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Schwyz

Pensionskasse des Kantons macht Rendite auf Kosten der Zukunft

Erstmals sind die Investitionen der Schwyzer Pensionskasse öffentlich einsehbar. Millionen Franken fliessen in die grössten Klimasünder.
Die Pensionskasse des Kantons Schwyz investiert unter anderem in Öl- und Gasriesen.
Bild: Collage: Ivo Mayr/Correctiv (Fotos: unsplash.com)

Martin Bieri wirkt, wie man sich einen Pensionskassenleiter wünscht: Sachlich, unaufgeregt und den Versicherten verpflichtet. «Erwirtschaften wir Renditeüberschüsse, geben wir diese möglichst an die Versicherten weiter», macht der Leiter der Pensionskasse des Kantons Schwyz (PKSZ) im Gespräch klar. Gesagt, getan. Zum ersten Mal seit 2008 stieg der Sparzinssatz für Versicherte dieses Jahr über das gesetzliche Minimum, was ihre Vermögen schneller wachsen lässt. 

So ist diese Recherche entstanden

Während die AHV laufend Geld von der arbeitenden Bevölkerung an jene im Ruhestand verschiebt, sparen alle in der zweiten Säule ein Berufsleben lang für sich selbst. Entsprechend hoch türmt sich das Geld bei den Schweizer Pensionskassen: Etwa 1200 Milliarden verwalteten sie Ende letztes Jahr. Wie Schweizer Pensionskassen diese Altersguthaben ihrer Versicherten aber anlegen, ist eine Blackbox.

Auf Grundlage des Öffentlichkeitsgesetzes hat das WAV Recherchekollektiv gemeinsam mit Correctiv in der Schweiz Einsicht in die Investitionen von sämtlichen öffentlich-rechtlichen Pensionskassen verlangt. Die Ergebnisse publizieren die beiden Recherche-Organisationen gemeinsam mit jeweiligen Lokalmedien wie dem «Boten der Urschweiz». Die Pensionskasse des Kantons Schwyz war eine der ersten, die ihre Investitionen veröffentlichte. Somit konnte zum ersten Mal eine Überprüfung ihrer Klimaversprechen stattfinden. Dieser Text ist Teil des Projekts «Tausend Milliarden Verantwortung». Sämtliche Investitionen der PKSZ sind unter bit.ly/botepksz zu finden.

Zu verdanken ist das vor allem Investitionsgewinnen. Die PKSZ legt ihr Vermögen von über 2,5 Milliarden Franken fast vollständig an der Börse und in Immobilien an. Seit 2015 verdiente sie damit fast 800 Millionen Franken, ein Grossteil davon seit Bieris Amtsantritt 2019. 

Weg des geringsten Widerstands

Trotz der hohen Gewinne kritisiert die ehemalige Lauerzer SP-Kantonsrätin und Primarlehrerin Ursi Reichmuth ihre Pensionskasse. «Wenn Bieri nur auf die Rendite schaut, berücksichtigt er nicht alle Versicherten.» Natürlich brauche sie eine anständige Rente. «Ich zweifle aber daran, dass mit ausreichend Weitsicht gehandelt wird und mein Geld wirklich in guten Händen ist.»

Neue Recherchen belegen: Die Schwyzer Pensionskasse geht den Weg des geringsten Widerstands. Sie folgt weitgehend der globalen Wirtschaft, ohne Nachhaltigkeitskriterien zu berücksichtigen. Eine exklusive Auswertung vom WAV Recherchekollektiv und Correctiv in der Schweiz zeigt: Die PKSZ investiert in mehrere der grössten Öl- und Gaskonzerne weltweit, auch aus autokratischen Staaten. Die beiden Organisationen haben die Investitionen der Pensionskasse per Öffentlichkeitsgesetz angefordert.

