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Handball

Ende schlecht, alles gut: Die Schweizer Handballer qualifizieren sich für die EM

Nach der berauschenden Gala beim 32:32-Drama gegen Deutschland verliert die Nati in Graz gegen Österreich mit 33:34. Was dieser hochveranlagten Mannschaft von Trainer Andy Schmid fehlt: «Meh Dräck».
Teamleader Lenny Rubin: Er kommt in Graz nie so richtig auf Touren.
Bild: Keystone

Es gibt Spiele, die vergisst man am liebsten möglichst schnell. Wobei, richtig würde sich das auch nicht anfühlen. Denn vergessen könnte auch verdrängen bedeuten. Und das wäre falsch. Denn dieses Spiel gegen Österreich zeigt der Handball-Nati, was ihr noch fehlt.

Es ist nicht Talent, es ist nicht Tempo, es ist nicht Mut und es ist nicht Spielwitz. Aber die Nati ist im Vergleich zu den Österreichern zu lieb, zu brav, teilweise zu naiv, zu wenig abgebrüht und clever. Oder um es in den Worten von Chris von Rohr zu formulieren: Es braucht «meh Dräck».

Die Schweiz gewinnt in zwei EM-Qualifikationsspielen gegen Österreich nur einen Punkt. Dabei wähnen wir uns mindestens auf Augenhöhe mit dem östlichen Nachbar. Schliesslich haben wir die flinkeren, geschmeidigeren, technisch versierteren Spieler. Wir haben offensive Schillerfalter für den ganz grossen Zirkus. Aber die rustikalen Österreicher haben eben die Mittel, diesen Zirkus zu verhindern.

Es hätte einen besseren Nikola Portner gebraucht

Andererseits haben auch wir eine Abbruch GmbH. Aber auch unsere Abwehrspezialisten agieren gesitteter als jene der Österreicher. Wenn der Torhüter auch nicht sein gewohntes Niveau erreicht, sind wir beinahe chancenlos gegen Österreich, obwohl wir ja eigentlich besser sind. Trotzdem hätte es für den Sieg wahrscheinlich schon gereicht, wenn die Schweiz einen Nikola Portner in Normalform gehabt hätte. Doch er kommt lediglich auf eine Fangquote von 23 Prozent.

Der Schweizer Goalie Nikola Portner hatte schon bessere Auftritte als jenen gegen Österreich und Sebastian Frimmel.
Bild: APA

Für einen Goalie, der schon zweimal die Champions League gewonnen hat und beim deutschen Meister Magdeburg spielt, ist das mager. Zwar wurde Portner in dieser Saison im Klub zur Nummer 2 degradiert. Trotzdem hält er in der Bundesliga 33 Prozent der Schüsse.

Die Schweizer verlieren dieses Spiel in Graz aber nicht nur, weil Portner seinem Ruf nicht gerecht wird. Sie verlieren es auch, weil ihr Spielmacher Felix Aellen mit zwei, drei technischen Fehlern nervös ins Spiel startet, weil Lenny Rubins Output (3 Tore) mit drei Toren unterdurchschnittlich ist und die Kreisläufer Lukas Laube und Lucas Meister keine optimale Chancenauswertung verzeichnen. Und sie verlieren es, weil sie weit von der defensiven Meisterleistung entfernt sind, die sie noch am Mittwoch in der ersten Halbzeit gegen Deutschland gezeigt haben.

Flug gestrichen: Die Schweizer reisen mit dem Bus nach Graz

Aber die Schweizer verlieren dieses Spiel sicher nicht, weil die Reise nach Graz nicht wie geplant durchgeführt werden konnte. Als die Mannschaft am Freitag Nachmittag am Flughafen bereits eingecheckt hatte, wurde der Flug in die Steiermark wegen Wetterkapriolen storniert. Und weil es am Wochenende keine Direktflüge nach Graz gibt, musste kurzfristig ein Bus organisiert werden.

Erst am Samstag gegen 5 Uhr in der Früh kam die Nati in Graz an. Aber eben: Eine Erklärung für den durchzogenen Auftritt ist das nicht. Schliesslich blieb den Schweizern zur Erholung noch die Nacht von Samstag auf Sonntag.

Andy Schmid: Er ist erst seit etwas mehr als einem Jahr Trainer, hat aber schon sehr viel erreicht mit seinem Team.
Bild: APA

Captain Nikola Portner resümiert nach dem Spiel: «Es ist ein komisches Gefühl. Ich bin enttäuscht, dass wir dieses Spiel verloren haben. Leider agierten wir gegen Österreich in einigen Szenen zu naiv.» Trotzdem überwiegt wohl auch bei diesem Ehrgeizling die Freude über die Qualifikation für die EM 2026. Denn darum ging es.

Gewiss, die Schweiz hat ein junge Mannschaft. Und mit Andy Schmid einen Trainer, der diesen Job erst seit etwas mehr als einem Jahr ausübt. Aber Jugend und Unerfahrenheit schützen nicht vor grossen Taten. Das haben Schmid und seine Spieler bereits an der WM mit Rang 11 bewiesen. Und jüngst auch am Mittwoch, als sie die Sensation nur knapp verpasste, weil Handball-Grossmacht Deutschland drei Sekunden vor Schluss der Ausgleich gelang.

Die Entwicklung, die das Team seit Schmids Amtsantritt gemacht hat, ist beeindruckend. Und sie lässt uns – trotz der Niederlage in Österreich – von einem Exploit träumen. Vielleicht schon im Januar 2026, wenn sie zum dritten Mal in Serie an eine Endrunde reist.

Österreich - Schweiz 34:33 (16:15)

Raiffeisen Sportpark, Graz. – 3112 Zuschauer (ausverkauft). – Schweiz: Portner (9 Paraden/1 Tor)/Scheidiger; Meister (1 Tor), Rubin (3), Aellen (6), Röthlisberger, Küttel, Maros (2), Steenaerts (2), Laube (3), Wanner, Sigrist (8), Samuel Zehnder, Willecke, Leopold (7/2), Wolfisberg. – Rangliste (alle 6 Spiele): 1. Deutschland 10, 2. Österreich 8, 3. Schweiz 6, 4. Türkei 0.

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