Selten hat ein FCB-Trainer vor der Reise an ein Europacup-Spiel entspannter gewirkt. Hier ein Schwatz mit einem Passanten, da ein Scherz mit dem Materialwart. Urs Fischer lässt sich vom regionalen TV-Sender sogar zu einem Kommentar zu den Schnitzelbänken überreden, in denen der Zürcher von den Basler Fasnächtlern aufs Korn genommen wurde. Das knifflige Hinspiel in den Europa-League-Sechzehntelfinals 36 Stunden später in Saint-Étienne ist in diesem Moment ganz weit weg.
Kann er das?
Fischers prächtige Laune kann viele Gründe haben. Denkt er, dass nach dem souveränen Rückrundenauftakt in der Super League gegen Luzern (3:0) und GC (4:0) beim Tabellenvierten der französischen Ligue 1 nichts schiefgehen kann? Hat Fischer einen Masterplan ausgeheckt, der Saint-Étienne auf dem falschen Fuss erwischt?
Kaum. Denn Siegessicherheit im Voraus oder den Gegner zu unterschätzen, diese Dinge passen nicht zu Urs Fischer. Vielleicht ist seine Lockerheit auch nur ein Vorwand, um die Nervosität und Unsicherheit zu verbergen. Denn in der K.-o.-Phase der Europa League geht es für Fischer um mehr als nur um das Weiterkommen. Es geht um seinen Ruf. Darum, ob er in Basel vom Akzeptierten zum Respektierten wird. Es geht letztendlich um die Antwort auf die Frage: Ist Urs Fischer ein grosser Trainer?
Als der 49-Jährige (am Samstag wird er 50) im Sommer 2015 zum FCB-Trainer ernannt wurde, fragten sich viele: Vom beschaulichen Thun ins pulsierende Basel – kann er das? Kann es der hemdsärmelige Fischer auch in der glitzernden FCB-Welt? Acht Monate später wissen wir: Er kann – aber mit Abstrichen.
Zwei Ziele verpasst
In der Super League überzeugt der FCB. 15 Punkte Vorsprung nach 20 Spieltagen, das hatte Rot-Blau zuletzt in der Saison 2003/04 unter Christian Gross. Mehr geht in diesem Wettbewerb auch für den FCB kaum. Rot-Blau ist in der Meisterschaft unantastbar – zu hoch die individuelle Klasse der FCB-Profis, zu schwach die Gegner.
Und darum sind da Zweifel über die tatsächlichen Coachingfähigkeiten von Urs Fischer. Im Sommer schied der FCB in den Champions-League-Playoffs gegen das schwache Maccabi Tel Aviv aus. Ein Out, das der FCB hätte verhindern müssen. Aber Fischer fand im Rückspiel kein Rezept gegen die massierte Abwehr der Israeli und gegen ihren Stürmerstar Eran Zahavi.
Im Schweizer Cup schied der FCB im Viertelfinal in Sion aus. Nach einer weitgehend uninspirierten Darbietung. Fischer fand kein Rezept gegen die Walliser, obwohl diese in ihrem Cup-Übermut verwundbar waren.
Gegen den FC Sion war im Cup Endstation für den FCB:
Die Suche nach dem Rezept
In bedeutenden K.-o.-Spielen hat Urs Fischer als FCB-Trainer bislang versagt. In der Meisterschaft (36 Runden) oder in einer Gruppenphase (6 Runden) sind Niederlagen korrigierbar – im Modus mit Hin- und Rückspiel kaum, im Cup schon gar nicht. Der K.-o.-Wettbewerb ist nicht nur für die Spieler die Königsdisziplin – sondern vor allem für den Trainer. Im Europacup zeigt sich, ob ein Trainer seiner Mannschaft gegen einen unbekannten Gegner das richtige Rezept verschreibt.
Im Europacup, wenn es in einem oder zwei Spielen ums Ganze geht, ist der Einfluss des Trainers um einiges höher als in der Meisterschaft.
Wir erinnern uns: 2013 stürmte der FC Basel in die Europa-League-Halbfinals, weil Murat Yakin der Mannschaft ein radikales Defensivkonzept verordnete. Im gleichen Jahr schlug der FCB in der Champions League zweimal das grosse Chelsea, weil Trainer Yakin gegen die defensiven Londoner plötzlich offensiv spielen liess.