Die PKSZ gehörte zu den ersten Kassen, die WAV und Correctiv in der Schweiz ihre Daten vollständig zugeschickt hat. Rechtliche Abklärungen hätten ergeben, dass die PK SZ dem Öffentlichkeitsgesetz unterstehen würde, so Bieri auf Anfrage. Diese Transparenz ist wichtig, denn sie ermöglicht Versicherten wie Reichmuth, ihre Bedenken zu prüfen. Ihr ungutes Gefühl sieht sie bestätigt.

Investitionen in Öl- und Gasriesen

Wie andere kleine und mittlere Pensionskassen investiert jene des Kantons Schwyz über Fonds grosser Vermögensverwalter. Dazu gehören die Zürcher Kantonalbank, die UBS oder die US-Investment-Firma Black Rock. Dabei steht der grösste Aktienfonds im Portfolio der PKSZ exemplarisch für die fehlenden Nachhaltigkeitsbemühungen. 

Fast 500 Millionen Franken, was ein Fünftel des PKSZ-Vermögens ist, steckt im Fonds, den die Zürcher Kantonalbank verwaltet. Dieser investiert über 70 Prozent in US-Konzerne. Die höchsten Beiträge gehen an Technologieunternehmen wie Apple, Microsoft, Tesla oder Meta. Zu den grössten Positionen gehören auch Öl- und Gasriesen. Alleine in Exxon Mobil und Chevron investiert die PKSZ über fünf Millionen Franken, wie Dokumente zeigen, die WAV und Correctiv in der Schweiz erstmals der Öffentlichkeit zugä nglich machen. 

Mehr neue Öl- und Gasvorkommen als Exxon Mobil erschliessen derzeit nur Staatskonzerne Saudi-Arabiens, Katars sowie der Vereinigten Arabischen Emirate. Auch in Schuldscheine dieser autokratischen Staaten investiert die PKSZ mindestens fünf Millionen Franken.

Was die Investitionen der Schwyzer Pensionskasse für die Entwicklung der Klimakrise bedeutet, hält der führende amerikanische Börsendienstleister MSCI fest. Der oben genannte Fonds der Zürcher Kantonalbank sei nicht vereinbar mit den globalen Klimazielen. Noch kritischer beurteilt MSCI die beiden Öl- und Gasriesen Exxon Mobil und Chevron: Ihr «Beitrag zum katastrophalen Klimawandel ist höher als bei den meisten anderen Unternehmen».

Schwyz kennt keine Nachhaltigkeitsvorgaben

Pensionskassenleiter Bieri begründet diese klimaschädlichen Investitionen damit, dass eine Überprüfung nicht ihr Auftrag sei. «Wir sind verpflichtet, unser Vermögen zu investieren und eine Rendite zu erzielen, um die laufenden Leistungen und Kosten finanzieren zu können», sagt er.

Gesetzgeberische oder regulatorische Vorgaben für Nachhaltigkeit in der Vermögensanlage gebe es keine. In der Folge verfüge die PKSZ auch über kein Nachhaltigkeitsbudget. Bieri sagt: «Sämtliche zusätzlichen Kosten gehen zu Lasten unserer Leistungen und haben damit einen direkten Einfluss auf die Höhe der Altersleistungen im Ruhestand.»

Als Beispiel nennt er den bereits genannten Aktienfonds der Zürcher Kantonalbank. Dieser würde auch in einer nachhaltigeren Variante angeboten. Die Verwaltungskosten würden sich dadurch aber jährlich mit über 2 Millionen Franken mehr als verdoppeln. Auch eine Mitgliedschaft bei Ethos kostet wenige 10’000 Franken, wie sie auf Anfrage mitteilt. Ethos ist eine Stiftung, die im Auftrag von rund 200 Schweizer Pensionskassen Druck auf Unternehmen ausübt. Selbst auf diesen Mindeststandard verzichtet die PKSZ. 

