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Eishockey-Arena

Der neue ZSC-Tempel – NHL-Dimensionen und perfekt – bis auf die Zürcher Parkplatz-Limiten

Zürich bekommt das modernste und beste Hockeystadion Europas. Der neue ZSC-Hockey-Tempel entspricht einer NHL-Arena. Meisterfeiern werden schön sein wie nie. Aber noch viel wichtiger: Im neuen Tempel wird das Verlieren leichter fallen.

Dort draussen an der Vulkanstrasse in Altstetten, dort wo der neue ZSC-Tempel steht, sieht Zürich ein wenig aus wie der Business-Distrikt einer architektonisch langweiligen amerikanischen Stadt. Die Geschäfts-Immobilien wirken neu und steril. Niemand kommt auf den Gedanken, dass wir uns hier sozusagen auf dem Boden der ehemaligen römischen Garnison Turicum befinden, die seit 1262 den Status einer freien Reichstadt geniest und seit 1351 zur Eidgenossenschaft gehört. Die neue Arena, gebaut für die Hockey-Welt von morgen, steht im Zürich von heute und nicht im Zürich von gestern.

Da der Chronist mit der staatlichen Eisenbahn angereist ist (auch die hält in Altstetten, nicht nur die städtische), fällt ihm erst in unmittelbarer Nähe des neuen, grandiosen Stadions auf, dass er sich in Zürich und doch nicht in Amerika befindet: Es gibt praktisch keine Parkplätze. Rund um die Stadien in Amerika gibt es ausreichend gebührenpflichtige Abstellräume für die Benzin- und Dieselkutschen der Besucherinnen und Besucher. Das einträgliche Geschäft mit den Parkmöglichkeiten gehört zum Business.

Wir sind hier in Zürich und nicht in Anaheim. Das Angebot ist mit 363 Parkplätzen im Haus und weiteren 690 im Umfeld wegen der von der städtischen Regierung und Administration erlassenen rigorosen Einschränkungen so knapp und zwinglianisch bescheiden. Dafür ist die Anreise mit dem Zug komfortabel: Vom Bahnhof Altstetten aus (wo sogar die Regional-Schnellzüge Bern-Zürich halten) sind es zu Fuss weniger als zehn Minuten.

Das arg eingeschränkte Parkplatzangebot ist der einzige Unterschied zu einem NHL-Stadion und die einzige Möglichkeit, etwas zu kritisieren. Da es selbst für einen auswärtigen Chronisten so einfach ist mit der Eisenbahn anzureisen, vermag der Parkplatzmangel den Gesamteindruck nicht zu schmälern: Der neue Zürcher Hockey-Tempel (Swiss Life Arena) ist im besten Wortsinn ein grosser Wurf: Raumaufteilung, Komfort für die Besucherinnen und Besucher und Funktionalität sind auf einem in unserem Land noch nie erreichten Niveau. Sie entsprechen den Anforderungen eines NHL-Stadions.

Die Realisation des Baus ist – gemessen an den in unserem Land und vor allem in Zürich geltenden Zeitrechnung für Sportbauten – in schier unfassbar kurzer Zeit gelungen: 2009 entschieden die Investoren, eine neue Arena zu bauen. 20 Standorte, davon 15 auf Zürcher Stadtgebiet, sind geprüft worden. 2011 war die Standortfrage geklärt. Dieses architektonische Jahrhundertwerk ist aus zwei zentralen Gründen möglich geworden. Geld und Lernfähigkeit.

Zum Geld

Die Erfahrungen aus den verschiedenen Stadionprojekten im Fussball haben gezeigt: Ein mit Steuergeldern finanziertes Sport-Grossprojekt hat in der Politik und an der Urne in der Stadt Zürich keine Chance. Also musste ein anderes, ein privates Finanzierungsmodell gewählt werden.