Alles andere als Kanonenfutter
Im Dezember 2014 sicherte sich der FCB in Liverpool einen Punkt und somit das Weiterkommen in der Champions League, weil Paulo Sousa im alles entscheidenden Spiel die Engländer taktisch und personell übertölpelte.
Jetzt liegt es an Fischer, in der K.-o.-Phase der Europa League zu beweisen, dass er das auch kann. «Wir erwarten von uns, dass wir gegen Saint-Étienne weiterkommen», sagt er. Fischer muss die Sechzehntelfinals nur schon deswegen überstehen, um nach der Champions-League-Qualifikation und dem Cup-Final nicht ein weiteres Ziel des Vereins zu verpassen. Und er braucht in diesem Frühling einen Effort, nach dem es heisst: Dieser Erfolg kam zustande wegen der Fähigkeiten des Trainers.
Gegen Saint-Étienne wartet auf Fischer bereits die erste heikle Aufgabe. Im Stade Geoffroy-Guichard spielt ein für den FCB unbekannter Gegner, der in der französischen Liga den vierten Rang belegt. Er ist also alles andere als Kanonenfutter. Der FCB hat das Weiterkommen offiziell zum Ziel ausgerufen. Und nicht weniger erwartet das Publikum. Gelingt es, wäre Urs Fischer dem Zirkel der grossen Trainer einen Schritt näher.
Saint-Étienne - FC Basel. Heute Donnerstag, 19.00 Uhr, live SRF2
Breel Embolo befürchtet: «Es wird ungemütlich»
Der FCB-Star ist gerüstet für einen harten Kampf gegen die Franzosen, den Rot-Blau ohne die Anwesenheit seiner Fans absolvieren muss
Es ist das übliche Pingpong vor Europacup-Duellen: Trainer 1, St. Etiennes Christophe Galtier, schiebt die Favoritenrolle dem Gegner zu. Trainer 2, Basels Urs Fischer, lächelt verschmitzt und sagt, die Chancen seien zumindest ausgeglichen. Wobei in diesem Fall anzufügen gilt: Einen klaren Favoriten auszumachen, ist tatsächlich schwer. Der FC Basel sammelte in der Vergangenheit zwar viel mehr und bessere Erfahrungen auf dem internationalen Parkett; dafür misst sich St. Etienne Woche für Woche in der heimischen Ligue 1 mit stärkeren Gegnern als der FCB in der Super League. Hinter «Les Verts», den Grünen, liegt in der Meisterschaft ein krasser Steigerungslauf, der sie bis auf den vierten Tabellenplatz gespült hat.
Zusätzlich erschwert wird die schwierige Aufgabe im Hinspiel (19 Uhr, live SRF 2) durch die Tatsache, dass in
St. Etienne keine FCB-Fans zugelassen sind. Der lokale Polizeipräfekt hat seine zusätzlichen Kompetenzen, die er wegen des Ausnahmezustandes in Frankreich hat, wahrgenommen und dies so verordnet. Der Grund dürfte eine Ressourcenknappheit sein: In St. Etienne ist das Polizeikorps bedeutend kleiner als etwa in Paris, wo am Dienstag Auswärtsfans von Chelsea London zugelassen waren. FCB-Präsident Bernhard Heusler: «Uns wurde der Entscheid mitgeteilt. Wir haben das zu akzeptieren, auch wenn es sehr schade ist.»
«Schade» findet auch Breel Embolo die Abwesenheit der Fans, «dafür ist es uns jetzt umso wichtiger, dass sie in Basel vor dem Fernseher Freude an uns haben.» Der 19-Jährige dürfte heute besonders im Visier der französischen Verteidiger stehen, wie schon in den Gruppenspielen gegen Fiorentina. Embolo: «International wird härter gespielt als in der Super League. Es wird ein ungemütliches Spiel für uns alle.» Hoffen wir aus Schweizer Sicht, dass heute nach dem Schlusspfiff nur die blauen Flecken der FCB-Spieler schmerzen – und nicht auch noch der Blick auf die Resultattafel.
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