Pensionskasse musste saniert werden

Bieris Fokus auf die Versicherten kommt nicht von ungefähr. Als er die Pensionskasse Schwyz vor fünf Jahren übernahm, war diese wirtschaftlich angeschlagen. Sie kam aus einer Sanierung, die 2014 vom Kantonsrat beschlossen wurde und vorsah, bis 2026 mit dem Vorsorgevermögen sämtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Bezahlen mussten der Kanton, Arbeitgeber und Versicherte. Letztere alleine trugen über 15 Millionen Franken zur Sanierung bei.

Drei Jahre später, 2017, sah alles anders aus. Der geforderte Deckungsgrad war erreicht – zehn Jahre früher als geplant und bis heute stabil. Zu verdanken ist das aber nicht dem Kanton oder den Beitragszahlenden, sondern enormen Investitionsgewinnen.

Das Streben der PKSZ nach kurzfristigen Renditen widerspricht einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung aus dem letzten Jahr. Sie kommt zum Schluss, dass die Weltwirtschaft aufgrund des Klimawandels bis 2050 um ein Fünftel schrumpfen dürfte. Laut den Studienautorinnen und -autoren würde dieser Schaden die Kosten um das Sechsfache übersteigen, die nötig wären, um die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. 

Andere öffentliche Kassen setzen auf Nachhaltigkeit

Diese klimabedingten finanziellen Risiken stellt auch der Pensionskassenverband Asip fest. In einem Nachhaltigkeits-Reporting von 2022 hält er fest, dass Klimaaspekte Teil der zu analysierenden Risiken und Chancen für Pensionskassen seien. Somit gehörten sie zu der gesetzlich geregelten treuhänderischen Sorgfaltspflicht. 

Dies widerspricht Bieris Aussage, es gebe keine gesetzgeberischen oder regulatorischen Vorgaben für Nachhaltigkeit in der Vermögensanlage. Zu einem ähnlichen Schluss kommt ein Rechtsgutachten des Bundesamts für Umwelt (Bafu) von 2019. Noch klarer wäre das neue Klimaschutz- und Innovationsgesetz (KIG), das «Massnahmen zur Verminderung der Klimawirkung von nationalen und internationalen Finanzmittelflüssen» vorsieht. Weil der Bundesrat die Umsetzung verzögert, ist dieser Artikel bislang nicht umgesetzt.

Die genannten Zusatzkosten für Nachhaltigkeitsbemühungen wirken tief gegenüber den enormen Investitionsgewinnen der PKSZ in den letzten Jahren. Auch deuten die gesetzlichen Grundlagen darauf hin, dass die PKSZ mit ihrer Lesart isoliert dasteht. So leiten andere öffentlich-rechtliche Pensionskassen ihre Klimaschutz-Bemühungen von den gesetzlichen Grundlagen ab. Dies zeigen Recherchen von WAV und Correctiv in der Schweiz bei den Pensionskassen des Kantons Baselland (BLPK) oder der Stadt Zürich (PKZH). Eine Pensionskassen-Studie im Auftrag der Zürcher Kantonalbank von 2023 kommt zum Schluss, dass 74 Prozent der öffentlich-rechtlichen Kassen über Nachhaltigkeits-Richtlinien verfügten. Und 86 Prozent geben einen entsprechenden Bericht heraus oder planen dies. Die PKSZ macht keines von beidem. 

Bieri scheint mit seinem Sparkurs über das Ziel hinauszuschiessen. Letztlich widerlegt die Schwyzer Pensionskasse durch ihren Fokus auf gesetzliche Grundlagen die Strategie von Bund und Asip, die Nachhaltigkeit in der Finanzindustrie vor allem durch Freiwilligkeit erreichen wollen. Zurück bleiben unzufriedene Versicherte wie Ursi Reichmuth, die bisher keine Einsicht in die Investitionen hatten. Gerade die Altersvorsorge, welche eine lebenswerte Zukunft ermöglichen soll, müsse mehr tun, sofern das finanziell tragbar ist, sagt sie. 

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