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Fussball-WM

Der Lauf des Sensationsteams endet im Halbfinal – Frankreich stoppt Marokko

Der Weltmeister Frankreich hat gegen Marokko viel Mühe, steht dank einem 2:0-Erfolg aber wieder im WM-Final – dort wartet Argentinien.
Die Franzosen jubeln auf dem Rasen nach dem Sieg gegen Marokko.
Bild: Keystone

Sensationelle Halbfinalisten hat die WM-Geschichte schon ein paar gesehen. Doch der WM-Halbfinal war stets eine zu grosse Hürde für sie. In Katar hat sich Marokko aufgemacht, daran etwas zu ändern. Niemand hatte die Nordafrikaner auf der Rechnung, doch dann hörten sie einfach nicht mehr auf zu gewinnen – und wurden der erste WM-Halbfinalist aus Afrika.

Aber auch Marokkos wilder Ritt durch dieses Turnier geht vor dem Final zu Ende. Nach 79 Minuten besiegelt der Stürmer Randal Kolo Muani den Sieg des Favoriten aus Frankreich mit seinem Tor zum 2:0. Er hat dabei etwas Glück, weil der Ball über Umwege zu ihm gelangt. Es ist, so viel vorweg, nicht das einzige Mal, dass das Ballglück den Franzosen hold ist. Der Titelverteidiger trifft nun am Sonntag im WM-Final auf Argentinien. Er steht zum zweiten Mal in Folge in einem WM-Final. Das hat zuletzt Brasilien 1994 und 1998 geschafft. Die letzte Titelverteidigung gelang ebenfalls einem brasilianischem Team, vor 60 Jahren war das.

Der frühe, ungewohnte Lapsus der Marokkaner

Das al-Bayt-Stadion ist der Ort, an dem Marokko und Frankreich aufeinander treffen. Auf den Rängen dominiert jene Farbe, die bei den marokkanischen Spielen an dieser WM stets dominiert hat: rot, die Farbe der marokkanischen Landesfahne. Die Nordafrikaner, die an diesem Abend für so viele spielen, für ihr Land, für Afrika, für die ganze arabische Welt, sie haben auch im Halbfinal wieder ein Heimspiel.

Es beginnt dann aber nicht gut für den Aussenseiter. Er hat vor dem Anpfiff um drei seiner vier Stammverteidiger gebangt. Alle drei stehen dann zwar auf dem Matchblatt, doch zwei von ihnen, Nayef Aguerd und Roman Saïss, der Captain, sind nach 20 Minuten schon nicht mehr auf dem Platz. Aguerd ist kurzfristig in der Startelf ersetzt worden, Saïss muss sich früh auswechseln lassen.

Zu allem Überfluss steht es da auch schon 1:0 für Frankreich. Die marokkanische Abwehr hat sich an dieser WM einen schon fast legendären Ruf erarbeitet; sie ist bis dahin mit nur einem Gegentor durchs Turnier gekommen, und das haben die Marokkaner auch noch selbst erzielt.

Gegen Frankreich setzt Trainer Walid Regragui dann aber nicht auf die gewohnte Viererkette, sondern schickt fünf Verteidiger auf den Platz. Es ist eine überraschende Umstellung, die wohl so zu erklären ist: Der Erfolgstrainer will gegen den Weltmeister ein bisschen mehr Stabilität auf den Platz bringen.

Doch der Plan geht nicht auf. Schon nach fünf Minuten tut Jawad al-Yamiq etwas, das marokkanische Abwehrspieler in diesem Turnier bisher kaum einmal getan haben: Er sieht schlecht aus, muss einen Ball in die Tiefe passieren lassen. Wie bei ihrem zweiten Tor meint es der Fussballgott gut mit den Franzosen, weil der Ball zu Theo Hernandez flippert. Der Aussenverteidiger erzielt artistisch das 1:0.

Eine frühe Führung gegen diesen so soliden, defensiv starken Gegner: Etwa so haben sich die Franzosen das vorgestellt. Doch das Spiel entwickelt sich dann nicht nach dem französischen Geschmack.

Sie seien der Rocky dieser WM, das sagte Regragui nach dem Sieg gegen Portugal im Viertelfinal. Und genau so treten die Marokkaner nach ihrem ersten Rückstand an dieser WM auch auf. Sie werfen hinein, was sie haben, und als Trainer Regragui nach 20 Minuten wieder auf das gewohnte System mit Viererkette umstellt, kommen sie auch immer besser ins Spiel. Bald einmal spielen sich in diesem Halbfinal erstaunliche Szenen ab. Die Marokkaner haben öfter den Ball als die Franzosen. Das liegt natürlich an der Führung des Favoriten, der in diesem Turnier schon öfter einen Gang herausgenommen hat, wenn er hatte, was er wollte - und da ist Trainer Didier Deschamps genügsam, weil das eigentlich nur eines ist: ein Tor mehr als der Gegner.

Und jetzt bekommt Katar seinen grossen Final

Doch wie das Spiel dann läuft, wie sein Team phasenweise in Bedrängnis gerät, das kann auch Deschamps nicht gefallen. Marokko trifft noch vor der Pause nach einem Eckball den Pfosten, und es gibt nach der Pause eine Phase, in der die Nordafrikaner dem Ausgleich mehrmals nahe kommen. Doch die Franzosen überstehen sie. Sie glänzen zwar nicht, aber sie haben bald wieder mehr Spielkontrolle – und schlagen dann erneut zu, in Minute 79. Walid Regragui, der marokkanische Trainer, trauert nach dem Schlusspfiff den Momenten nach der Pause nach und verweist auf die vielen Verletzten, die sein Team zu beklagen hatte. «Aber ich kann meiner Mannschaft nur ‹Bravo› sagen für das, was sie vor dem zweiten Gegentor gespielt hat», sagt Regragui.

Katar bekommt damit einen spektakulären WM-Final, Argentinien gegen Frankreich, zwei Grossmächte des Fussballs, Lionel Messi gegen Kylian Mbappé, zwei Männer auf grosser Mission treffen da aufeinander. Auf einer solchen befindet sich auch Didier Deschamps, der französische Trainer. «Wunderbar» sei der erneute Finaleinzug, sagt er nach dem Spiel. Er kann am Sonntag zum ersten Trainer seit dem Italiener Vittorio Pozzo in den 1930er-Jahren werden, der den WM-Titel verteidigt.

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