Nach der Zieleinfahrt sind die eritreischen Fans nicht mehr zu halten: Sie belagern den Sieger des Tages Biniam Girmay. Der Eritreer triumphiert nach 173,7 Kilometer von Beromünster nach Nottwil. Er lässt mit dem Franzosen Arnaud Démare und dem Belgier Wout van Aert namhafte Konkurrenz hinter sich. Derweil bleibt der Thurgauer Stefan Küng nach seinem Sieg im Zeitfahren zum Auftakt weiter im gelben Leadertrikot. Fünf Sekunden dahinter folgt der Belgier Remco Evenepoel.
Der Etappensieger Girmay zeigte sich verblüfft über seinen Erfolg. «Ich war überrascht, als ich über die Ziellinie gefahren bin», sagt er im Siegerinterview. «Aber es ist wunderbar. Dieser Sieg bedeutet mir viel.»
Mit dem Etappensieg schreibt Girmay weiterhin an der Sportgeschichte seines Landes. Nun ist er der erste Eritreer, der bei der Tour de Suisse eine Etappe gewinnt. In seiner Heimat gilt er längst als Volksheld. Im letzten Jahr gewinnt er mit Gent-Wevelgem als erster Eritreer einen Klassiker und löst damit eine Euphorie aus. Der Stellenwert des Radsports ist in Eritrea riesig, vielleicht ist es das einzigen Land der Welt, in dem der Radsport Sportart Nummer 1 ist. «Ich will ein Beispiel für alle Afrikaner sein», sagte Girmay damals.
Einige Monate später gewinnt er eine Etappe des Giro d’Italia. Die Geschichte seines bisher grössten Erfolgs ist derweil auch eine tragische. Nach seinem Etappensieg beim Giro verletzt sich Girmay bei der Siegerehrung, als er sich den Korken der Prosecco-Flasche versehentlich ins linke Auge geschossen hatte. Danach muss er den Giro verletzt abbrechen.
Er will einfach ein Rennfahrer sein
Kaum im Ziel in Nottwil angekommen, wird Girmay von Fans in die Landesflagge eingekleidet. Dabei ist auch von aussen zu sehen, dass ihm diese Aufmerksamkeit etwas unwohl ist. Wie er dem «Tour-Magazin» verriet, vermeidet er es in seiner Heimat auf die Strasse zu gehen: «Ich mag keine Menschenmassen, oder wenn sich alle auf mich stürzen», sagt Girmay. Auch mit der Nationalflagge möchte der eritreische Volksheld nicht zu häufig auftreten.
So hat er sich einmal bei einer Fotosessions geweigert, mit der Flagge seines Landes zu posieren. «Würde man das von van Aert verlangen?», fragte er. «Ich denke, es ist unnötig, mich mit meinem Land in Verbindung zu bringen. Jeder weiss, woher ich komme. Ich möchte nicht mehr auf meine Herkunft reduziert werden. Ich will jetzt ein Rennfahrer sein wie jeder andere.» Dieser gewöhnliche Fahrer ist jetzt auch Sieger einer Etappe bei der Tour de Suisse.
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