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Meisterbeilage

Die Abschiedsworte von FCB-Präsident Bernhard Heusler: «Wegen Rot-Blau leide ich unter Verlustangst»

Am 9. Juni gibt Bernhard Heusler sein Amt als Präsident des FC Basel ab. Ein letztes Mal in dieser Funktion erinnert sich Heusler an seine frühesten Erinnerungen an den FCB, wie er die Bedeutung des Vereins realisiert hat – und wieso er unter Verlustängsten leidet.

Februar, 1970, mitten in der erfolgreichen Benthaus Ära und in meiner Kindergartenzeit. Der FCB ist auf dem Weg zu seinem vierten Meistertitel. Meine Grosseltern feiern Goldene Hochzeit. Ein schönes Fest in sehr traditionellem Rahmen. Die Grosskinder überbieten sich gegenseitig an Klavier und Querflöte. Mangels musikalischen Talents beschränke ich mich auf einen Solo-Gesangsvertrag. ‎Der Basler Gassenhauer "Kaarli no ne Gool" muss herhalten. Trotz überschaubarer Qualität ist die Begeisterung im Publikum gross. Übertroffen nur von der Übergabe eines signierten Matchballs durch zwei FCB-Spieler an meine Grossmutter. Lektion gelernt: mit dem FCB kannst Du Freude machen, auch wenns fussballerisch nicht ganz reicht für ein Goal im Joggeli.

Der achte Geburtstag wird im Holzschopf von Karli Odermatt gefeiert. Der Händedruck und die persönliche Gratulation des Idols - unvergessen, und auch eine Lektion fürs Leben, wieviel ein kleiner Moment der Aufmerksamkeit des Fussball-Stars seinem Fan bedeuten kann.

Der FCB jener Zeit ist neu. Erstmals in der Geschichte nicht mehr der Verein mit dem schönen, aber über Jahrzehnte notorisch erfolglosen Fussball. Er eilt von Titel zu Titel. Eine Erfolgsmaschine, professioneller als alle andern. Mit jedem "Glaubet nit an Gaischter..." mischt sich in die Basler Freude und Stolz zunehmend Skepsis und Argwohn. Aus dem FCB wird im Basler Volksmund schnell auch der 'FC Bluff'. Besonders eingebrannt in meinem Gedächtnis: die drei schmerzhaften Cupfinal-Niederlagen gegen den FCZ. Und wieder etwas mitgenommen: die emotionale Liebes-Beziehung zum Club hängt nicht von Siegen und Niederlagen ab.‎ Das Leben rund um den Ball ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Und es ist nun mal so, wir Baslerinnen und Basler haben unsere Mühe mit Erfolg, wenn er uns übermässig erscheint.

Es folgt das Ritual der Matchbesuche mit dem Vater, das gemeinsame Mitfiebern vor dem Radio bei Auswärtsspielen und das Verschlingen jedes Zeitung-Buchstabens, der sich dem FCB widmet. Wütend und verärgert reagiere ich, wenn ich in den Berichten fehlende Sorgfalt, Respektlosigkeit oder schlicht Mangel an Kompetenz vermute. So veranlasst mich - kaum eingeschult - die Degradierung meines FCB zum „Hühnerhaufen“ nach einer Niederlage in Winterthur zum ersten und bis heute letzten Leserbrief meines Lebens.

Unvergessen, der Meistertitel 1972. Der FCB besiegt in der Finalissima den FC Zürich 4:0. Fast 50'000 Zuschauer verwandeln das Joggeli in eine Sardinenbüchse. Aus Sicherheitsgründen muss ich als 8-Jähriger zu Hause bleiben. Ein Entscheid mit Wirkung bis heute: von da an leide ich an Verlustangst, wenn ich ein Spiel im Stadion verpasse.

Und Rot-Blau bestätigt immer wieder, warum diese Angst berechtigt ist. Dabei sein, ist ein Muss: etwa bei der historischen Wende gegen den FC Brügge im Achtelfinal des Europapokal der Landesmeister 1973. Nach der 1:2-Niederlage im Auswärtsspiel schlägt der FCB mit einem grossartigen 6:4 zurück. Ein gewisser Ottmar Hitzfeld trägt drei Tore zum Schützenfest bei. Beim letzten kurz vor Schluss brechen alle Dämme. Zum ersten Mal falle ich wildfremden Menschen um den Hals. Wer das hier nochmals lesen muss, versteht, dass das Zuhören von FCB-Anekdoten eben auch zur Aufgabe eines FCB-Präsidenten gehört.

