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Schwyz/Nottwil

Nach Sturz und Nackenbruch: Schwyzerin läuft 60 Kilometer nach Hause

Helen Häusler beweist, dass nichts unmöglich ist: Nach drei Monaten in der Klinik Nottwil lief sie selbstständig in sechs Tagen zurück nach Schwyz.
Die 65-jährige Helen Häusler hat sich und ihrem Umfeld bewiesen, dass man mit einer positiven Einstellung auch grosse Wunder vollbringen kann.
Bild: Schweizer Paraplegiker-Stiftung/Sabrina Kohler

Unser Körper bewegt sich den ganzen Tag – wir laufen, springen, wandern, winken –, ein Privileg, das oft vergessen geht im Alltag. Doch für einige Menschen ist es schlagartig nicht mehr selbstverständlich. So war es auch bei dir Schwyzerin Helen Häusler. In einem Moment bewegte sie sich noch sorgenfrei im Estrich, im nächsten lag sie ein Stockwerk weiter unten und konnte sich nicht mehr bewegen.

Am 21. April, am Ostermontag, änderte sich das Leben von Helen Häusler drastisch. Als sie bei ihrem Schwiegervater wieder einmal in das oberste Geschoss wollte, fiel sie durch eine weitere Estrichtüre in die untere Wohnung. Zu ihrem Unglück fiel sie direkt in eine Ecke und verletzte sich dabei schwer am Nacken. Und plötzlich schwand jegliches Gefühl: Jeder Muskel wurde schlagartig taub im Körper – sie gehorchten den Befehlen des Gehirns nicht mehr.

Mit jedem Tag wurde sie stärker

Sie wurde sofort ins Spital gebracht und umgehend operiert. «Ich hatte Glück im Unglück», erzählt Helen Häusler. Wäre die Operation nicht so gut verlaufen, hätte sich ihr Schicksal wohl noch einmal anders entwickelt. Zu ihrem weiteren Glück erfuhr sie, dass das Rückenmark nicht vollständig durchtrennt, sondern nur teils beschädigt war. Das heisst, die Informationsübertragung zwischen Gehirn und Körper funktionierte eingeschränkt, sollte aber wieder herstellbar sein.

Dieser Hoffnungsschimmer gab Helen Häusler Kraft. «Mich fragen immer wieder alle, wie ich die ganze Zeit über so positiv bleiben konnte», sagt die 65-Jährige. Als sie dort gelegen sei, ohne jegliches Gefühl im Körper, sei sie vom Schlimmsten ausgegangen. «Ich dachte: ‹Ja, jetzt ist mein Nacken gebrochen, ich werde mein Leben lang an einen Rollstuhl gebunden sein. Aber, dass ich inkomplette Tetraplegikerin bin, zeigt, dass das Schlimmste doch nicht eingetroffen ist›», so Helen Häusler, die mit der Volksmusikgrösse Dani Häusler verheiratet ist. Von diesem Tag an arbeitete sie in Nottwil hart an ihrer Motorik.

«Ein höheres Hoch kann man sich gar nicht vorstellen.»Helen Häusler

«Von Tag zu Tag kam immer mehr zurück», erzählt sie. Am 11. Mai, am Muttertag, konnte sie zum ersten Mal wieder aufstehen. «Einfach nur stehen auf den eigenen Beinen – das ist eigentlich schon ein Wunder. Ich hatte sehr gute Physiotherapeutinnen und -therapeuten, die mir geholfen haben. Ohne sie wäre es sicher auch nicht so schnell gegangen.» Denn schon Mitte Mai, konnte sie mit ihrer Physiotherapeutin die ersten paar Schritte an einem Barren gehen. «Ein höheres Hoch kann man sich gar nicht vorstellen, wenn man wieder fünf Schritte vor und fünf zurück machen kann», sagt sie mit einem stolzen Lächeln.

Die Schwyzerin auf ihrem Weg nach Hause.
Bild: Schweizer Paraplegiker-Stiftung/Sabrina Kohler

Von diesem Tag an steigerte sich das Wohlergehen der inkompletten Tetraplegikerin stetig. «Von unserem Speisesaal in Nottwil aus konnte man den Mythen sehen.» Ihren Hausberg. Da sei langsam die Idee entstanden, «ich könnte doch nach Hause laufen». Mit dieser Motivation trainierte sie das Laufen weiter. Immer mehr Schritte konnte sie gehen, bald schon einmal ohne Barren, dann mit Stöcken als Stützhilfe und schliesslich sogar ohne.

Pünktlich zum Nationalfeiertag zu Hause

Am Sonntag, 27. Juli, war es dann so weit. Es hiess: Abmarsch nach Hause. «Ich konnte also schon nach drei Monaten nach Hause, normalerweise kann man das erst nach sieben Monaten – ein unglaubliches Gefühl.»

Insgesamt 60 Kilometer in sechs Tagen lief die 65-Jährige. Übernachtet hat sie immer am selben Ort auf ihrer Reise, im Hotel Seehof in Küssnacht. «Für den nächsten Tag wurde ich immer wieder genau an den Punkt gebracht, wo ich am Tag vorher aufgehört hatte.» Begleitet auf ihrem Weg wurde sie immer wieder von Freunden und Familie.

Mental coachen musste sich die Schwyzerin auf ihrem Weg nie. Einzig vor Adligenswil stiess sie kurz an ihre körperliche Grenze. «Ich musste dort gefühlte 500 Treppenstufen hinauf, aber ich dachte mir dann: ‹Der Weg ist das Ziel!› und lief weiter.» An ihrem letzten Tag, dem 1. August, nahm sie die letzten Kilometer nach Hause in Angriff. Empfangen wurde sie feierlich von ihrer Familie, die mit einer Überraschungsparty auf sie wartete. Helen Häusler sagt abschliessend: «Man weiss das Laufen erst zu schätzen, wenn man es einmal nicht mehr konnte.»

Nach sechs Tagen endlich angekommen: Helen Häusler hat die 60 Kilometer gemeistert – und das mit einem Strahlen.
Bild: PD
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