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«Rien ne va plus»

Bild: Reto Tuchschmid

Seit meiner Kindheit zieht es mich regelmässig ans Ligurische Meer, mal südlich, mal westlich von Genua. Familiär-traditionell und emotional bedingt, bevorzuge ich im Sommer die italienische Seite, während im Herbst und Frühling die französische Seite zum Zuge kommt, wie eben erst vor ein paar Wochen nahe Monaco.

Das Fürstentum Monaco ist ein Land der Superlative. Weltweit der kleinste Staat (abgesehen vom Vatikan), die grösste Bevölkerungs- und Millionärsdichte sowie die höchste Sicherheit und Lebenserwartung. Ach ja, und im Ranking der Steuerparadiese belegt Monaco, laut Bradley Hackford, den 3. Platz. Zwar ist Monaco bekannt für hohe Lebenskosten und astronomische Immobilienpreise, aber weder Vermögen noch Einkommen werden versteuert, ausser man ist französischer Staatsbürger. Vive la France!

Monaco, ein Stadtstaat, liegt an der Mittelmeerküste und wird landseitig von Frankreich umschlossen. Er besteht aus den drei ursprünglichen Gemeinden Monaco, Monte Carlo und La Condamine und weist eine Gesamtfläche von gerade mal 2 km 2 aus. Sechs Jahre nach unserem Rütlischwur drang 1297 der gewiefte, als Franziskanermönch verkleidete François Grimaldi in die Festung ein, eroberte Monaco und legte den Grundstein für den Fürstenpalast. Erst 600 Jahre später folgte die Anerkennung der Unabhängigkeit, und Monaco legte so richtig los. Es folgten der Bau der Eisenbahnlinie entlang der Küste, die Eröffnung des Spielcasinos Monte-Carlo (monumental), der Opéra (grandios), des Nationalmuseums (eher klein), des Prähistorischen Anthropologiemuseums (bescheiden-modern) sowie des Ozeanografischen Instituts (grossartig). Der erste Grand Prix 1929 sowie die Heirat des Fürsten Rainer III. mit der Schauspielerin Grace Kelly besiegelten endgültig die Exklusivität des Fürstentums. Vive la Pompe!

Monaco beschäftigte sich, analog zur Schweiz, seit dem Aufkommen des Automobils und der Etablierung des sagenhaften Zonenplans hauptsächlich mit der Verkehrsplanung, aber mit Sicherheit nicht mit der räumlichen Qualität des öffentlichen (unbebauten) Raums, der die eigentliche Identität des Ortes ausmacht. Die überhandnehmende, private Bautätigkeit bestimmte das masslose und chaotische Siedlungsbild, während die Stadtplanung, restlos überfordert, sich ausschliesslich mit neuen Strassenführungen, Brücken, Tunnels und zahllosen Tiefgaragen beschäftigte. Würde man das oberirdische mit dem unterirdischen Bauvolumen vergleichen, wage ich zu behaupten, würde der Unterterrain-Bereich das Rennen machen. Vive la Densification!

Monaco ist sicher, reich und schön. So kam es, dass in den letzten 70 Jahren die Bevölkerungszahl um 30 Prozent auf 40 000 Einwohner anstieg, während die Bodenfläche unverändert blieb, fast. Zum Vergleich: Mit 20 000 Einwohnern pro km 2 ist Monaco rund 4-mal dichter als die Stadt Zürich. Es standen Monaco drei Möglichkeiten zur Auswahl, das Bauvolumen zu erhöhen: Aufstockung – Hochhaus – Aufschüttung. Ersteres kommt aufgrund der Netto-Null-Debatte immer mehr zum Zuge, während der Bau in die Höhe einem Investorenwettkampf gleichkommt, je höher, desto besser, Schattenwurf hin oder her. Die dritte Option war spätestens seit den 70er-Jahren fällig: Bis heute wurden rund 20 Prozent durch Aufschüttungen im Meer gewonnen, was zu einer veritablen Veränderung des Stadtbilds führte. Während die Bahnlinie zwischenzeitlich in den Berg gesprengt und einige urbane Parks und Plätze aufwendig erstellt wurden, präsentiert sich die Avenue Princess Grace, die stets den Blick aufs Meer bot, neuerdings mit einem Saum an trendigen, künstlich-klassizistischen, marinen Architekturen und viel exotischem Grün, nicht selten beschildert mit «Private Club». Vive la Privatisation!

Sollten Sie nun einen Umzug nach Monaco in Betracht ziehen, noch einige klitzekleine Tipps: Lernen Sie Monegassisch, seien Sie reich, und zwar so sehr, dass Sie nicht mehr arbeiten müssen, und halten Sie 500 000 Euro in bar bereit für die erforderliche Kontoeröffnung bei einer monegassischen Bank. Vive le Prince!

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