Und als Präsident bin ich viele Jahre später dabei, wenn "mein" FCB nun seinen zweiten Stern erhält. Der Zauber des Fussballs besteht auch in seiner Symbolik. So ist dieses Ereignis ein Meilenstein in der fast 125-jährigen Geschichte des Clubs. Die Bedeutung geht weit über einen „normalen“ Meistertitel hinaus. Der zweite Stern gehört vielen Generationen von Spielern, Fans und Exponenten. Deshalb möchten wir ihn zusammen mit der ganzen Stadt feiern. Es soll nicht nur der "aktuelle FCB" im Zentrum stehen, sondern frühere Titelsammler und andere prägende Figuren in der Geschichte unseres Vereins.

Wir wollen am 3. Juni die Bedeutung des FC Basel für unsere Stadt und Region spür- und sichtbar machen. Nicht in einem ausverkauften Stadion, sondern in den Strassen der Stadt. Denn diese Bedeutung ist ebenso grossartig wie wichtig. Wenn man als FCB-ler diese Stadt lebt, eben bildlich in der 'Freien Strasse' einkaufen geht, dann ist Rot-Blau allgegenwärtig. Zum Beispiel dann, wenn ein Unternehmer sagt: „Bernhard, weisst du eigentlich, dass die Stimmung am Montag in meinem Unternehmen massiv davon abhängt, ob der FCB gewinnt oder nicht?“ Oder wenn man die bedingungslose Liebe spürt beim Besuch einer Werkstätte für beeinträchtigte Menschen. Solche Erlebnisse lernen Demut vor der Aufgabe, die rot-blauen Farben auf oder neben dem Feld tragen zu dürfen.

Wenn ich Neid spüre von Vertretern anderer Schweizer Fussballklubs, dann nicht auf die Pokale oder das Geld, sondern auf die breite Verankerung des FCB. Der FCB ist keiner Gesellschaftsschicht vorbehalten. Obwohl "Stadtclub" genannt, macht er keinen Unterschied zwischen den beiden Halbkantonen. Die Kraft unserer Region, die unpolitische (Wieder-)Vereinigung manifestieren sich wöchentlich im Stadion auf der Kantonsgrenze. Der FCB ist 'liberal' im gut Baslerischen Sinne. Er ist tolerant und offen. Der gesellschaftlichen Unterstützung folgt logischerweise der Rückhalt der Politik. Sei es beim Stadionbau oder delikaten Fragen im Sicherheitsbereich. Dieses starke Fundament in der Bevölkerung ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil, wichtiger und nachhaltiger als die Millionen aus der Champions League. Auch das eine Lehre.

Wer den FCB vertritt, muss dieses Fundament pflegen. Mit der Liebe und Nähe zum‎ Verein ist ein sehr feines 'Gespür" der Menschen verbunden. Wer das Logo küsst, es aber nicht ernst meint, kann noch so viel Tore schiessen, er wird nie einer "von uns". Er verliert genauso wie der, der den Club führt, dabei aber die eigenen Interessen über die von Rot-Blau stellt. Fehlende Ehrlichkeit und Authentizität wird im Basler Umfeld 'entlarvt' und wie ein schlechter Bangg an der Fasnacht mit Geringschätzung abgestraft.

Meine Zeit in offizieller Mission für den FCB läuft ab. Intensive und schöne Jahre liegen hinter mir. Nach genau fünf Tagen im Vorstandsamt, werde ich von Christian Gross bei der Meisterfeier 2004 gepackt und mit den Worten, "man wird vielleicht nur einmal Meister im Leben" zum Posieren mit Team und Pokal überredet. Glücklicherweise folgen seither noch zehn weitere Meistertitel, aber - als Ausdruck unserer Führungsphilosophie - kein offizielles Siegerfoto mehr mit dem Präsidenten. Vielleicht ist das Gefühl der Narrenfreiheit zum Ende des Amtes so stark, dass man dies bei der zwanzigsten Pokalübergabe am 2. Juni ändern darf.

Ich freue mich, Sie alle am nächsten Samstag in der Innenstadt zu sehen, wenn wir viele Legenden, die uns mit ihren Leistungen seit dem ersten Meistertitel im Jahr 1953 diese Basler #Stärnstund bescheren, gebührend feiern.‎ Und zum Schluss wollen wir uns in typisch Basler Manier vor allem auch selbst feiern, was in Bezug auf den FCB mehr als berechtigt ist.

Herzlich, Bernhard Heusler

*Diese Worte schreibt Bernhard Heusler im Vorwort zur Meisterbeilage der bz Basel, die morgen gemeinsam mit der bz-Mittwochsausgabe erscheint. Wir schauen zurück auf die Geschichte des FCB, wie der Schweizermeister seine 20 Titel holte, sprechen mit FCB-Legenden und präsentieren die spannendsten Zahlen rund um den Verein.

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