ist zuversichtlich
Bundestrainer Christian Wück schätzt das Duo für seinen umsichtigen Führungsstil: «Es sind nicht die lauten Worte, es sind die kleinen Gesten, die mir schon auffallen. Es ist imposant, wie auch damit Einfluss genommen werden kann.» Es werde zwar «keine zweite Alex Popp» mehr geben, sagte er dem SID, «aber wir werden es auf mehrere Schultern verteilen».
Im Mittelfeld steht Sjoeke Nüsken für die Generation, die durch den Umbruch nach Olympia-Bronze im vergangenen Sommer eine noch grössere Rolle spielt. Die 24-Jährige vom FC Chelsea setzt im Zentrum mit ihrer Übersicht verstärkt Impulse im Aufbauspiel.Verantwortung wird unter den Frauen aufgeteilt
Weil die EM für Lena Oberdorf nach einem Kreuzbandriss noch zu früh kommt, ist Nüsken an der Seite von Elisa Senss ohnehin mehr in der Verantwortung. «Ich möchte eine Führungspersönlichkeit auf dem Platz werden», lautet Nüskens klares Ziel.
Ähnliche Ansprüche formuliert eine Leistungsträgerin vom Format Unterschiedsspielerin. Bühl sagt von sich selbst, sie wolle «die Mannschaft vor allem mit meinen Aktionen und meiner Dynamik mitreissen, Verantwortung übernehmen, mich niemals verstecken».
Bayern-Spielerin Bühl will den Jüngeren helfen
Zu übersehen ist die Flügelspielerin von Bayern München dank ihrer fussballerischen Klasse ohnehin nicht. Bei diesem Turnier hat sich die 24-Jährige vorgenommen, den nächsten Schritt zu machen und dabei die Jüngeren an die Hand nehmen.
«Ich möchte das Spiel an mich reissen, weil ich das Gefühl habe, dass ich dann der Mannschaft am meisten bringe», sagte Bühl dem SID. «Und mit meiner Erfahrung versuche ich, gerade den Jüngeren Tipps zu geben, das war für mich immer Gold wert.»
Immensen Wert hat auch die Älteste im Team: Torhüterin Ann-Katrin Berger bewies als Elfmeterheldin bei Olympia, welche Qualitäten in ihr stecken. Was Deutschlands Fussballerin des Jahres vom US-Klub Gotham FC mental so stark macht? «Ich muss ehrlich sagen, Druck verspüre ich nicht», sagte die 34-Jährige lapidar: «Es ist grundsätzlich ein Fussballspiel, einer gewinnt und einer verliert.»
Kommentare
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien, die Kommentare werden von uns moderiert.
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben.