notifications
Eishockey

Ein neuer SC Bern als Meisterkandidat

Erkenntnisse aus der Startphase der Eishockey-Meisterschaft und ein wenig «Kaffeesatzlesen» über die weitere Zukunft.

Erster Trainerwechsel bahnt sich an

Ist es möglich, mit einem kleinen Namen grossen Namen etwas zu befehlen? Patrick Emond war letzte Saison in Fribourg Assistent von Christian Dubé und ist nun zum Cheftrainer auf Zeit befördert worden. Ein kleiner Name also. Der Kanadier weiss schon, dass er nächste Saison durch den Schweden Roger Rönnberg ersetzt wird. Eine Situation, die es in unserem Hockey noch nie gegeben hat. Im richtigen Leben wäre das so, wie wenn sich einer leidenschaftlich auf die Heirat mit seiner grossen Liebe freut, die aber erst in einem Jahr stattfinden wird. Bis dahin muss ihn eine Haushälterin glücklich machen. In der Rolle der Haushälterin befindet sich Patrick Emond. Es gehört sich nicht, schon im September zu polemisieren. Deshalb nur Fakten. Gottéron hat immerhin Ajoie gebodigt (4:1), aber in Langnau (2:4) und gegen die Lakers (1:2 n.V.) kläglich verloren. Die Ausländer Lucas Wallmark, Andreas Borgmann, Chris DiDomenico und Marcus Sörensen sowie Verteidigungsminister Raphael Diaz und sein Vize Yannick Rathgeb sind die Leitwölfe bei Gottéron. Sie haben eines gemeinsam: schon nach den drei Partien gegen drei Aussenseiter eine klägliche Minus-Bilanz (bei mehr Minus- als Plustoren auf dem Eis). Das kann sich zu einer Minus-Bilanz für den Trainer auswachsen, bevor die letzten Blätter fallen. Dann muss halt Assistent Yves Sarault spätestens Ende Oktober übernehmen.

Fleissige ZSC Lions

Es ist bisher Biel, Ambri, und dem SC Bern bestens gelungen, die ZSC Lions mit mutigem Tempo und Energiehockey zu ärgern und phasenweise gar zu frustrieren. Vom SCB mussten sie sich gar dominieren lassen (22:27 Torschüsse). Was durchaus zu drei Niederlagen hätte führen können, die dann halt dem «Meisterblues» angerechnet worden wären. Aber die ZSC Lions haben mit Marc Crawford einen Trainer, der ihnen Beine macht und so reagieren sie dann, wenn der Puck nicht ihren Weg gehen will, nicht mit Arroganz, Nachlässigkeit oder gar Unlust. Sondern mit Fleiss, Hartnäckigkeit und Leidenschaft. Deshalb haben sie in Biel (3:1), gegen Ambri (5:4 n.V.) und in Bern (3:2 n.P.). gewonnen und gegen Ambri und den SCB in der finalen Entscheidung ihre individuelle Klasse gezeigt: Denis Malgin gelingt gegen Ambri in der Verlängerung der Siegestreffer, und in Bern haben nacheinander Sven Andrighetto, Vinzenz Rohrer und Denis Malgin ihre Penaltys versenkt.

ZSC (Goalie Hrubec) gegen SC Bern (Merelae): Auf dieses Duell könnte es im Titelrennen hinauslaufen.
Bild: Claudio De Capitani/Freshfocus

Kloten Überraschungsteam statt Schlusslicht

Es gehört zu den ewigen Gesetzen unserer Liga, dass ein Titan in den Keller stürzt und mindestens einer der «Miserablen» in die obere Tabellenhälfte aufsteigt. Ein überragender Goalie ist die Voraussetzung für eine Überraschung. Die alles entscheidende Frage bei Kloten vor der Saison: Ist Ludovic Waeber eine Nummer 1, die einen «Miserablen» durch eine Saison zu tragen vermag? Sein Talent stand noch nie zur Debatte. Aber er war in der National League noch nie die Nummer 1 und letzte Saison brachte er es bei seinem Nordamerika-Abenteuer nicht in die NHL. Nun hat er Kloten – nach dem zweitletzten Platz letzte Saison nun in einigen Prognosen auf den 14. und letzten Platz gesetzt – in Davos oben (3:2) und gegen den SCB (2:1) zu zwei Penalty-Siegen gehext. Er führt mit einer famosen Fangquote von 94,64 Prozent die Goalie-Statistik der Liga an. In seiner September-Frühform wird er gar ein Kandidat fürs WM-Team 2025. Dass es ohne ihn nicht geht, hat sich am Samstag gezeigt: Mit Sandro Zurkirchen kassierte Kloten in Ambri (2:3 n.P.) die erste Saisonniederlage. Ein guter Ludovic Waeber ist zwar nicht alles, aber ohne einen guten Ludovic Waeber ist bei Kloten alles nichts.

Ein taktisch neuer SC Bern

Es gibt – stark vereinfacht gesagt – zwei taktische Wege zum Regenbogen des Ruhmes. Entweder ich «ersticke» das gegnerische Spiel mit Schablonen- bzw. Anti-Spektakel-Hockey. Die gegnerische Zone wird dabei weitgehend «kampflos» geräumt und dafür gibt es in der neutralen und erst recht in der eigenen Zone keine freien Räume mehr. Kari Jalonen war in Bern der Hexenmeister dieser Taktik. Die zweite Variante: Ich versuche mit Energie und Tempo, den Gegner zu frustrieren, indem ich ihm übers ganze Spielfeld keine Ruhe, keine Zeit und keinen Raum lasse. Das erfordert viel Laufarbeit, Energie und wegen der latenten «Konter-Gefahr» eine hohe Konzentrationsfähigkeit. Es gibt eine Szene, die dieses anspruchsvolle Hockey vortrefflich illustriert: Thierry Schild, beim SCB kein Star, vielmehr dank seiner läuferischen Dynamik ein «fliegender Störarbeiter» gelingt es weit vorgeschoben in der neutralen Zone mit seiner hartnäckigen Störarbeit selbst Denis Malgin zu irritieren, holt sich die Scheibe, bekommt freie Bahn und trifft zum 2:1. Im Spektakel-Spiel vom Samstag gegen die ZSC Lions haben wir zum ersten Mal seit gefühltem Menschengedenken in Bern geordnetes Spektakelhockey gesehen.

Der euphorisierte Optimist sagt: Letzte Saison hat Jussi Tapola die taktischen Dinge erst einmal geordnet. Und nun, da er sein System dem Team eingefuchst hat, kann er einen Schritt weiter gehen und die Schablone lockern. Gelingt es ihm, das geordnete Spektakelhockey zu perfektionieren, dann kann am Ende dieser neuen Entwicklung der nächste Titel stehen. Der Realist aber mahnt: Die ZSC Lions sind eines der besten Teams Europas und pflegen ein geordnetes und meisterliches, phasenweise sogar ein wildes Spektakelhockey. Es ist für eine gut besetzte Mannschaft (wie der SCB eine hat) einfacher, mit den Zürchern zu tanzen als zu versuchen, ihr hochentwickeltes Spiel zu «ersticken». Zumal die Motivation gegen einen so hochkarätigen Gegner immer maximal ist. Aber wer ganz nach oben kommen will, muss auch dazu in der Lage sein, sein Spektakel gegen einen Gegner durchzusetzen, der nicht «mittanzen» will, der halt nicht so berühmt und die Motivation daher nicht sehr gross ist. Das kann unter Umständen schwierig werden. Wie der SCB letzte Woche gegen Kloten erfahren musste (1:2 n.P.).

Kommentare (0)