Die ZSC Lions Immobilien AG hat den Tempel gebaut. Sie gehört zu gleichen Teilen ZSC Lions-Präsident Walter Frey, dem Unternehmer Peter Spuhler (gemäss dem Wirtschaftsmagazin «Bilanz» sind beide 2,5 Milliarden schwer) und der Swiss Life, einem aus der Rentenanstalt hervorgegangenen Versicherungsunternehmen, das im Jahr mehr als 20 Milliarden umsetzt. So standen die Mittel zur Verfügung, die es nun einmal für ein solches Stadionprojekt braucht. Noch nie konnten die Erbauer eines Hockey-Tempels so aus dem Vollen schöpfen. Was auch daran liegt, dass es sich hier zu hundert Prozent um private Investoren handelt. Inklusive Mehrwertsteuer belaufen sich die Kosten auf 207 Millionen Franken. Es ist das teuerste Stadion unserer Hockeygeschichte.

Dass die Bauherren auch einmal eine Fünf geradestehen lassen, zeigt sich an der Qualität: Selbst dem Chronisten, der nicht viel vom Bauen versteht, fällt auf, wie sorgfältig auch Details verarbeitet sind und wie gut die Qualität des verbauten Materials ist.

Ohne Politik geht nicht. Obwohl die neue Arena von privaten Investoren gebaut und finanziert worden ist, gibt es im wirtschaftlichen Bereich eine Verbindung zur Stadtpolitik: Die neue Arena wäre eine arge Konkurrenz für das Hallenstadion, an dem die Stadt Zürich die Aktienmehrheit hält. Also verzichten die Besitzer des neuen Stadions auf Konzerte und bescheiden sich mit Sportveranstaltungen und Unternehmens-Anlässe. Im November findet bereits die Unihockey-WM statt. 2026 ist hier der Hauptspielort der WM und es läuft eine Bewerbung für Partien der Handball-EM 2028.

Als erfolgreiche Unternehmer verzichten die Investoren allerdings nicht einfach so auf das lukrative Konzert-Business. Sie haben im Gegenzug für den Bau des Stadions von der Stadt Zürich einen Kredit in der Höhe von 120 Millionen erhalten, den sie zu 1,6 Prozent verzinsen und jährlich mit 2 Millionen amortisieren.

Zur Lernfähigkeit

71 Architekten hatten sich für den Auftrag beworben, 12 durften ihr Projekt einreichen. Das Architekturbüro, das den Zuschlag erhielt, hat zuvor noch nie ein Hockeystadion gebaut: Die Bereitschaft zu hören und zu lernen war allerseits gross und die Besserwisserei klein.

Im In- und Ausland, auch in Nordamerika, sind Stadien eingehend besichtigt worden und immer wieder ist die gleiche Frage gestellt worden: Und was würden Sie besser machen, wenn es möglich wäre, noch einmal von vorne anzufangen?

Die Standardantwort: Mehr Fläche (Platz) für die Besucher und mehr Stauraum. So sind die offenen Räume – weite Flächen, Bewegungsfreiheit in allen Bereichen (Gastronomie, VIP, Publikumsbereich), Komfort für die Zuschauer und grosszügige Spieler-Garderoben (die NHL-Standard aufweisen) ein zentrales Merkmal dieser neuen Arena.

Die Zahlen

Dass es 940 Türen gibt, mag den Eindruck eines Labyrinthes erwecken. Doch das ist bei der grosszügigen Konzeption nicht der Fall. Diese hohe Anzahl Türen steht für die Dimension des Baus: Auf acht Ebenen finden wir auch die ZSC Lions- Geschäftsstelle mit rund 40 Arbeitsplätzen und weitere Räumlichkeiten auf den beiden Längsseiten mit 10 Flächen von je 500 Quadratmetern, die an verschiedene Firmen vermietet werden.

Die neue ZSC-Garderobe lässt keine Wünsche übrig.
Bild: Marcel Bieri

Von der Eisfläche hinauf zum Dach sind es 33 Meter. Wie sehr darauf geachtet wird, jeden Quadratmeter Raum sinnvoll zu nützen, mag ein Detail zeigen: Die Eisreinigungsmaschinen (Zambonis) versperren nicht Platz auf dem Niveau Eisfeld. Sie sind in der Tiefgarage parkiert und werden in einem Lift nach oben gehoben. Vom Tempel aus ist der direkte Zugang zur Trainingshalle möglich.

