Bei den Bahnen und im öffentlichen Verkehr sind wir es uns gewohnt, tagtäglich ein äusserst komplexes und anspruchsvolles System möglichst perfekt am Laufen zu halten. Bei der Bahn müssen unglaublich viele «Zahnräder» reibungslos ineinandergreifen, damit die Züge pünktlich, sicher und sauber verkehren. Für Verbesserungen und Weiterentwicklungen gibt es daher vielfach keine einfachen Lösungen. Die starke Vernetzung des Systems zwingt uns dazu, bei Anpassungen sehr genau hinzuschauen und tiefgreifend zu prüfen, welche Auswirkungen diese auf unser Gesamtsystem haben. Nur dank einer guten, konstruktiv kritischen Zusammenarbeit über alle Unternehmen und Sektoren hinweg, vereint mit der Fähigkeit, auch Kompromisse eingehen zu können, kann das Bahnsystem stabil gehalten werden.
Beim öffentlichen Verkehr sind wir daher nicht unbedingt die Schnellsten und Kreativsten, aber wir bieten einen zuverlässigen Service. Die Langsamkeit nervt zwar manchmal ganz gewaltig, aber Schnellschüsse oder vermeintlich einfache Lösungen können das System sehr schnell gefährden und zum Kippen bringen.
Gesellschaftlich und politisch befinden wir uns ebenfalls in einer sehr anspruchsvollen Situation. Unsere Sicherheit, der Klimawandel, unser ungeklärtes Verhältnis mit Europa, die ungelösten Probleme im Gesundheitswesen, die offenen Fragen und Probleme rund um die Alterssicherung, der Kaufkraftverlust, die wahrscheinliche Strommangellage, Landschaftsschutz und der Erhalt der Biodiversität usw. sind nur die Spitze des Eisbergs an ungelösten Problemen und Herausforderungen, welche eigentlich dringend gelöst werden müssen.
Es sei die Frage erlaubt: Warum schaffen wir es nicht mehr, unsere Probleme zeitnah anzugehen und zu lösen? Dafür sind aus meiner Sicht verschiedene Faktoren verantwortlich.
Wir wollen zu viel auf einmal oder den Fünfer und das Weggli. Doch wie heisst es so schön? «Man kann nicht alles haben.» Diese Binsenweisheit gilt heute nicht mehr. Alles muss ohne Abstriche möglich sein, und dabei hat gefälligst auch unser Wohlstand weiter zu wachsen.
Wenn wir aus dem Urwald unserer Probleme herausfinden wollen, kommen wir nicht darum herum, für die anstehenden Herausforderungen klare Prioritäten zu setzen. Also zu klären, was uns wichtig ist und was weniger. Zum Beispiel: Wollen wir immer genügend Strom und nehmen dafür Abstriche im Bereich Landschaftsschutz und Biodiversität in Kauf? Oder wollen wir ein bezahlbares Gesundheitswesen und sind bereit, mehr Eigenverantwortung als Konsumenten zu übernehmen?
Für alles gibt es einfache Lösungen, Kompromisse sind wischiwaschi –
Kompromisse und damit Lösungen zu finden, ist anstrengend und hinterlässt nicht selten bei allen Betroffenen oder Beteiligten eine mittlere Unzufriedenheit. Vermeintlich einfache Lösungen in einem stark vernetzten und komplexen Umfeld hinterlassen jedoch vielfach einen Scherbenhaufen und wenige Gewinner, aber meistens viele Verlierer.
Die weit verbreitete, fast absolutistische Haltung, zu wissen, was richtig und was falsch ist, nimmt schon teilweise fundamentalistische Züge an. Diese zunehmende Polarisierung ist für unsere urdemokratisch geprägte Gesellschaft schädlich und hilft überhaupt nicht, die grossen anstehenden Herausforderungen mit Augenmass und Vernunft lösen zu können.
Die Schweiz als Gesellschaft und Land ist darum so stark geworden, weil wir immer wieder aufeinander zugegangen sind und die vorhandenen Differenzen (meistens) gütlich im Sinne eines Kompromisses gelöst haben. Es wurde bewusst darauf geachtet, dass es, wenn immer möglich, keine Gewinner und Verlierer gab. Das Suchen von Lösungen, welche austariert und für alle verträglich sind, war eine unserer Stärken. Das vernetzte Denken und Handeln mit klaren Prioritäten hat gute, wenn meistens auch keine spektakulären Lösungen hervorgebracht.
Genau so arbeiten wir im öffentlichen Verkehr und bei den Bahnen.