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Heilig-Abend auf der Dufourspitze

Bald strahlen die Augen der Kinder (und der Erwachsenen) wieder: Der Advent bereitet uns mit Kerzen und Lichtern auf die Weihnachtszeit vor. «Heil» und «Heiliges» wird uns mit aller Mystik erfassen.

Unser Alltag ist erfüllt von oft unbewussten Heilsbotschaften, Glaubenssätzen und Ideologien. Dies, obwohl wir uns gerne als rational und aufgeklärt verstehen. Weil die Definition dieses «Heils» diffus ist, wird die Grenze zwischen Ideologie und Sektierertum schwammig. Es besteht die Gefahr, dass unsere Heils-Sehnsucht missbraucht wird.

Gefährliche Heilsversprechen senden Sekten und sektiererische Institutionen aus. Leider spriessen sie munter und erhalten Zulauf. Weil sie mit einem «eigentlich ganz vernünftigen», menschenfreundlichen Ansatz daherkommen, wird deren Gefährlichkeit oft nicht erkannt. Oft werden Heilsverkündigungen von politischen und gesellschaftlichen Ideologien aufgenommen und weiterverbreitet. Oder umgekehrt: Die eigene Überzeugung wird zum Glaubenssatz hochstilisiert. Hier einige Beispiele:

Wir erinnern uns an die Pandemie mit ihren Impfgegnern und Impfbefürwortern. Oder man versuche «Hardcore-Veganer» und «Bio-Apostel» darauf hinzuweisen, dass die Überwindung des Welthungers nur mit dem (industriellen) Einsatz aller landwirtschaftlichen Mittel denkbar ist. Wer in einer Diskussion einbringt, dass die Frauen in der Schweiz auch etwas anderes als diskriminiert sein könnten, wird rasch in die Ecke der «alten weissen Männer» gestellt. Organisationen, welche sich eigentlich für eine bessere Umwelt einsetzen, reagieren reflexartig auf jeden Vorschlag mit «so sicher nicht». Wenn sich sogenannte Aktivisten am Boden festkleben und damit Menschenleben gefährden, wird ihnen rasch ein Märtyrer-status zugestanden. Beispiele gäbe es noch viele. Ihnen ist gemeinsam, dass damit jeglicher Gedankenaustausch beendet, «gekillt» wird. Denn was «Heil» bringt, ist nicht diskutabel.

Doch was haben diese Ausführungen mit dem Titel zu tun? «Ich bin nicht einverstanden mit dem, was du sagst, aber ich würde bis zum Äussersten kämpfen, dass du es sagen darfst.» Dieses Zitat wird dem Philosophen Voltaire zugeschrieben. Einer seiner «Nachfahren im Geiste» war der Ingenieur und Staatsmann Guillaume Henri Dufour, bekannt vor allem als General im Sonderbundskrieg – das (bisher) letzte Mal, dass Eidgenossen gegen Eidgenossen Krieg führten. Zum 175-Jahr-Jubiläum drängen sich einige Gedanken an und um diese für die Schweiz so wichtige und doch wenig bekannte Person auf. «Die Schweiz» gab es damals noch nicht, sie wurde in der Folge jedoch gegründet. Möglich wurde unser demokratischer Staat, weil eben gerade nicht Ideologien und Sektierertum obsiegt hatten, sondern Klugheit, Verantwortung und Konzentration auf das Machbare. Dufours Sieg ermöglichte dank seinen umsichtigen Anordnungen ein eidgenössisches Weiterleben. Sein Befehl lautete nicht Vernichtung, nicht Abwürgen der Gespräche, nicht Unterwerfung der Verlierer. Vielmehr reichte man auch den Unterlegenen die Hand und lud diese ein, unsere Demokratie gemeinsam zu erschaffen. Die Schweiz, ein Staat aus dem Geist der Freiheit.

Der höchste Gipfel der Schweiz ist nach Dufour benannt. Zu Recht! Dass ihm nur ein einziges Museum – auf der Halsegg ob Sattel – gewidmet ist, ist eigentlich etwas mickrig. Wie Dufour praktisch umgesetzt hat, was Philosophen wie Voltaire vorgedacht hatten, so wünsche ich mir unsere Gesellschaft: freiheitlich in Gedanken und Taten. Leben und leben lassen. Offenes Gespräch statt ideologische Verbissenheit, praktisches Entscheiden statt Heilsbotschaften, handeln «auf dem Boden» und statt dauernd die Welt zu retten: in Familie, Gemeinden und Betrieben die Realität gut gestalten.

«Die Gedanken sind frei» spielte einst Sophie Scholl vor dem Nazi-Gefängnis, in dem ihr Vater litt. Das freie Wort, die freien Gedanken gehören auf die Dufourspitze, den höchsten Gipfel! In diesem Geist: Frohe und heil-volle Festtage!

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