Das Volumen des Innenraumes des neuen Hockey-Tempels ist für helvetische Dimensionen atemberaubend. 20 000 Sitzplätze hätten eingebaut werden können, wenn alle Rampen dafür genutzt worden wären. Das Fassungsvermögen beträgt 12 000. Davon 1400 Stehplätze für die eigenen und 500 für die Gästefans eingerechnet. Von jedem Platz aus gibt es freie Sicht aufs gesamte Eisfeld. Anfang Oktober waren bereits mehr als 8000 Saisontickets verkauft – ein neuer Rekord in der Geschichte der ZSC Lions.

Unter dem Dach hängt der 20 Tonnen schwere und mit 420 Quadratmetern Fläche grösste und modernste Videowürfel Europas. Die Idee der geneigten und gewölbten Flächen ist vom Madison Square Garden in New York übernommen worden. Zudem gibt es im Inneren zwei weitere, von unten einsehbare Bildschirme. Damit wirklich alle im Stadion Sicht auf die laufenden Bilder haben. Alles gross genug, um Szenenwiederholungen und Werbung parallel laufen zu lassen.

Das Hockeybusiness lebt vom zahlenden, gewöhnlichen Publikum und von den «Mehrbesseren» (VIP), die eben auch mehr bezahlen, weshalb sie als «Mehrbessere» verehrt werden. Der VIP-Bereich umfasst 1200 Plätze, die zwischen 5000 und 5400 Franken pro Saison kosten und ein ganzes Stockwerk belegen. Zwei Lichthöfe zum Rauchen inklusive. Dazu kommen, noch ein Stockwerk höher 14 Logen mit je 12 Plätzen, die bereits alle vermietet sind. Sie kosten zwischen 138 150 und 168 500 Franken pro Saison. Inklusive eine Konsumationspauschale von 15 000 Franken. Wird mehr konsumiert, muss für Essen und Trinken monetär nachgebessert werden. Die Logen haben alle eine Standarteinrichtung. Spezialwünsche sind – gegen Aufpreis – eingebaut worden. Der Zugang ist gleich konzipiert wie einst das Luxus-Deck auf der Titanic: Über eine Wendeltreppe haben die Logen-Gäste Zutritt zum darunterliegenden Business-Bereich. Aber die Gäste im Business-Bereich können nur auf Einladung nach oben. Die Sitze fürs gewöhnliche Publikum sind bereits von guter Qualität, die für den VIP-Bereich noch etwas besser und im Logenbereich maximal bequem.

Die Gastronomie

Der Gastronomiebereich umfasst insgesamt 2 190 Plätze. Die Gastronomie betreibt gegen Pachtzins und Umsatzbeteiligung die SV Gruppe, die einst vor mehr als 100 Jahren gegründet worden ist, um unsere Soldaten preiswert zu nähren. Die Gastronomie im neuen Hockeytempel lässt sich in drei Bereiche unterteilen: Publikumsgastronomie, öffentliche Restaurants und VIP-Catering. Die Publikumsgastronomie richtet sich an die 12 000 Fans im Stadion bei Spielbetrieb. Mit zehn Ständen, die im Innenbereich auf allen Ebenen und Seiten verteilt sind, werden Getränke, Grill, Burger, Pizza, Pasta und Pommes angeboten. Auf der grossen Publikumsterrasse im dritten Obergeschoss gibt es einen Stand mit Fleischspezialitäten, Klassikern wie Raclette und Älplermagronen – und die Freiheit zu rauchen. Im Food-Truck auf der Terrasse vor dem Stadion erhalten Besucherinnen und Besucher die eigens für den ZSC entwickelte Zett-Wurst.

Im neuen Hockeytempel gibt es drei Gastro-Bereiche: Publikumsgastronomie, öffentliche Restaurants und VIP-Catering.
Bild: Marcel Bieri

Das öffentliche Restaurant ZETT und die Sportsbar 1930 sind unabhängig vom Spielbetrieb täglich geöffnet. Zusätzlich werden die Mannschaften und Trainer der ZSC Lions sowie auch die Schiedsrichter und die gegnerischen Mannschaften verpflegt.

