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Kommentar zur Abstimmung

Eigenmietwert-Abschaffung: Sollen Eigenheimbesitzer so egoistisch sein?

Ein Einfamilienhaus.
Bild: Keystone

So eine seltsame Abstimmungsvorlage habe ich selten gesehen: Es geht am 28. September um die Abschaffung der sogenannten Eigenmietwert-Besteuerung von selbst bewohnten Häusern und Wohnungen. Doch auf dem Stimmzettel steht etwas ganz anderes: «Bundesbeschluss über die kantonalen Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften». Das ist verwirrend. Denn mit einem Ja zur Vorlage wird der Eigenmietwert auf nationaler Ebene sofort abgeschafft. Bei den erwähnten kantonalen Zweitliegenschaftssteuern geht es bloss um die Ermächtigung der Kantone, eine solche später einzuführen.

Eigentümer jetzt schon bessergestellt

Wichtiger als die Wortwahl ist aber der Inhalt. Die Vorlage würde Haus- und Wohnungsbesitzer gegenüber den Mietern noch stärker bevorzugen, und der Staat würde bei den heutigen Zinsen jährlich 1,8 Milliarden Franken an Steuereinnahmen verlieren. Natürlich ist es sinnvoll, Wohneigentum zu fördern. Aber auch hier gilt: Es braucht Mass und Fairness. Schon heute profitieren Wohn-Eigentümer mehrfach:

  1. Ihre Häuser beziehungsweise Wohnungen steigen jährlich um 3 bis 5 Prozent im Wert, besonders in dichter besiedelten Gebieten. In 15 bis 20 Jahren haben sich viele Immobilienpreise sogar verdoppelt, auch im Kanton Schwyz. Ein grosser steuerfreier Gewinn.
  2. Der steuerbare Eigenmietwert liegt meist 30 bis 40  Prozent unter dem tatsächlichen Marktwert.
  3. Hauseigentümer dürfen gestiegene Hypothekarzinsen weitgehend auf ihre Mieter abwälzen.
  4. Die Vermieter erhielten neue Möglichkeiten für Mietzinserhöhungen: Bisher durften Vermieter ihre Investitionen nur mit einem Zinssatz verzinsen, der 0,5 Prozentpunkte über dem Referenzzins liegt. 2020 hat das Bundesgericht entschieden, dass die Netto-Rendite der Vermieter sogar 2 Prozentpunkte über dem Referenzzins liegen darf, das heisst heute total 3,25 Prozent.
  5. Der Wert der Liegenschaften hängt unter anderem stark mit der Attraktivität der öffentlichen Infrastruktur zusammen, welche auch von den Mietern mitfinanziert wird.
  6. Die Eigenheimbesitzer können heute die Unterhaltskosten von den Steuern abziehen. Dieser Steuerabzug würde in Zukunft entfallen und dürfte sich negativ auf die Bauwirtschaft auswirken.

Mieter immer stärker unter Druck

Für Mieter wird es dagegen zunehmend schwieriger: Wegen hoher Zuwanderung, sehr restriktiver Einzonungspolitik und stagnierender Wohnbautätigkeit verschärft sich der Wohnungsmangel laufend, womit auch die Mietpreise steigen. Zudem wissen Mieter nie, wann sie ihr «eigenes» geliebtes Daheim verlassen müssen. Wer eine neue Wohnung sucht oder umziehen muss, zahlt heute oft Hunderte Franken mehr als vorher. Gemäss Bundesamt für Statistik zahlt ein Mieter bei einem Umzug in eine vergleichbare ältere 4-Zimmer-Wohnung durchschnittlich 30 Prozent mehr als bisher, bei einem Umzug in eine neue Wohnung sogar 60 Prozent.

Eigenmietwert ist kein fiktives Einkommen

Befürworter sagen: Der Eigenmietwert sei kein echtes, sondern ein «fiktives» Einkommen, das nicht besteuert werden sollte. Doch die meisten Fachleute widersprechen: Wer vom Arbeitgeber eine Wohnung gratis zur Benutzung erhält, muss den Wert dieser Miete trotzdem als Natural- bzw. Real-Einkommen versteuern. Wer Geld in Kapitalanlagen investiert, muss den Ertrag versteuern, Eigenheimbesitzer ihre Real-Einkommen aber nicht. Das widerspricht dem Prinzip, dass Steuern nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erhoben werden sollen, das heisst, dass Mieter und Vermieter gleich wie andere Investoren behandelt werden.

Mehr Fairness?

Unsere Demokratie lebt vom Ausgleich und vom Blick aufs Gemeinwohl. Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger zeigen dies immer wieder, zum Beispiel wenn sie höhere Steuern akzeptieren oder auf mehr Ferien verzichten. Ein Nein zur Abschaffung des Eigenmietwerts wäre ein Zeichen der Fairness der privilegierten Eigentümer gegenüber den Mietern.

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