Sehr geehrter Herr Zängerle. Nun ist aber genug. Was Sie im grossen Interview im «Boten» über die Physiotherapie erzählt haben, ist, gelinde gesagt, Unsinn! Wir haben in den letzten Wochen so viele Unwahrheiten und Falschinformationen lesen müssen respektive aus dem Zusammenhang gerissene Zahlen gesehen, die ein absolut verzerrtes Bild unseres Berufs zeigen. «Eine Behandlung kann 25 Minuten dauern, und die Physiotherapeuten rechnen die doppelte Zeit ab», sagen Sie im Interview. Gahts no! Wir können für neun Behandlungen exakt 450 Franken (inklusive einer einmaligen Administrationspauschale) den Krankenkassen in Rechnung stellen.
Als seriöse Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten, die den Patienten noch anfassen und individuell betreuen, nehmen wir uns 30 Minuten pro Patient, weil wir diese Zeit auch brauchen, um eine wirksame Behandlung zu realisieren. In diese halbe Stunde müssen wir aber auch noch die Patientendokumentation, Terminvereinbarungen, Büroarbeit und in den letzten Jahren vermehrt auch Berichte für die Krankenkassen integrieren. Persönlich machen wir also noch viel Arbeit am Schluss eines ordentlichen Arbeitstages.
Die Studie vom letzten Jahr kennen Sie sicher. Diese zeigt auf, dass bis zu 30 Prozent unserer Arbeit unbezahlt ist! Und wer im Gewerbe und/oder mit Hochschulabschluss arbeitet in der Schweiz für 100 Franken Stundenumsatz? Nach Copy-and-paste-Manier werden immer wieder Zahlen in der Presse genannt, die nichts, aber absolut nichts mit den Verhältnissen in unserem Berufsstand zu tun haben.
Wir nehmen an, dass Sie die Statistikseiten des Bundes zu den Gesundheitskosten konsultieren. Sie wissen also ganz genau, dass die Physiotherapie bei der Kostensteigung der Grundversorger nicht an der Spitze steht – und bei einem Anteil von 3,7 Prozent der gesamten Gesundheitskosten können wir Ihre Intention nicht begreifen. Zudem könnten die Physiotherapieleistungen auch unter Präventionskosten gerechnet werden. Unsere Therapien sind ja unter anderem auch Sturzprophylaxe, Operationsvermeidung oder dienen dem Erhalt der Selbständigkeit. Das alles führt zu Kosteneinsparungen an anderen Stellen!
Warum dieses Physiotherapie-Bashing? Ist Ihr Ziel tatsächlich, dass wir in Zukunft im 20-Minuten-Rhythmus behandeln müssen? Es leiden die Falschen – und vor allem die Patienten.