Im Hallenstadion waren die ZSC Lions lediglich Mieter. Ohne permanente Garderobe in der Arena, Terminproblemen, im Business-Bereich in engen Hosen, im Gastronomie-Bereich an den Katzentisch verbannt und abgespeist mit Brosamen, mit limitierten Vermarktungsrechten, keinen Einnahmen aus dem Naming Right und hohen externen Infrastrukturkosten. So war es völlig unmöglich, mit dem Hockey-Business schwarze Zahlen zu schreiben. Nun haben die ZSC Lions ein Geschäftsmodell wie eine NHL-Organisation: Besitzer des Klubs und der Arena sind identisch und nun dazu in der Lage, im Hockey-Business unabhängig von der Tagesform des Teams zu rocken.

Manager Peter Zahner rechnet damit, dass künftig – das Farmteam GCK Lions nicht mitgerechnet – schwarze Zahlen möglich sind. Das ZSC-Imperium besteht aus einer Dachorganisation mit den Unterabteilungen ZSC Lions, GCK Lions, der Nachwuchsorganisation und der ZSC Immobilien AG als Stadionbesitzerin. Der Gesamtumsatz aus dem Hockeygeschäft wird etwas mehr als 50 Millionen betragen. So entsteht die grösste Hockey-Firma im Land. Der SCB setzt zwar etwas mehr als 60 Millionen um, betreibt aber Gastronomiebetriebe auch ausserhalb des Hockey- und Stadionbereiches.

Zahlen vermitteln zwar einen Eindruck von der Grösse der neuen Arena. Aber die Dimensionen werden erst durch das sinnliche Erlebnis eines Besuches für den Verstand erfassbar.

Die modernste Arena Europas

Modern und gelungen sind in unserem Land auch andere Stadien. Zum Beispiel in Zug, Pruntrut, Biel, Fribourg, Lausanne, Ambri oder Zug. Die Arena in Davos, eine Kathedrale aus Holz, ist gar ein weltweit einmaliges architektonisches Kunstwerk. Die Post Finance Arena in Bern ist ein Kompromiss mit Durchzug aus alt und neu, Folklore und Business.

Es sind helvetische Stadien. Konzipiert mit der klugen Bescheidenheit, die zur eidgenössischen DNA gehört. Richtigerweise angepasst an die lokalen Verhältnisse und das wirtschaftliche und sportliche Potenzial des Klubs.

Der erste ganz grosse Wurf in der Geschichte unseres Stadionbaus ist die Swiss Life Arena. Der Tempel des Klubs aus einem der reichsten Wirtschaftsräume der Welt. Für einen Klub, der zwar sportlich nicht immer meisterlich spielt (aber wer kann das schon?), aber mit einer der grössten und besten Nachwuchsorganisationen Europas unabhängig von der Tagesform ein enormes sportliches Potenzial hat. Ein Tempel, der den Ansprüchen, Zielen und Möglichkeiten der ZSC Lions gerecht wird.

Komfort und Dimensionen des neuen Tempels sind so hoch, dass der Stadionbesuch unabhängig vom Spektakel unten auf dem Eis zum Erlebnis wird. Das Stadion ist der Star.

Der Video-Würfel ist gleich konzipiert wie im legendären Madison Square Garden in New York.
Bild: Marcel Bieri

Auch wer nicht Hockeyfan ist, wird sich dieses Erlebnis hin und wieder gönnen - exakt so wie in der NHL. Nicht nur der Video-Würfel ist der gleiche wie im Madison Square Garden. Auch das Team im Stadion, die ZSC Lions, kann ein wenig werden wie jenes im Madison Square Garden, aber schon etwas erfolgreicher: Die New York Rangers sind zwar notorisch erfolglos (ein Stanley Cup seit 1940). Aber eine der berühmtesten, wertvollsten und rentabelsten Hockey-Firmen der Welt.

Das erste Heimspiel

Im neuen Tempel werden nicht nur die Meisterfeiern schöner. Viel wichtiger: Die Fans werden in der neuen Umgebung die Niederlagen leichter ertragen.

PS: Die ZSC Lions tragen ihr erstes Spiel in der neuen Arena am Dienstag, 18. Oktober um 19.45 Uhr gegen Fribourg-Gottéron aus.

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